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Max Reinhardt-Helene Thimig, ein Briefwechsel

6.808 Byte hinzugefügt, 23 Juli
keine Bearbeitungszusammenfassung
Helene Thimig spielt immer wieder kleinere (stumme)Filmrollen um das benötigte Budget aufrecht zu erhalten (davon später).  Sie ist mit der Film-Crew von Warner-Brothers nach Carmel gereist; Film: "Edge of Darkness".  
Bevor ich auf die Briefe eingehe, einzelne auch herausgreife, einige Notate zur Edition.  Die Briefe, die Max Reinhardt und Helene Thimig zwischen 1937 - 1943 von Hollywood nach New York und umgekehrt sandten,  werden von einem chronologisch aufgebauten Anmerkungsapparat begleitet (etliche Anmerkungen sind als [-] in den Text eingebaut), es gibt eine tabellarische Kurzvita beider Protagonisten, den Bildnachweis und das Namensregister, einen editorischen Hinweis sowie die obligatorische Danksagung.  Undatierte  Abbildungen (mit zum Teil etwas fragwürdigen, weil nicht wirklich korrekten Bildunterschriften) „lockern“ den Textteil auf; S. 30 meint der/die Verfasser/in der Bildunterschrift:
''Der Erfolgsregisseur bei der Ankunft: er kennt New York, die Stadt hat ihn gefeiert. Da kommt man nicht als Emigrant ...'' Bedauerlicherweise ist dieses Photo bereits in den 20er Jahren entstanden, als Reinhardt mehrfach zu Gastspielen, auch Gesamtgaststpielen in den USA war.    Reinhardt kam 1937 mit einem Besuchervisum, wie zahlreiche andere Emigranten vor und nach ihm.  Schon beim ersten, sehr kursorischen“ Quer-Lesen fielen mir etliche Details auf, in den Bildunterschriften(s.o.), in den begleitenden Kommentaren, in den Anmerkungen, die mich „stolpern „ ließen.
Da lese ich z.B. auf  S. 551 (d.i. der editorische Hinweis) :
''… Nach reiflicher Überlegung wurden Inhalte, die das heutige Empfinden verletzen mögen, beibehalten. Die Authenzität der Briefe schien uns in diesem Falle wichtiger als die political Correctness. ''
'' ''Zugegeben es ist keine historisch kritische Briefedition, dennoch: '''jeder''' Eingriff in einen historischen Text ist Fälschung, Manipulation. Diese sogen. '''political correctness''' hat in einer Publikation historischer Texte keinen Platz.
Noch ein kleiner editorischer Stolperstein:
1934/35 dann die Zusammenarbeit für den Film „Ein Sommernachtstraum“- A Midsummer Night‘s Dream“ für Warner in Hollywood. Korngolds Arbeitsweise (ohne hier näher darauf einzugehen, nachzulesen in Guy Wagner, op.cit.) gefällt den „Filmgewaltigen“ und es folgen weitere Einladungen für den Film zu komponieren. Als auch in Österreich der Nationalsozialismus an die Macht kommt, sind die Korngolds längst in Hollywood – und Erich Wolfgang Korngold betont immer wieder, daß er sein Leben, seine spätere Existenz in Hollywood Max Reinhardt verdankt.
 
'''"Die Fledermaus"'''
Die Vorgeschichte in Kürze:
''... Reinhardt nahm als Regisseur kaum Rücksichtauf Rücksicht auf die besonderen Anforderungen der Musik … Dadurch war Korngold gezwungen, den Ton und die Instrumenteneinsätze einfh „scheben“ zu lassen. … [waren] die Einsätze gegeben, brachte er erst das Orcheser zum vom vollen Klang , um die Stimmen zu tragen.“ ''
'' s. G''uy Wagner, Korngold. Musik ist Musik. Berlin 2008, S. 210 und Anm.10
s. Kurt Sanderling, Andere machten Geschichte, ich machte Musik. Berlin 2002, S.37
'''"Rosalinda"'''
Der Theaterzettel vom '''28.10.1942'''
So viel zu diesem Thema Spannungen zwischen Korngold und Reinhardt. 
 
'''Der Verlust der - seiner - Berliner Bühnen.'''
 
Der Verlust des - seines -Berliner Theater-Imperiums - seines "Theater-Traum"-"Traum-Theater" beginnt "schleichend" und endet abrupt mit der Enteignung.
 
Diese verlorene, de facto „dreidimensionale“ Realität möchte ich – sehr kursorisch – (die Faktenlage ist sehr komplex und würde den gegebenen Rahmen übersteigen) nachzeichnen – um viele der in Briefen Reinhardts notierten Details des Verlusts ein wenig transparenter zu machen.
 
Als Reinhardt im März 1933 Berlin verließ, wußte er, daß er sein Theater-Imperium, seine von ihm erschaffene Theaterwelt verlieren würde, mehr noch, daß er sie bereits verloren hatte.
 
Hinter dieser "poetischen" Formulierung des Verlust, verbirgt sich ein Zusammenbruch in mehreren Phasen; ausgelöst zunächst durch wirtschaftliche Gegebenheiten der Weimarer Republik, dann ab dem 30.Januar 1933 durch die Eingriffe der Gleichschaltung der soeben etablierten Diktatur des Nationalsozialismus.
 
Die große Krise, die zum Zusammenbruch der  Berliner Theaterbetriebe führt, setzt Ende 1929 ein. In den Jahren davor war die finanzielle Lage zwar angespannt, aber nicht unbedingt existenzbedrohend.
 
Um wirtschaftlich besser zu überleben hatten sich verschiedene Bühnen zu einem Theater Konzern zusammengeschlossen; die  als Rei(nhardt)-Ba(rnowksy)-Ro(tter) –Theaterbetriebe bezeichnete Gesellschaft dominierte das Berliner Theaterleben. In der Reibaro waren neben dem Sprechtheater vor allem Revue – und Operettentheater mit eingeschlossen, die aufgrund der Publikumsfrequenz, den preisgünstigen Plätzen über den Verkauf des Vereins „Volksbühne“ für gute Auslastung sorgten. (Diese sehr verkürzte Beschreibung sollte als Grundinformation genügen).
 
Dieser Zusammenschluß führte vorübergehend zu einer leichten wirtschaftlichen Besserung der Theaterbetriebe, insbesondere der Reinhardt-Bühnen.
 
Mit der Regierung Brüning (Heinrich Brüning, Reichskanzler) beginnt der allgemeine wirtschaftliche Zusammenbruch des „Deutsche Reich“: die Weimarer Republik versinkt im Chaos der Arbeitslosigkeit, der kaum noch existenten Wirtschaftsleistung.
 
Die Regierung Brüning (März 1930-März 1932) unternimmt den Versuch der Konsolidierung der Staatsfinanzen über den Weg des „Totgesparens“ – „das Heer der Arbeitslosen“ wird unübersehbar. Die Krise führt in der Folge zu den großen Wahlsiegen der NSDAP. Auf Brüning folgt Franz von Papen als Reichskanzler von Juni 1932- Dezember 1932. Sein Nachfolger, Kurt von Schleicher, demissioniert am 28.Januar 1933. Staatspräsident  Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das ist - in Stichworten, die politische Bühne, der Hintergrund vor dem sich u.a. auch der Zerfall der Berlin Theaterwelt abspielt.
 
Von den Reinhardt-Bühnen schließen die Kammerspiele mangels Besucher.
 
Am 1.2.1932 gibt Reinhardt die beiden Theater am Kurfürstendamm (Komödie und Theater am Kurfürstendamm) auf.
 
Anfang 1933 muß Reinhardt, um den Theaterbetrieb weiterzuführen, das Deutsche Theater verpachten. Für 275.000.-  wurde das Theater an die Bank verpfändet und anschließend verpachtet. Wenig später(am 14.1.1933) waren die neuen Pächter pleite; der tägliche Betrieb „fraß“ das Stammkapital auf.
 
Unter dem Druck der Gläubigerbank(Gewerkschaftsbank)  wird ein neuer Pächter für die Theater (Deutsches Theater, Kammerspiele, Großes Schauspielhaus) gesucht.
 
Der neue Pächter ist '''Carl Ludwig [Achaz, Künstlername] Duisberg'''(1889-1958); als gefordertes Kapital für die Pacht bringt Achaz/Duisberg, Sohn des Direktors der IG Farben, Carl Duisberg, die geforderte Summe von 500.000.- Mark ein.
 
Am 30.1.1933 wurden die Pachtverhandlungen für erfolgreich abgeschlossen erklärt. Die Übernahme für das Deutsche Theater/Kammerspiele wird für den 1.3.1933 vereinbart.
 
Reinhardt gibt mit der Verpachtung des Theaters auch die Leitung ab, er arbeitet nunmehr als „Gast“ im eigenen Haus (die Immobilie, das Grundstück, ist immer noch sein Eigentum).
 
Der Hauptgläubiger von Reinhardt  ist die Gewerkschaftsbank – bis 30.3.1933; danach erfolgt die Übernahme der Gewerkschaftsbank  durch die nationalsozialistische Arbeitsbank.
 
Eine der ersten Maßnahmen nach dem politischen Machtwechsel vom 30.Januar 1933 ist die Gleichschaltung der Institutionen, insbesondere der Theater. Dieser Prozess der Gleichschaltung dauert bis ungefähr Anfang Mai 1933.
 
Der nächste Schritt ist die Enteignung des jüdischen Eigentums, die „Arisierung“. 
 
Die von den nationalsozialistischen Machthabern eingeführten Mechanismen zur Enteignung der jüdischen Minderheit setzten unmittelbar mit dem 30.Januar 1933 ein, und wurden im Laufe der Jahre immer mehr „verfeinert“. Max Reinhardt zählte unter den Künstlern zu einem der ersten prominenten Opfer.
 
Die Enteignung des Reinhardt’schen Theater-Imperium ist im April 1934 abgeschlossen mit der Löschung des Namens „Max Reinhardt“ aus dem Grundbuch.
 
Wie informiert oder inwieweit Reinhardt die sich ausbreitende „braune“ Alltags-Realität von vor dem 30.Januar 1933 wahrgenommen hat, die Folgerungen daraus auch für sich gezogen hat, läßt sich retrospektiv – ohne zu spekulieren - nicht feststellen. Aus seinen Briefen im Exil kann man allerdings Hinweise, Spuren herauslesen, oft nur als „Text zwischen den Zeilen“, in „Kürzeln“ formuliert.
 
Max Reinhardt verließ Berlin wenige Tage nach der Premiere von Hugo von Hofmannsthals „Großem Welttheater“, Deutsches Theater am 1.März 1933. Helene Thimig folgte ihm wenig später; der Berliner Haushalt wird komplett aufgelöst.
 
Der viel diskutierte, immer wieder neu interpretierte „Oxford-Brief“ vom 16.Juni 1933 (Max Reinhardt schenkt dem Deutschen Volk sein Theater, Kurzfassung) ist eine sehr berührende, ergreifende poetische Geste, traumwandlerisch, in die Zukunft weisend vergleichbar einer der Weissagungen der Seherin Kassandra. Reinhardt weiß, daß ihm sein Lebenswerk gewaltsam und illegal gestohlen wurde. Er weiß, was er verloren hat, er weiß was diese Stadt, dieses Land mit der Errichtung „Diktatur des Hausknechts“(Alfred Kerr) für immer und unwiederbringlich verloren hat.