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Marianne Brandt, geb.Bischof, Sängerin

18.270 Byte hinzugefügt, 15:48, 15. Dez. 2023
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Marianne Brandt verfügte über einen Stimmumfang, der vom Alt bis in die Sopranlage reichte – selten, aber nihct ungewöhnlich.
In den ersten Berliner Kritiken kann man nachlesen, daß die Rezensenten die Stimme dieser Debütantin nicht nur als Altstimme hörten, kritische Bemerkungen zu Brustregister, Tiefe,Farbe sind zu finden, ebenso zur Sopranlage.    Die Sopranlage klang nicht hell und leuchtend wie es die reinen Sopranstimmen, makellos, vielleicht verbunden mit einer „sanften Süße“ (verbal schwer zu fassen), sondern, und das machte das Besondere an ihrer Stimme aus – sie klang  immer ein wenig dunkel, wie die D-Saite eines Cello in den oberen Lagen. Einigkeit herrscht über den ungewöhnlichen Stimmumfang, die Klangfülle, ihre außerordentliche Technik und musikalische Bildung sowie die hohe Kunst der Darstellung, der schauspielerischen und sprechtechnische Gestaltung einer Partie, für die Zeit ein noch unübliches Phänomen auf der Opernbühne; eine eminente Bühnenpräsenz, großes darstellerisches Talent und die Fähigkeit, eine Partie nach eigenen Vorstellungen sehr präzise musikalisch wie darstellerisch zu gestalten. Wie also klang nun diese Stimme ?  Es blieb der Rückgriff auf die Rezensionen, und diese sind so vielfältig in der Einschätzung wie ihre Verfasser unterschiedliche Ohren haben.   … ''die große und sonore'' Stimme “ … ''die hohe Kunstfertigkeit''“  – dieses Urteil zieht sich wie ein basso continuo  als Tema con variazione durch nahezu sämtliche Schilderungen; aus der Vielfalt der Beschreibungen  ergibt sich doch ein einigermaßen verläßlicher Eindruck dieser außergewöhnlichen Stimme und ihrer Trägerin. Ich habe einige wenige ausgewählt, - vielleicht stellt sich bei dem Leser – so wie es mir erging – auch das akustische Erlebnis ein.  Ein Rigaer Rezensent – sie gastiert 1874 an der Oper in Riga; zu den verschiedenen Partien, in denen sie sich dem Rigaer Opernpublikum präsentierte, gehörte auch die Leonore in „Fidelio“ -  „rätselt“ über den Stimmcharakter der Sängerin:  ''… läßt sich schwer einer sonst gewöhnlichen Stimmgattung absolut  zuzählen. Ist das ein Sopran, ist es ein Mezzosopran, oder doch ein Alt? Gegen Letzteres spricht die wenn auch gesunde Tiefe, doch verhältnismäßig  beschränkte Tiefe und der große Umfang nach der Höhe zu (bis e, wenn nicht weiter), gegen Ersteres, die ausgesprochen dunkle Klangfarbe eines wirklich echten Alt. Es ist eine ganz seltene Universalstimme … welche das allerdings starke Vibrieren gern mit in Kauf nehmen läßt … 19)'' '' '' ''… Marianne Brandt  besitzt einen Alt von seltenem Umfang und Klangfülle''';''' rechnet man dazu noch ihre ausgezeichnete musikalische Bildung, ihre mustergültige Auffassung , ihre classische Vortragsweise''',''' dann begreift man sehr wohl die jubelnde Begeisterung, welche der Künstlerin überall, wo sie auftritt, entgegengebracht wird. Und ebenso groß wie im Gesange ist sie auch in der Darstellung und dadurch hebt sie sich gewaltig ab von der gewöhnlichen Primadonnen Chablone, die sehr zum Nachtheile der Gesammtwirkung die Darstellung über dem Gesange vernachlässigt. Jede ihrer Rollen ist wahr und tief empfunden, fein und maßvoll durchgeführt und so auch vom rein schauspielerischen Standpunkte eine Musterleistung … 20)'' '' '' Die Sängerin als Darstellerin, als Schauspielerin, nicht nur für die Soloszene (Arie), sondern auch im Zusammenspiel, ein aufeinander ab gestimmtes Zusammenspiel mit dem jeweiligen Gesangspartner/in.  Üblich waren stereotype Gesten, das „Rampen singen“ und ähnliche wenig phantasievolle und nicht rollendeckende Bewegungsabläufe. Den/Die Partner zum Zusammenspiel zu aktivieren, anzuregen setzt ein hohes Maß an Suggestionskraft, um den Begriff Magie zu vermeiden voraus; Marianne Brandt mußte darüber verfügt haben, es auch sehr bewußt eingesetzt haben, wie in der Kritik über eine „Fidelio“-Aufführung vom Januar 1876 nach zu lesen ist: Albert Niemann singt den Florestan  ''… [er] glänzte und mit einer Empfindung, deren  Innigkeit ersichtlich durch seine diesmalige Partnerin gegen früher noch gesteigert erschien. …'' ''… [sie] führte sie in einer wunderbar ergreifenden Weise durch. Ältere Opernfreunde, die noch diese Rolle von der Schröder-Devrient in ihrer besten Zeit gesehen haben, versichern, daß die Leistung der Brandt mit der berühmten Darstellung des „Fidelio“ seitens jener Künstlerin auf gleicher Höhe stehe. Von einer dramatischen Sängerin einen guten Dialog zu verlagen hat man eigentlich kein Recht; sie braucht nur ausdrucksvoll und mit deutlicher Textaussprache singen zu können.  … die Brandt zeigte sich als eine Meisterin allerersten Ranges auch in der Behandlung des Dialogs. … 21)'' '' '' Einige Kritiker vergleichen Marianne Brandt, vor allem ihre szenische Phantasie mit der Schröder-Devrient, vor allem als sie in Berlin endlich (1874) die Leonore im „Fidelio“ singt. Legendbildung mag hier mit im Spiel gewesen sein. Chronologisch gesehen: die Schröder-Devrient (1804 – 1860), auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, in den 1830-40er Jahren, war um 1870 zum Topos für eine sehr intensive Rollengestaltung erstarrt. Auch Richard Wagner, der die Sängerin gehört hatte. persönlich gekannt hat und sie(ihre Gestaltungskraft) sehr bewunderte , bezog sich  in seinen Vorstellungen für die Verschmelzung von Wort und Ton immer wieder auch auf die Schröder – Devrient. Es bleibt ein etwas problematischer Vergleich, denn an der Schröder-Devrient wurde immer wieder kritisiert,  wie z.B. von Hector Berlioz, sie hätte mit Intonationsproblemen gekämpft, hätte oft statt zu singen eine Art Sprechen-Sprechgesang eingesetzt.         Ein Rezensent, Richard Wüerst war Komponist,  hat sich sehr ausführlich mit der Stimme von Marianne Brandt auseinandergesetzt; Anlaß war eine Vorstellung  des „Fidelio“, mit Marianne Brandt in der Titelpartie, vom 17. Dezember 1875 in der Berliner Hofoper. Richard Wüerst formuliert, wertet; als ich diese Rezension las, ´stellte sich ungewollt die Assoziation an den „Merker“ ein, wie David im ersten Akt der „Meistersingern von Nürnberg“ Walter von Stolzing die Regeln der Dichtkunst erklärt:  ''… kam ich … dazu , mich davon zu überzeugen, inwiefern sie die Aufgabe zu bewältigen vermag. Freilich habe ich schon früher die schwere und vielfach unbequem liegende Parthie von einer tiefen stimme ausführen hören … [folgt eine Beschreibung wie Johanna Jachmann – Wagner als junge Sängerin diese Partie in Hamburg gesungen hat. Anm.d.Verf.] '' ''Frl. Brandt hat es vermöge der Eigenthümlichkeit ihrer Stimme viel leichter, Sopranpartien leisten zu können. Wie die Sängerin selbst berichtet, hat man sich von jeher gestritten, ob ihre Stimme ein Alt oder ein Sopran sei; ich selbst bin darüber nie im Zweifel gewesen, ich habe diese Stimme nie für einen Sopran gehalten. Die Qualifikation einer Stimme ist über- haupt niemals nach dem Umfang zu beurteilen. … Bei Stimmen entscheidet der K l a n g – '' ''C h a r a k t e r und die  B e g r e n z u n g   d e r   R e g i s t e r . Die Stimme des Fräulein Brandt ist eine  t i e f e ; sie geht mit dem Brust-Register bis zum f, dann tritt die Kopfstimme ein, welche allerdings in seltenem Grade entwickelt und gebildet ist. Dennoch ist deutlich zu erkennen, daß die Kopftöne – nicht wie die vollen Brusttöne an die oberen Vorderzähne – bei der Stirn, oberhalb der Nase, anschlagen; sie klingen nur selten voll, öfter aber ähnlich stumpf wie die gestopften Töne des Horns. Diese Kopftöne sind auch  k e i n e r   F ä r b u n g  fähig, sie bleiben sich im Ausdruck stets gleich; deshalb wird eine ganze Stelle, nur mit starken Kopftönen gesungen, das Monotone nie vermeiden können. Da Fräulein Brandt  ihr so eigen geartetes Organ mit großem Geschick gebraucht, wird auch das Gezwungene wenig bemerkbar; nur fehlt uns in hoher Lage öfter das Seelische, das nur die natürlich hervorquellende, nicht aber die präparierte Stimme zu geben im stande ist. 22)'' '' '' Folgt eine detaillierte Beschreibung, wie MARIANNE BRANDT z.B. die große Arie der Leonore „Abscheulicher, wo eilst du hin “ musikalisch-sängerisch gestaltet hat. Der Rezensent bemängelt Portamenti, die seiner Meinung nach ungehörig wären, fehlende Appogiaturen: besonders irritiert ihn das Atem holen in Takt 20 nach dem „ ais “  vor dem hohen h (h‘‘) , er findet dies überaus kühn , aber überflüssig, bewundert aber wie die Sängerin ihr Organ handhabt.   1877 vermerkt die Neue Berliner Musikzeitung:  ''… Besonderen Lobes … Frl. Brandt, der es durch gewiss großen Fleiss gelungen ist, ihren hohen Tönen das Stumpfe, Timbrelose zu nehmen, so daß sie sich im Klange immer mehr den Brusttönen anschließen. '' ''Ihre Arie „ Mich verläßt der Undankbare …“ [''Don Giovanni, Arie der Elvira, 2.Akt, 2.Szene, Anm.d.Verf.''] - war eine Meisterleistung … 23)''  1878 liest man es anders.  ''… Um den Charakter ihrer Stimme haben die Kritiker von jeher gestritten; die einen nenne sie einen Alt, die Anderen einen Sopran. Sie reicht vom dreigestrichenen d bis zum kleinen g abwärts; keine Sopranpartie liegt ihr also zu hoch. Obgleich nun aber die Höhe besonders klangvoll und kräftig ist, so hat der Ton doch nicht die helle Farbe des echten Sopran, sondern er ist dunkler und besitzt ein gedecktes Timbre. Singt Marianne Brandt neben Mathilde Mallinger, so entsteht in uns oft das Bild von weichem, aber schweren Sammet neben glatter, schmiegsamer Seide. '' ''Wer unsere Sängerin als Hexe Margarethe in „Genovefa“! oder als Furie in „Armida“ gesehen hat, der erkennt sie in dem zierlichen und übermütigen Cavalier Orsino(sic!)[ ''Hosenrolle, „Lucrezia Borgia“ von Gaetano Donizetti, Anm.d.Verf''.] nicht wieder. Von ganz neuer Seite zeigt sie sich dann im „Fidelio“, wo sie auch durch das gesprochene Wort hin reisst. Ihre Antwort auf Florestans Ausruf „Was hast du für mich gethan?“  - es sind die wenigen Worte: “Nichts, nichts, o mein Florestan!“ . berührt wie die Welle eines flutenden Meeres von Empfindung. Und wer sie nur in den schweren Accenten des musikalischen Dramas hörte, der wird verwundert sein, wenn er sie in einer italienischen'' Oper als ''vollendete Coloratursängerin kennen lernt. … 24)'' '' '' ''… Diese Stimme, hell wie Glockenton in den Höhen, voll und ernst schwingend in der Tiefe … 25)                                                                                                                                            ''  Beschreibt der Rezensent in der „Wiener Theaterchronik“  die Stimme der Sängerin; sie gastierte im Juni 1870 in Graz. Weiter berichtet der Rezensent über die Anfänge in Graz, die Schwierigkeiten mit den Marianne Brandt damals zu kämpfen hatte und bewundert nun den langen Weg zur erreichten Reife dieser Stimme.  Stefan Mösch „Parsifal“ 1882-1933 [Kurztit., s. Lit.verz. Anm.d.Verf.]widmet der „Einzelgängerin Marianne Brandt ein ganzes Kapitel; er berichtet:  ''… die Sängerinnen der Blumenmädchen [''hatten ursprünglich Zweifel an der Interpretation von Marianne Brandt sowie an ihrer Darstellung der Kundry  Anm.d.Verf.]'' verflogen …'' ''Ein langgezogener Ton, wie von einem silbernen Glöckchen, ein Ton rein und klar, der allmählich bis zum zartesten Pianissimo verklang. Und dann schwebte wie ein Hauch der Ruf ‚Parsifal - Weile‘  über den Blütenhaag. Diese wunderbare, bezaubernd schöne  Stimme zog Zuhörer wie Mitwirkende sofort in ihren Bann … 26)''   „Verschleißerscheinungen“ nach einer so langen und intensiven Karriere sind unausweichlich, - und unüberhörbar, wie ein Kritiker 1886 kritisch vermerkt; zwar routiniert und geschickt übersungen, auch dank einer intensiven Ausgestaltung des Textes. Sie war in Sondershausen beim Musikfest des ADMV aufgetreten und hatte Liszt-Lieder gesungen. 27)  Es war sicher nicht diese Kritik, die MARIANNE BRANDT zum Abgehen von der Bühne bestimmt hat, aber sie beschließt 1886 die Bühnenlaufbahn zu beenden und nur noch in ausgewählten Konzerten aufzutreten, mit verhältnismäßig kurzen Auftritten.  1912 feiert sie ihren 70. Geburtstag  und dazu schreibt Adolf Kohut im Neuen Wiener Journal über ihre Stimme, die Sing-Darstellerin MARIANNE BRANDT:  ''… MARIANNE BRANDT war eine Darstellerin großen Stils, genial und schöpferisch in ihrer Auffassung und von hinreißendem Temperament. Im Besitz einer Altstimme von großem Umfang – im musikalischen Gesangsjargon nennt man ein solches Organ gewöhnlich eine „unklassifizierbare Stimme“, - war sie nicht alleingroß in der Durchführung von Alt- sondern auch von Sopranpartien. … 28)''  Kohut schließt mit der Beschreibung ihrer großen darstellerischen Kunst – und zieht den Vergleich – theaterhistorisch – mit der Schröder-Devrient und deren Gestaltung des „Fidelio“.  Marianne Brandt war eine ewige Selbstzweiflerin, sich selbst – d.h. ihrer Stimme gegenüber sehr kritisch eingestellt, aber sie kannte auch ihren Stellenwert.  Ein Dokument in ihrem Nachlaß, als Fragment und undatiert überliefert,  erlaubt tiefe Einblicke in ihr künstlerisches Selbstverständnis . Sie hat dem Schriftstück den Titel “Erklärung“ vorangestellt.  Der Inhalt ist zwiespältig; einerseits läßt er eine Art Rechtfertigung vermuten – gegen ungerechtfertigte Kritiken ihrer Stimme, andrerseits liest sich das Dokument wie eine Stellungnahme für die Direktion gegen ihre Unterbeschäftigung, gegen die Mißachtung ihres sängerisch-künstlerischen Potentials . Sie unterstreicht ihre Gewissenhaftigkeit und vor allem, daß sie dem Berliner Publikum verpflichtet ist ihr Bestes zu geben. Die  Kritiker bemängeln , daß sie Rollen übernehme, die ''„ … über den Bereich meiner Mittel gehen …'' ''… das Hinaufschrauben der Stimme. …'' '' '' Marianne Brandt notiert:    '' '' ''…  im Wiener Conservatorium zur Ausbildung … . Meine Stimme als Mezzosporan behandelt ward, u. als solcher auch von anderen hervorragenden Persönlichkeiten, die mir nach meiner ersten Unterrichtszeit nachleitend zur Seite standen, anerkannt ward. So fand Frau Viardot, die selbst eine ähnliche Stimme hatte  wie die meine, nicht den mindesten Anstoß daran, daß ich sollte Fides u. Valentine singen können, hatte sie doch selbst diese beiden Rollen u. dabei den Orpheus u. das Zerlinchen gesungen! Ebenso noch andere Celebritäten, die ganz u.gar damit einverstanden waren, daß es einen Mezzosopran geben könne, der mit dunkler Klangfarbe doch den Umfang eines Soprans verbinden könne.!'' ''Meine Stimme ist nun aber eine Abnormität u. bringt die Natur nicht tausend Abnormitäten hervor ?  … Man wird sagen, das Abnorme kann nur in seltenen Fällen – zur Geltung gebracht werden, gewiss ist, daß der liebe Schlendrian in seiner goldenen  Mittelstraße leichter Wege findet.'' ''Was nun wieder das mir von Gott verliehene Gut betrifft, so ward es von vornherein als dramatischer Mezzosopran für die Rollen der Recha, Selica, Fidelio, Fides, Azucena gleichzeitig  ausgebildet u. meine ersten Bühnenversuche in diesen Rollen mit den günstigsten Erfolgen gemacht; ein Zufall fügte es, daß in Graz der Platz einer Altistin frei wurde, für welches Fach eine Provinzbühne selten ein Talent bekommt. Der Umfang meiner Stimme  ließ nun die weniger tiefen Rollen mich ermöglichen u .ich  füllte durch zehn Monate meinen Platz zur Zufriedenheit der Direktion wie des Publikums aus . '' ''… nach HaMarianne Brandturg, wo ich hingehen sollte, einen Contract für Alt, Mezzo S. Parthien mit begriffen  … eingeschlossen Recha, Selika, etc.  … 29)'' '' '' Die „Wagner-Partien“ bildeten in der Zeit, in der Marianne Brandt aktive Sängerin war – eigentlich  für jeden damals aktiven Sänger -  eine besondere Herausforderung. die Herausforderung war eine vom Komponisten und seinem Werk völlig neue geformte sowie geforderte Art der gesanglich-musikalischen Gestaltung, forderte  die Verschmelzung von Wort und Ton im Sinne der Rolle. Bayreuth, oder vielmehr das Ergebnis „Vorstellung des Abends von …“ ist nimmt man es im Sinne des Komponisten – damals wie heute „Versuchsanordnung“, hat seinen experimentellen Charakter bewahrt.  Die Eintragung von Cosima vom 2.September 1881 gibt darüber Auskunft:  ''… der Tag bringt die sehr angenehme Sicherheit, daß Marianne Brandt die Kundry wird gut singen können. R. läßt mich herunterrufen weil er so mit ihr zufrieden ist, und sie rührt uns auf das tiefste in den ersten Worten an Parsifal. … 30)''  Diese Notiz erzählt uns, daß es der Sängerin offenbar gelungen ist, die von Wagner vorgestellte Symbiose von Wort und Ton zu erreichen, italienische Stimmkultur mit den Anforderungen des deutschsprachigen Gesangs  (vokal – konsonantisch) zu verschmelzen.  Es endet – als tema con variazione –  ''… ihre herrliche Stimme und ihr viel bewundertes Spiel siegten in New York ebenso wie in Europa … Sie war eine Darstellerin des großen edlen Stils, genial und schöpferisch in der Auffassung, eine Sängerin von hinreißendem Temperament mit phänomenalen Stimmmitteln … 31)''  So im Nachruf im Neuen Wiener Journal, vom 10.Juli 1921  Es gibt einige wenige Tonaufzeichnungen der Stimme von Marianne Brandt, 1905 von Pathé aufgezeichnet; sie wurden später digital „gereinigt“, d.h. diese für die frühe Technik der Aufzeichnung üblichen Nebengeräusche wurden entfernt.  Diese Aufzeichnungen sind – bei allen dennoch weiter hörbaren Mängeln immer noch faszinierend (mir ging es jedenfalls so), aber als ich sie hörte, war ich mir dessen bewußt: ich höre nur die „Idee“ einer Stimme, denn es fehlt das  „Obertönige“, das die Klangfarbe einer Stimme auszeichnet, ihr „Charakter“ verleiht. Es bleibt hörbar: Stimmführung, Gestaltung des musikalischen Textes, gleichgültig ob Arie oder ein Lied. Und immer wieder berichten die Rezensionen von ihrer darstellerischen Intensität, von ihrer Bühnenpräsenz, die von den gewohnten Bewegungsmustern „Herz-Schmerz“ (überspitzt formuliert) nicht nur abweicht, sondern konkrete Rollengestaltung ist.