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Max Reinhardt-Helene Thimig, ein Briefwechsel

5.133 Byte hinzugefügt, 24 Juli
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Max Reinhardt verließ Berlin wenige Tage nach der Premiere von Hugo von Hofmannsthals „Großem Welttheater“, Deutsches Theater am 1.März 1933. Helene Thimig folgte ihm wenig später; der Berliner Haushalt wird komplett aufgelöst.
 
Reinhardt und Helene Thimig hatten im Schloß Bellevue im Tiergarten-Viertel(heute Wohnsitz des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland)  ihren Wohnsitz; um aus dem Mietvertrag entlassen zu werden sorgten sie für einen Nachmieter. Dieser Nachmieter war Paul von Mendelssohn und seine Frau Elsa, die auch das gesamte Inventar übernahmen. Im Gegenzug zahlten sie 16 000 Reichsmark an das Deutsche Theater; mit dieser Summe bezahlte das Theater Sozialabgaben, ausstehende Gehälter sowie Unterstützungszahlungen für Familienmitglieder und Else Heims. 
 
Max Reinhardt finanzierte aus den Gewinnen seines Theatergeschäfts auch diverse Familienmitglieder; diese Zahlungen waren Teil der hohen finanziellen Belastung, die er auch in der Emigration zu leisten hatte.   
 
s.dazu:
 
Julius H.Schoeps,  Das Erbe der Mendelssohns, Biographie einer Familie, Frankfurt/M.³, S. 354f.
Der viel diskutierte, immer wieder neu interpretierte „Oxford-Brief“ vom 16.Juni 1933 (Max Reinhardt schenkt dem Deutschen Volk sein Theater, Kurzfassung) ist eine sehr berührende, ergreifende poetische Geste, traumwandlerisch, in die Zukunft weisend vergleichbar einer der Weissagungen der Seherin Kassandra. Reinhardt weiß, daß ihm sein Lebenswerk gewaltsam und illegal gestohlen wurde. Er weiß, was er verloren hat, er weiß was diese Stadt, dieses Land mit der Errichtung „Diktatur des Hausknechts“(Alfred Kerr) für immer und unwiederbringlich verloren hat.
 
Als ich diesen dicken Briefband in die Hände nahm, war meine erste Reaktion – wie schon gesagt - ZU SPÄT! Vieles, was in diesen Briefen oft nur andeutungsweise erwähnt wird, kann entschlüsselt werden, doch welcher Leser, anno 2023 - trotz immer mehr sich ausbreitendem Antisemitismus-   ist historisch so informiert, daß er den historischen Wert dieser Korrespondenz in seinem vollen Umfang erfassen kann.
 
Wer diese Dokumente ohne Wissen um den historischen Hintergrund (gleichermaßen für Europa wie für die USA) liest, wird wie ein Rezensent so freundlich nach dem Erscheinen des Briefbandes anmerkte, diese Briefe sehr persönlich, sehr berührend finden, nicht aber ihre tatsächliche historische Bedeutung erkennen.   
 
'''Max Reinhardt''' übersiedelt nach New York – SEINE Theaterträume ließen sich nur in New York, am Broadway verwirklichen – europäisches Theater dem kommerziell bestimmten amerikanischen Theater kontrastierend gegenüberzustellen?  - war es so?
 
'''Helene Thimig''' bleibt in Hollywood, versucht den „Workshop“ zu retten, unterrichtet, auch Privatschüler und spielt kleine Filmrollen um das tägliche Überleben, den Alltag abzusichern.
 
Die Briefe, die Reinhardt zwischen 1937 – 1943 geschrieben hat – sind - jeder für sich – ein Dokument der Einsamkeit eines Menschen, der seine Welt verloren hat und sich in der neuen nicht wiederfindet. Reinhardts Briefe wie auch die Briefe von Helene Thimig mit ihrem verstörenden Inhalt sind – kennt man nur einiges aus den vielen überlieferten Korrespondenzen der Emigranten von 1933-1945 - kein Einzelfal;  die Ausführlichkeit, das Ausmaß der Verstörung verleiht ihnen die Aura des Besonderen.
 
Der Wohnort Hollywood, Santa Monica, wird in der Retrospektive häufig als „Neu-Weimar“ beschrieben; die „deutsche Kolonie“( gemeint sind die deutschsprachigen Emigranten) , folgt man der Beschreibung von Salka Viertel, bestand aus mehreren Gruppen.
 
 
''… Die repräsentative, offizielle literarische Persönlichkeit war Thomas Mann, dessen Einfluß bis ins Weiße Haus reichte. Dann gab es eine kleine politische linksstehende Gruppe um Kortner, die hauptsächlich aus emigirerten Schauspielern bestand. Bruno und Liesl Frank waren mit Thomas Mann und seiner Familie schon seit vielen Jahren gut befreundet und blieben es auch in Hollywood. Zu diesem Kreis gehörten auch die Feuchtwangers, die Polgars, Franz und Alma Werfel, Bruno Walter und seine Tochter Lotte, sp''
 
''Äter Liesls charmante und berühmte Mutter Fritzi Massary, sowie William und Charlotte Dieterle.''
 
''Max Reinhardt und Helene Thimig bildeten eine andere Insel und waren in ihrer „Werkstatt“ stark it der Planung und Vorbereitung  und Stücken beschäftigt. Sie hatten nur selten Gäste, und die wenigen Parties, die sie gaben, waren international. Eines Abends luden sie mich und Gottfried[Reinhardt] zusammen mit Sam Be(h)rmann; Franz und Alma Werfel, Erich Korngold und seiner Frau ein. …''
 
 
Salka Viertel, Das unbelehrbare Herz. Ein Leben in der Welt des Theaters, der Literatur und des Films. Mit einem Vorwort von Carl Zuckmayer. Reinbek bei Hamburg 1979, TaschenbuchAusgabe 4320, S. 269 f.
 
 
Mit dem Zitat aus der Autobiographie von Salka Viertel erlaube ich mir die kritische Bemerkung, daß weder im Anmerkungsapparat noch in den begleitenden Texten der potentielle Leser dieser Briefe Reinhardt-Thimig  nichts über die komplexe Lebenssituation der beiden tatsächlich erfährt; es fehlt – um bei einem Theaterbegriff zu bleiben – der Hintergrund, die Soffitten, es fehlt die Geleuchtugn, es fehlen die Spots für besondere Ereignisse  …
 
Salka Viertel und Berthold Viertel gehören zu dem Kreis der bereits in den 20er Jahren nach Hollywood eingewanderten Berliner Künstlern. So subjektiv ein autobiographischer Text auch immer ist, ihre Autobiographie ist eine nahezu unerschöpfliche Quelle zur Geschichte der deutschsprachigen Emigration in Hollywood.
 
Wobei „Hollywood“ ist als „Sammelbegriff zu verstehen; die meisten deutschsprachigen Emigranten fanden in Santa Monica ihr Domizil, die beruflich-finanzielle Sicherheit boten (freilich nicht für alle) die Filmstudios in Hollywood,  MGM. Warner Brothers usw.