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Offenbachiade chez Max Reinhardt

1.581 Byte hinzugefügt, 14:35, 22. Sep. 2020
keine Bearbeitungszusammenfassung
: „Orpheus in der Unterwelt“ ist verlangt den Darstellern der Hauptpartien, von Euridike war schon die Rede,  einiges an sängerischem Können ab (Orpheus, Pluto, Jupiter, Amor, Styx). Auch wenn die Darsteller Gesangsstunden genommen haben, es reichte nicht.  Die sängerischen Mängel wurden von der Kritik doch als sehr störend empfunden. Die Partie des Styx verliert an Wirkung, wenn die ironische , koloraturähnliche Diktion nicht perfekt dargeboten wird. Hans Pagay als Styx wurde dem  keineswegs gerecht, so der allgemeine Tenor. Auch Alexander Moissi/Pluto, der tatsächlich über eine Singstimme verfügte, muß sich kritisieren lassen.  Nur wenn Singen und Darstellen auch mit Sprechgesang zu bewältigen waren, gab es Zustimmung.  Große Begeisterung dagegen für die szenische Realisierung, auch für szenische „Kniffe“.  wie z.B. den Chor hinter einer Wolke im Olymp zu "verstecken", (s. die Abbildung. Die Dame im Abendkleid (li.)  ist Die Öffentliche Meinung, rechts steht Pluto/Aristeus im Frack ( er sieht ein wenig wie eine schlechte Kopie von Johann Strauß aus)  und zwischen beiden Orpheus?/Merkur? als Bauernbub verkleidet!  
: [[Datei:1orpheus.jpg|thumb|right|295x193px]] <span style="color: #800000;">"Orpheus in der Unterwelt", Neues Theater, 13.Mai 1906</span>
:  <span style="color: #800000;">2. Bild: Im Olymp</span>: <span style="color: #800000;">aus: Hugo Fetting, Max Reinhardt, Schriften. Berlin 1974, vor S. 65, Boeser/Vatkova, Max Reinhardt in Berlin, Berlin 1996</span> 
<span style="color: #800000;">Bildbeschreibung bei Fetting: die Rolle des Ganymed(li. Oskar Sabo lt. Bildangabe) wird in der  erweiterten Bearbeitung von 1922 für das Große Schauspielhaus genannt, u.zw. nur im Programmbuch; die nähere Rollenbezeichnung: Pikkolo</span>
: <span style="color: #0000ff;">'''''Der Text war neu redigiert worden … [aber] man hätte besser getan, die unverständlich gewordenen Scherze … zu beseitigen[''''''''z.B. Anspielung auf die Marokko-Konferenz, Anm.d.Verf.'''''''']. …  Zum Schluß des zweiten Aktes gab es einen wilden Göttercancan, der Zug in die Unterwelt, … flutete auf einer improvisierten Brücke über das Orchester weg ins Parterre hinein… . Aber zu diesem … Übermut wollte die viel zu prächtige und komplizierte, mit ernsthafter Romantik spielende Ausstattung nicht recht stimmen. Da gab es einen Himmel mit phantastischen Wolkenlagern, in die Sterne unmittelbar hineinleuchteten, ein Plutogemach mit bizarren Bildern im Totentanzgeschmack und im Kuppelsaal des Unterwelt-Banketts ein dämonisches Schattenspiel hinter den schwarzen Gittern – malerische Cappriccios, deren dämonischer Humor einen ganz fremdartigen Rahmen zu dem rationalischen Hohn der Parodie bildete … . Alles drängt in dieser Skizze [''''''''gemeint ist die opéra bouffe von Offenbach, Anm.d. Verf''''''''.] zum einfachen, treffenden , karikaturistischen Streich, nicht zur bizarren Romantik hin, und die verlotterte Götterwelt der Offenbachiade verliert ein Gutteil''''' '''''ihres Charakters, wenn ihre Kostüme in allzu großer Pracht entgegenschimmern … .'''''</span>
: <span style="color: #0000ff;">'''''Das Überwiegen des schauspielerischen Teils über den gesanglichen war vielfach unverkennbar. Ob es dem Geist der Offenbachiade entsprach, ist eine andere Frage. …'''''</span>
: Vossische Zeitung, 14.Mai 1906, Nr.233, Zweite BeilageBeilage [[Datei:doré_orpheus.jpg|thumb|right|362x279px]] 
: „Orpheus in der Unterwelt“ so hat es Offenbach erdacht und komponiert,  endet in der Unterwelt mit einem Bacchanal, mit dem  „Galop infernal“ , der unerkannt als  „Cancan“ durch die Literatur, die Gazetten etc. wandert. Getanzt mit Spitzenhöschen, Röcke  und Beine  werfen, so wie es eben die Touristen(und nicht nur diese!)  vom Montmartre gerne sehen. WIE Offenbach das Finale erdacht, gespielt hatte, überliefert eine Zeichnung nach einem Gemälde von Gustave Doré.  Alle, die Solisten, der Chor tragen völlig  ver- rückte Kostüme und sie feiern ein Bacchanal unter der Regie des Höllenfürsten Pluto.  
: <span style="color: #800000;">aus: Alexandre Faris, Jacques Offenbach, S.70 </span>
: Musikalisch (kurz skizziert)ist der Galop infernal im 2/4   Takt, ein rascher um-pa, umpa-Rhythmus in Achteln, im Baß in Vierteln (1/4=2 1/8) also: um-pa –gegen um= ¼ (als pochender beat), Melodik in 4 oder 8er Gruppen.Die  Die Inszenierung von „Orpheus in der Unterwelt“ wird Reinhardt bis Anfang der 20 Jahre immer wieder auf die Bühne bringen; in München, in Berlin, im Großen Schauspielhaus und bei Gastspielen in  Dänemark und Schweden, den Bühnenverhältnissen angepaßt, in Übersetzung für die Gastspiele in Dänemark und Schweden. Grundlage ist die von ihm 1906 erarbeitete Fassung. Die im Nachlaß überlieferte notierte szenische Abfolge habe ich mit einer französischen CD-Einspielung von 1953 verglichen – es ist die gebräuchliche Spielfassung, wie sie in „Musik für alle“ für die Hausmusik  vom Ullstein-Verlag gedruckt wurde . 
Das Copyrigth vermerkt 1911. Die Szenenfolge, eine Kurzfassung ohne Zwischenspiele und Textteile/Rezitative?, ist vermutlich nach der Reinhardt-Aufführung entstanden. (Der Copyright-Vermerk 1911 sagt nichts über das tatsächliche Erscheinungsdatum aus.)
Musiker sind von Natur aus neugieriges Publikum, einige erzählen von ihren Eindrücken nach dem Besuch "Der Fledermaus".
Übereinstimmend beschreiben sie, daß Reinhardt keine Rücksicht auf die Sänger nahm; er negierte (um es auf den Punkt zu bringen) die  spezifischen vom Singen, Atmen und Musikalischen bestimmte körperbestimmte Erfordernisse der Sänger. Er bestimmte die Gestaltung der Bewegungsabläufe, Stellungen usw. ; vermutlich führte dies immer wieder zu Konfliktsituationen und für Reinhardt diverfestigte sich die Einschätzung,  Schauspielern möglichst viele der Gesangsrollen anzuvertrauen.  Entre parenthèse: bei der "Fledermaus" ging cieses dieses Konzept schon nicht mehr auf,  hier dominierten die Sänger die Besetzung.
Die Grundeinstellung bliebe aber unberührt, und somit dürfte Gottfrieds Reinhardt Anmerkung zutreffen, wenn er schreibt: 
'''<span style="color: #0000ff;">''"Er nahm der Musik das Dominierende, das Störende“'' .</span>''' Wenn Gottfried Reinhardt mit seiner Einschätzung recht hat, warum aber inszenierte Reinhardt - in Abständen zwar - immer wieder Musiktheater? Gottfried   Ein kleiner Rückblick auf eine andere Inszenierung Reinhardts mit Musik, "'''Das Mirakel'''" (eine Pantomime von Karl Vollmoeller/ Musik von Engelbert Humperdinck). In einem Brief an Berthold Held vom 21. August 1912, fordert Reinhardt (für die Rotunde, Wien, wo das Gastspiel stattfindet) <span style="color: #0000ff;">'''''... Man vergesse den Riesenraum der Rotunde nicht und daß die Musik das Einzige ist, was an diesem Abend gehört werden soll. ... Ich habe  schon ... angedeutet, daß ... das Ganze als Oratorium wie die "hl.Elisabeth" von Liszt ('''''die 1915 in der Berliner Volksbühne aufgeführt wurde''''') besonders einzuführen ist. Die Musik muß unantastbar, und ich muß das Wort immer wieder brauchen, außergewöhnlich sein . ... '''''</span> <span style="color: #000000;">Ein  nicht geringer Widerspruch tut sich hier auf, zwischen der Feststellung oder Behauptung von Gottfried Reinhardt und dem Zitat aus dem Schreiben von Max Reinhardt an Berthold Held (wobei ein gewisser Datierungsunterschied festzustellen ist: der Brief ist mit 21. August 1912 datiert, die Aufführung des Oratorium "Die Legende von der hl. Elisabeth von Franz Liszt an der Berliner Volksbühne war am 17.11.1915, schreibt Fetting in Anm.133, S. 471). </span> <span style="color: #000000;">Wie vieles von Max Reinhardt, das nur noch über seine persönlichen Papiere oder die Aussagen von Dritten überliefert ist, bleibt in seiner vollen Widersprüchlichkeit unwidersprochen stehen - nicht zuletzt deshalb - kein Künstler ohne den perfekten Widerspruch. </span> Gottfried Reinhardt berichtet außerdem sehr dezidiert, daß Max Reinhardt Operette, ausgenommen eben die Offenbach‘sche Operette  als theatralisches wie musikalisches Genre ablehnte, aber das allein wäre als Begründung nicht ausreichend für die – glaubt man den Berichten – für den etwas anderen „Umgang mit Musik“.
An einem aber besteht kein Zweifel: Reinhardt spielte genußvoll mit der „Offenbachiade“,  vor beim „Orpheus“,- und bei der "Fledermaus",  bei der „Schönen Helena“ gelingt dies nicht wirklich.
: Korngold, der Spätromantiker, hatte – so steht zu vermuten – zu der leichtfüßigen,  durchsichtigen, ironischen Eleganz der Offenbach‘schen Musik keinen wirklichen Zugang. Johann Strauß und dessen  wiegende Melancholie lagen ihm da wohl näher. Entre parenthèse:  Vielleicht spielte nicht zuletzt   auch seine große Nähe zur Witwe Adele Strauß mit.  Ich habe mir die Frage gestellt, was Reinhardt an '''„La Vie Parisienne'''“ so fasziniert haben könnte, daß er dieses Projekt wie einen unerfüllten Traum immer wieder versuchte zu realisieren, zu inszenieren. Theaterpraktisch: die Story, (Musik war für Reinhardt nur „Illustration“, kein realer Mitspieler), mit vielen größeren und kleineren Ensembleszenen – vom kammermusikalischen Quartett bis zur Massenszene , mit denen es sich reizvoll spielen ließ.  Anders als im „Orpheus“ oder in der „Schönen Helena“ – in beiden gibt es die noch einigermaßen klaren Trennung zwischen Solo, Duo und Ensemble.  Vielleicht auch ein wenig Nostalgie, in Erinnerung  an den eigenen Beginn in Berlin,  einer Stadt im Aufbruch – und für Reinhardt der Aufbruch ins Leben, in seine Theaterträume.  „La Vie Parisienne“ spielt in einem Paris der Aufbruchsstimmung – mit  der Projektion auf Zukunft, ihr Symbol ist die Eisenbahn. „ La Vie Parisienne“ wurde komponiert, als Hausmann auf Befehl Napoleon III. aus dem mittelalterlichen Paris eine moderne Großstadt werden ließ – so wie wir es heute kennen – mit einer perfekten Infrastruktur  (z..B. Métro), Kanalisation, breiten Straßen und Plätzen, Kaufhäusern, viel Grün … Wollte Reinhardt mit dieser Regie vielleicht seine eigenen Erfahrungen, Beobachtungen widerspiegeln, verarbeiten, als er 1894 nach Berlin, in die Stadt des Aufbruchs, kam?
Doch der Wunsch blieb ein Wunschtraum … Reinhardt nahm den Vorschlag von Erich Wolfgang Korngold an, statt „La Vie Parisienne“ zu inszenieren, die''' „Fledermaus“''' herauszubringen. Es ist müßig nun zu spekulieren, welche Beweggründe  ihn zu dieser Entscheidung geführt haben. Eines aber läßt sich mit Sicherheit sagen: die „Fledermaus“ kam als „Offenbachiade“ über die Rampe .
 
Gottfried Reinhardt  behauptet zwar nach der Premiere
Eine Rahmenhandlung als Klammer für den gesamten Ablauf der Oper, d.i. die reale und die fiktive Erzählebene  von Hoffmann, die begleitende Muse/Niklausse sowie Auftritt Lindorf;  Stella tritt nur im Schlußbild auf, zu Beginn der Oper wird nur über sie gesprochen.
Diese Rahmenhandlung, der erste Handlungsstrang ('''erzählt von Hoffmann''') ist das zerbrochene Liebesverhältnis zwischen ihm, Hoffman, dem erfolglosen Dichter und Stella, der gefeierten, erfolgsverwöhnten Primadonna. Nach einem Zerwürfnis sucht Stella das Gespräch und sendet Hoffmann ein Billett mit dem Schlüssel zu ihrer Garderobe; dieses Billett wird abgefangen und erreicht Hoffmann nie.
 
Stella, die verlorene Geliebte , bleibt während der ganzen Oper präsent, wenn auch nicht ad personam, sondern in der Aufspaltung in drei andere Frauengestalten, Phantasiefrauen, Improvisationen des Dichters wie des Mannes , der mit und an der Liebe gescheitert ist.