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Aus Dagmar Saval Wünsche

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==='''Über den Maler Ralph Wünsche'''===
Vom Rot zum Grün stirbt alles Gelb (Guillaume Apollinaire)
 
Über Ralph Wünsche
 
von
 
Dagmar Saval
RW war Maler und Zeichner – immer und in – fast jeder Situation. Ich kann mich an nur wenige Momente des gemeinsamen Lebens erinnern, in denen ihn der Zeichenstift, der Pinsel nicht begleitet hätte. Er zeichnete unentwegt – um wie der Pianist, seine Finger gelenkig, locker, leicht beweglich zu erhalten. Das Skizzenbuch, der Stift (meist ein weicher Bleistift, Nr.3 oder 4, denn man durfte das Schaben der Bleistiftmine auf dem Papier während einer Vorstellung, einer Probe im Theater, der Oper oder im Konzert, nicht hören) gehörte zur Grundausstattung, wohin immer er ging. Die Skizzenbücher, von denen nicht mehr alle erhalten sind, manche gingen im Lauf der Jahre verloren, waren sein Tagebuch. Sie enthalten Notizen, Erinnerungen zu Erlebnissen, Museumsbesuchen, Überlegungen beim Betrachten eines Gemäldes, einer Zeichnung u.a. zu Sujet, Technik, Bildkomposition.<br />Befragt zu seiner Arbeitsweise notierte RW um 1960: <br />„Ich gehe aus von einem Gegenstand, studiere seine Strukturen, Linien, Bewegungen, Farben und entwerfe eine Skizze, die mir von diesem Moment an als reines Instrument dient. Dann beginne ich zu zeichnen und zu malen: die vorliegenden, gesehenen und fixierten Linien, Bewegungen, Farben und Inhalte vereinen sich mit meinen eigenen Empfindungen, Inhalten des Sehens, meinem eigenen Rhythmus; dies alles setzt sich zu einer Form zusammen, die zugleich von den neuentstehenden Werten gesprengt und als Realität in frage gestellt wird.“ <br />Jedes neue Bild bedeutete umfangreiche Vorarbeiten – ein Ritual. Es begann mit der Auswahl des Formats. Quadratisches Format oder ein Hochformat/Querformat? Nur bei den Porträts war die Entscheidung einfacher, – der gewählte Bildausschnitt und die Haltung des Porträtierten bestimmten das Format. <br />Meine Präsenz während der Porträtsitzungen war für beide, für den /die Porträtierte/n und RW gleichermaßen wichtig. Schon während der ersten Begegnung mit der zu porträtierenden Person assistierte ich mit meiner Kamera – hielt auf Wunsch von RW unterschiedliche Positionen mit der Kamera fest, dokumentierte. Der Porträtierte/ die Porträtierte sollte nicht mit langen Sitzungen „gequält“ werden; O-Ton RW. „Das Porträt entsteht dann im Atelier, nach den Skizzen, die Photos dienen der Korrektur.“ Meine Aufgabe war (neben der Photographie) das Gespräch, eine lockere Atmosphäre herzustellen, um die Aufmerksamkeit der porträtierten Person von dem allgegenwärtigen Bleistift, von Feder oder Pinsel, die sie auf Papier oder Leinwand festband, abzulenken.<br />Eine große Ausnahme waren die Sitzungen zu den Porträts der Dirigenten Karl Böhm und Leonard Bernstein. Hier erhielt RW die Erlaubnis im Orchestergraben zu sitzen, zwischen den Musikern, meist am ersten Pult, während der Proben. So konnte er im Rhythmus der Probe ungestört zeichnen, beobachten, zuhören – er verschmolz mit dem Orchester.<br />Das Rollenporträt des Weltstars, der Sopranistin Leonie Rysanek-Gausmann, entstand unter ganz besonderen Bedingungen. 1976 sang die Rysanek die Medea (Titelpartie der gleichnamigen Oper von Luigi Cherubini) im Théàtre antique in Arles. Das Porträt war ein Auftragswerk; wir reisten nach Arles zu den Proben und zur Premiere der Oper „Medea“. Eine ganz besondere Atmosphäre prägte diese Woche der letzten Proben, zu denen auch die Primadonna frühzeitig angereist war. Die Proben begannen meist zwischen 10h und 11h, doch vom ersten Tag an gab es einen ungebeteten Mitspieler: den Mistral (das ist ein im Rhòne-Tal sehr gefürchteter Fallwind). Bis zur Premiere, sélbst noch am Abend der Premiere bestimmte er den Ablauf. Das führte oft dazu, dass abgebrochen werden musste, weil der Wind im wahrsten Sinn des Wortes – Töne, Noten, Requisiten fortblies. Während dieser zahlreichen Probenunterbrechungen gab es genügend Zeit zu zeichnen, zu beobachten, zu plaudern. <br />Stunden um Stunden saßen wir im amphitheatralischen Rund des in der Römerzeit erbauten Theaters. RW zeichnete unablässig – die Sängerin, die Sänger, die Kulissen, u.a. mit einem wunderschönen, furchterregenden Drachen aus Pappmaché für Medeas Fahrt in das Reich der Schatten. <br />Für das Rollenporträt der Rysanek als Medea entwickelte RW eine Dreiphasendarstellung: die Mutter, die ihr Kind wiegt, die rächende Mörderin Medea und die Trauernde, die der Drachenwagen entführt. (Das Rollenporträt befindet sich heute im Österreichischen Theatermuseum, Wien).