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Offenbachiade chez Max Reinhardt

6.196 Byte hinzugefügt, 17:27, 24. Sep. 2020
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: Die Kritik in der "Vossischen Zeitung " ist auch eine ausführliche Auseinandersetzung zwischen dem Oeuvre Offenbachs als Operettenkomponist, wie man es anno 1906 verstand und der Inszenierung von Max Reinhardt, die als  Experiment erkannt – in dem Sinn „kann ich auch Musiktheater?“
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<span style="color: #800000;">"Orpheus in der Unterwelt", Neues Theater, 13.Mai 1906. Bühnenentwurf von Ernst Stern für das Schlafgemach der Götter auf dem Olymp</span>
: Aus dieser Perspektive sei die Frage gestellt: hat Reinhardt  Musik  also nicht eigenständige Sprache gewertet, erkannt, was aber oder vielmehr wie stand er zum  Musiktheater als  Gesamtkunstwerk ?   
Gottfried Reinhardt war ein treuer Chronist der Arbeit seines Vaters, und wenn das folgende auch aus der Zeit der „Fledermaus“ stammt, so decouvriert es doch erbarmungslos  den Umgang des Regisseurs mit einem Gesamtkunstwerk „Musiktheater“:
 
Der Akzent lag auf dem Schauspielerischen und das machte Änderungen in der Partitur notwendig, Melodien mußten ins Orchester verlegt werden (weil die Schauspieler den gesangstechnischen Anforderung nicht genügen konnten, z.B. Koloraturen oder andere musikalische Verzierungen singen, Melodien aber schon). Im übrigen erforderte der freie tänzerische und sprachlich-rhythmische Stil der Regie mehrere musikalische Einlagen(die nicht in der Partitur stehen). 
: Wenn Gottfried Reinhardt mit seiner Einschätzung recht hat, warum aber inszenierte Reinhardt - in Abständen zwar - immer wieder Musiktheater?  Diese Frage mag berechtigt sein, trifft aber nicht unbedingt zu, ich möchte der Behauptung von Gottfried Reinhardt mit einem knappen Briefzitat  von Max Reinhardt, von 1912, widersprechen. 
Max Reinhardt an Berthold Held vom 21. August 1912
 
(Anlaß für dieses sehr ausführliche Schreiben voller technischer u.a. Details aus dem hier zitiert wird, ist das Gastspiel "Das Mirakel", Wien, Rotunde 1912. "Das  Mirakel" ist eine Pantomime von Karl Vollmoeller, Musik von Engelbert Humperdinck)
: Die Muse möchte den Dichter nicht an ein allgemeines bürgerliches Leben verlieren, sie kämpft darum ihn seiner eigentlichen Berufung als Künstler zu erhalten, auch wenn ihm der öffentliche Erfolg versagt bleibt. Lindorf verachtet alles Erfolglose, ihn reizt nur der Erfolg – verkörpert durch Stella.
Die beiden, Muse und Lindorf,  werden – unwissentlich zu Verschwörern/Verbündeten, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven: eine Versöhnung Hoffmann und Stella darf nicht stattfinden.
 
Der 5. Akt führt diese unterschiedliche Stränge/ Handlungsebenen zusammen: der betrunkene Hoffmann (der Weinkeller als Topos für das „Außer sich sein“, das Heraustreten aus dem Alltäglichen Ich und Welt) nimmt Stella, die erst im 5.Akt als handelnde Person in Erscheinung tritt, nicht wahr; noch weniger ihren Abgang mit Lindorf. Die Muse /der verwandelte Niklausse/ behält den Dichter
: <span style="color: #800000;">Berlin, Großes Schauspielhaus 1931</span>
''M''it dem letzten Satz beschreibt Reinhardt den Trend der Zeit, wie auch seinen angestrebten, immer wieder formulierten  Anspruch „Wort und Ton“ dem Drama gemäß  zusammenzubringen. Reinhardt schreibt nicht expressis verbis von Musiktheater/Oper, Operette; ich spekuliere – vielleicht tendierte Reinhardt doch dahin Musiktheater zu inszenieren?
 
Dafür spricht auch ein im Nachlaß Reinhardt überlieferter  Brief von Heinz Tietjen (aus dieser Zeit) mit dem Angebot den „Don Giovanni“ an der Staatsoper Unter den Linden zu inszenieren.
: <span style="color: #0000ff;">'''''Ich griff nur da ein, wo Reinhardt für seine Bühnenvisionen keine oder nicht genügend auswertbare Musik vorfand .  … Ich mußte feststellen, daß Reinhardt mit geradezu hellseherischem Instinkt immer gerade da einhakte, wo die vorhandene Musik seltsam unausgiebig war. …'''''</span> '' ''
: Leo Blech, Ob überhaupt und wenn ja, wie!, Programmbuch zu Hoffmanns Erzählungen, S. 116 ff.
: '''FSchlußwort''' Nachdem ich nun akribisch viel zusammengetragen habe zur Inszenierungsarbeit Reinhardts  an verschiedenen Werken Offenbachs, wird der Leser fragen: und was folgt daraus ? – zu wenig um bahnbrechend für die Entwicklung des Musiktheaters wird die Theaterwissenschaft erklären, zu wenig biographisch werden mir die Biographen entgegenhalten, die  sozio-politische Tätigen werden spitzzüngig anmerken: Elitetheater! Nichts und alles trifft zu. Offenbach zieht sich wie ein versteckter Ariadne-Faden durch das Bühnenleben von Max Reinhardt. Es beginnt mit dem Merkur in „Orpheus in der Unterwelt“ 1893 auf der Vorstadtbühne in Rudolfsheim; möglich daß Reinhardt auch dort erfahren und erlebt hat, wie „Volkstheater“ – Vorstadttheater funktioniert(vgl. dazu den Brief an Berthold Held vom 4.12.1894); das Publikum in Rudolfsheim waren Arbeiter, Handwerker, kleine Beamte, kleine Händler., vielleicht gelegentlich der eine oder andere aus der Mittelschicht. Vielleicht nur als kurzer Hinweis: die Wiener Vorstadtbühnen (die bis zur Schleifung der Befestigungsanlagen 1857 vor der Stadt lagen), hatten allgemein großen Zulauf , nicht nur aus der Vorstadt;  mit der Stadterweiterung veränderte sich die Publikumsstruktur ,  es gab in der Folge mehr Vorstadtbühnen, häufig auch in sogenannten Vergnügungsparks, wie eben beim Schwender. 1901: Schall und Rauch spielt als Nachtvorstellung Offenbach, „Hanni weint und Hansi lacht“ (Jeanne qui pleure et Jean qui rit), Operette (opérette bezeichnet im französischen kleine Oper, Singspiel!). Das kleine einaktige Spiel um zwei Verliebte, die sich am Ende doch noch kriegen, hatte Offenbach für das Kurtheater in Bad Ems 1864 komponiert. In Wien stand es zuletzt langjährig auf dem Spielplan des Carltheaters (Noten – und Textmaterial sind erhalten geblieben). 1901 hatte Reinhardt mit seinem Ensemble im Carltheater gastiert.  Und um diesen kleinen historischen Rückblick abzuschließen: Offenbach wurde in Wien schon zu seinen Lebzeiten viel gespielt, es gab eine Offenbach-Tradition, die nicht zuletzt mit Karl Kraus einen einsamen Höhepunkt erlebte. Und immer wieder  -  der Ariadne-Faden : Offenbach - Orpheus, Helena, Hoffmann – nicht realisiert Pariser Leben und die Banditen (Les Brigands) . „Die schöne Helena“ –in der Verkleidung  „Helen goes to Troye“ im Alvin Theatre, New York, bleibt als Inszenierungsfragment zurück. Reinhardt stirbt am 31.Oktober 1943. Die Premiere der Produktion , von Herbert Graf realisiert, findet am 24. April 1944 statt.  Mehr Fragen als Resultate sind geblieben;  die Überlieferung des Spielmaterials ist sehr lückenhaft, es fehlt vor allem das musikalische Material um einen umfassenderen Einblick in die Arbeit von Max Reinhardt in seiner Vorstellung „Volksstücke mit Musik“ (Brief an Berthold Held, 1894) zu finden.  Doch schon die Bruchstücke lassen erkennen, daß Reinhardt ein etwas widersprüchliches Verhältnis zur Musiksprache und ihren Erfordernissen hatte. Er gebrauchte Musik als dramaturgisches Movens, und – ohne Kenntnis der musikalischen Materialien (die „Fledermaus“ ist als Klavierauszug zu wenig aussagekräftig) und möglicher Regieunterlagen bleiben nur Berichte, Rezensionen und Photographien. Die Photographien der Zeit sind – dem technischen Standard entsprechen statuarisch, oft auch nachgestellt … erzählen zu wenig über szenische Abläufe.  Akustisches Material – Plattenaufzeichnungen – bis auf das „Traumduett“ (Ausschnitt) aus der „Schönen Helena“ von 1932 – reichlich sparsam. Es war dennoch eine spannende Spurensuche in die Welt Max Reinhardt und Jacques Offenbach gesehen und gehört mit den Augen und Ohren des Regisseurs …  Man wird mir nun entgegenhalten Reinhardt, Theatermann als  Geschäftsmann,  suchte und  erfolgsträchtiges, gewinnbringendes Spielmaterial. Das ist zutreffend , aber nur eine Seite der Medaille – das Resultat seiner künstlerischen Visionen, wenn man es poetisch formulieren wollte – und seine Vorliebe für Offenbach, die vielleicht auch  eine „unglückliche“ Liebe war, ist Beweis genug dafür. Warum ich von „unglücklich“ spreche?  Es muß einen Zeitpunkt gegeben haben, da glaubte Reinhardt wohl nicht mehr an Text und Musik als Einheit wie von Offenbach komponiert, sondern griff vehement in die Dramaturgie, in die Struktur der Werke ein; das trifft allerdings nicht nur auf Offenbach zu.   Bleibt immer noch die offene Frage, was hat die Offenbach’schen Werke für Reinhardt so faszinierend gemacht? – denn nichts ist – Binsenweisheit – schwerer zu inszenieren als die sogenannte „leichte Muse“. – Sie ist nicht Oper, verlangt aber – wie das Genre Oper als Musiktheater – absolute musikalische Perfektion mit leichter Hand. Schauspieler gestalten ihre Figuren, aber – mit den Mitteln der Sprache des Sprechens und nicht mit dem Element der musikalischen Sprache. Waren die Inszenierungen also nichts anderes als ein Experiment, ein Versuch sich dem Musiktheater auf diese Weise zu nähern?  - Musiktheater als „Volkstheater“?  1943 entwirft Max Reinhardt  einen Brief  für den Drehbuchautor  Ben Hecht; er erzählt von seinem Plan zu einer amerikanisierten „Schönen Helena“.  Er beschreibt seine große Faszination, die das Offenbach‘sche Oeuvre auf ihn ausübt;  allerdings geht seine Phantasie ganz andere Wege. Die Reinhardt‘sche Vorstellung einer theatralischen Präsentation der  „Belle Hélène“  von Jacques Offenbach als Einheit von Wort und Ton als satirisch-ironisches Spiel komponiert, entfesselt eine Kettenreaktion  von Überarbeitungsmechanismen, und endet in der Vision einer   -sehr puritanischen -  Neufassung des Spiels um Sex und Liebe .   Reinhardt bekennt                  .'''<span style="color: #0000ff;">''.. daß in ... dem französischen Original, die Musik einen großen, der Dialog einen viel zu kleinen Spielraum ''</span>''' :: '''<span style="color: #0000ff;">''hatte ...''</span>''': Der Theatermann Reinhardt, der Regisseur Reinhardt fühlt sich von der Musik Offenbachs  „ entmachtet “?   <br />  'ortsetzung folgt' ''   : Fortsetzung folgt  '' ''