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Aus Dagmar Saval Wünsche
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''Zurück zur Schulzeit. Man muß verhältnismäßig viel über die Schule wissen, wenn man die Einflüsse erahnen will, die uns damals geprägt haben. Es war die unmittelbare Nachkriegszeit … ''
''Ich habe 1951 das Abitur gemacht; Ralph verließ die Schule wohl etwa ein Jahr früher. ''''Die Oberschule Dresden Nord war eine große Schule. … Die Vielzahl an Schülern führte zu einer entsprechenden Vielzahl an Lehrern [''es gab unterschiedliche Schulangebote von rein technisch bis musisch, Anm.d.Verf.''] mit einer erstaunlichen Pluralität an charakterlichen und politischen Individuen. Aus meiner Sicht waren es sich schneidende Kurvenscharen: Typen von links bis rechts und von sympathisch bis fies in allen Kombinationen. … Lange Zeit hatten wir eine streitbare Atmosphäre mit verhältnismäßiger offener Diskussion, in die Schüler und Lehrer einbezogen waren …. Das wurde allerdings bald unterbunden. In der Zeit in der die Verfassung der DDR diskutiert und begründet wurde, warnte uns der Chemielehrer und Rektor der Schule, Dr.Jentzsch, wir sollten die in der Verfassung zugesicherten Rechte nicht für bare Münze nehmen. …… '' ''Die vergleichsweise offene Atmosphäre der Schule wurde Ende 1949 im Zusammenhang mit zwei politischen Affären massiv beendet. ''
''In der ganzen Woche von Stalins Geburtstag mußten auf höhere Anordnung in jeder Unterrichtsstunde unabhängig vom Fach zehn Minuten dem „großen und weisen Führer der Völker, dem Genius der Menschheit“ gewidmet werden. Die Klassenzimmer waren entsprechend zu schmücken. Eine zwölfte Klasse nahm das zum Anlaß zur parodistischen Opposition. Der Klassenraum wurde zu einer Art Tempel gestaltet mit einer Stalin-Büste, roten Tüchern und gedämpften Licht. Nach anfänglichem Lob folgten der offensichtlichen Verhöhnung Verhaftungen und drastische Eingriffe in das Schulleben. …''
'' ''RW macht eine Ausbildung zum Reklamemaler, es folgen zwei Semester an der Hochschule für bildende Künste in Dresden, dann wechselt er nach Berlin - Weissensee sowie an die Meisterschule für Kunsthandwerk in Berlin - Charlottenburg. Eines Tages: Ein kurzer Hinweis, war es eine Warnung ?, die begonnene Kontinuität des Studiums wird jäh unterbrochen … mitten im Sommersemester 1955 verläßt RW fluchtartig - mit der S-Bahn - den Ostteil der Stadt.
'''Aus den Akten, Archiv der Universität der Künste, wie die HfBK (Hochschule für Bildende Künste) heute heißt:'''
''11. Oktober 1955. Bestanden ''
<span style="color: #ff0000;">zit. Aus den Akten der UdK 16 II 3896, Berlin</span>
'' ''Das Studium an der Hochschule in der Hardenbergstraße wird zur doppelten Herausforderung: Existenzsicherung und gezieltes engagiertes Studium. Man könnte es auch umgekehrt formulieren. Die materielle Existenzsicherung, - da RW sich nicht als Flüchtling registrieren ließ, um seine Verwandten in Dresden nicht zu gefährden, - bedeutet für den Studenten, alle Arbeiten annehmen, die sich anbieten, und das sind meist Hilfsarbeiten, schlecht bezahlt, aber es reicht gerade für das Allernötigste.
Er studiert gezielt, intensiv, experimentiert, immer auf der Suche, ein ständiges Ausloten seiner künstlerischen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Den Traum vom Bühnenbildner hat er beiseite geschoben, aber nie wirklich aufgegeben. In der geteilten Stadt sind in den Jahren seines Studiums, und das sind die Jahre 1955 – 1960, der Kalte Krieg der Blöcke steuert auf einen Höhepunkt zu – den Mauerbau - Chancen für die Realisierung seines Traumes mehr als gering .
Das vorherrsche Kunstklima im Berlin (gemeint ist West-Berlin zum besseren Verständnis für die Leser von heute) der Anfang 50er Jahre ist sehr facettenreich; da gibt es noch die Vertreter einer sehr konservativen Kunstauffassung, die sich noch am 19. Jh. orientiert, dann ganz extrem, die Verfechter einer neuen Sachlichkeit, doch dominiert werden alle diese Strömungen von den "Abstrakten". Ihr herausragender Wortführer der Kunsthistoriker Will Grohmann.
'''Die Lehrer von RW an der HfBK '''
''In der besonderen Schublade eines Atelierschrankes sind die Adresszettel und Taschenkalender aus vergangenen Jahrzehnten verwahrt. Manche der notierten Namen oder Verabredungen erinnern an prägnante Begegnungen auch an entscheidende Lebensbrüche – andere Notizen sind inhaltlich verweht.''
''Während der Grund- und Oberschuljahre galt ich in meinem Jahrgang beim Zeichnen- und Kunstunterreich offenbar alls bester Schüler, der fortwährend Tagbucgeschichten Tagbuchgeschichten mit Zeichnungen herstellte, Wettbewerbe gewann oder Wandzeitungen gestaltete, der sich über Jahre mit der besten Note in Kunst gelobt und bestätigt fühlte. Meine Schulzeit beendete ich nach 12 Jahren mit dem Abitur, der heutige Begriff „Gymnasium“ existierte 1954 für uns nicht. Dieser betraf damals den „unfreien und ausgebeuteten Westen“ Deutschlands, denn wir in Rostock und damit in der DDR gehörten zum „freien und fortschrittlichen“ Teil der Welt, fest verbunden mit der Sowjetunion. Die Mehrzahl von uns Schülern und Lehrern war natürlich nicht blind in der Alltäglichkeit zwischen Schein und Sein.''
''Nach den permanenten Verweigerungen eines Studienplatzes für Grafik, Illustration oder angewandte Kunst und nach langem Zögern wollte ich mich im Sommer 1956 nach den Chancen für einen Studienplatz an der HfBK in Berlin-Charlottenburg erkundigen, die sich bekanntlich im realen West-Berlin befand.''
''Man mag in dieser apokalyptischen Zeit wohl zaudern, ob der Titel der Ausstellung „Tanzphantasien“, die Malerei und Zeichnung von Ralph Wünsche … wirklich ohne Hintergründigkeit ist. Und es wird auf die Gestimmtheit des Betrachters ankommen, ob er in den ekstatischen, fulminanten Bewegtheiten einen Tanz auf dem Vulkan sieht oder nicht. Der Maler nämlich schreibt keine Deutungen fest. Seine Blätter sind vom Inhaltlichen Her so offen, wie sie im Formalen reich sind. Da vermag man wohl tanzende Gestalten auszumachen, da taucht ganz deutlich ein Gesicht, eine Hand oder ein Bein auf, aber ob das immer ein und dieselbe Figur ist … kann man so genau schon nicht mehr feststellen. Die nervösen Pinselschwünge oder Kreide- und Bleistiftlinien sind so vernetzt und verstrickt miteinander, daß manches Blatt wie ein einziger Wirbel, ja wie ein Sturm daher kommt.. …Es ist als höre man die Klänge des Orchesters und ahne den brausenden Beifall … ''
''Man mag gern Jürgen Rennerts Gedanken aufnehmen, den er zur Eröffnung der Ausstellung äußerte: daß nämlich Ralph Wünsches Kunst den leichtfertigen Blicken widersteht und sich in einem existenziellen Sinn zu Kreuz und Auferstehung verhält. Deutlicher vielleicht mag das in seinem „Trance„'''Trance-Bild“ Bild'''“ werden. Denn hier kulminieren nicht nur die tragischen Geschicke individuellen Seins, sondern auch die ''
<span style="color: #ff0000;">Olevano Romano, Museo Civico</span>
<span style="color: #ff0000;">Das Bildthema "Trance/Albtraum/Flucht" zieht sich in vielerlei Variatnen Varianten durch das Oeuvre; nicht immer so eindeutig bildnerisch erzählt wie auf dieser Abbildungin diesem Bild</span>
''geschichtlichen. Seine Suggestivität kommt aus dem Abenddämmer des Soeben und Jetzt wie aus der Erinnerungsfrühe der Antike. Ralph Wünsche bezeichnet dieses Gemälde selbst als Schlüsselbild, sowohl vom Inhaltlichen her wie vom Formalen. Beides sieht er als Einheit. ''
Seine Auftraggeber waren vor allem die einzelnen Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Schlösser und Gärten.
1979 zog RW aus der Arbeitsüberlastungtäglichen Überlastung - der für das Malen unerlässliche Freiraum war zuletzt kaum noch vorhanden -, die die Arbeit an Ausstellungen mit dem dazugehörigen organisatorischen, arbeitstechnischen Aufwand mit sich brachte, einen Schlußtstrich, die . Die Ausstellung „''Pflanzen auf Porzellan zum 300 - jährigen Bestehen des'' ''Botanischen Garten“'' , präsentiert in der Orangerie im Schloß Charlottenburg war die letzte große und aufwendige Ausstellung, die seine Handschrift prägte.
1976 erhielt RW seine dann die erste monographische Ausstellungfür RW, organisiert vom NBK und der Deutschen . Die Deutsche Oper, BerlinBErlin stellte dafür die beiden Foyers zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er immer wieder an kleineren und größeren Ausstellung teilgenommen, auch Preise bekommen – oft war die Teilnahme an einer Ausstellung einem Preis vergleichbar; bleibt hinzuzufügen, daß er bis Anfang der 70er Jahre oft nur bedingt genügend Freiraum für das eigene künstlerische Schaffen hatte; die materielle Existenzsicherung durch Fremdausstellungsaufträge forderte ihren Tribut.
Die Ausstellung war gut besucht, auch ein Erfolg. Der große Durchbruch wurde es nicht, es folgten dieser ersten umfassenden Schau viele weitere zahlreiche größere und kleinere Ausstellungen, oft auch thematisch ausgerichtet, aber ; sie erreichten immer nur einen sehr kleinen Teil des öffentlichen Interesses, nur eine kleine Gruppe engagierter Kunstinteressierter.
'''Walter Huder''' schreibt im Vorwort des Katalogs zur Einzelausstellung RW im Foyer der Deutschen Oper, Berlin, 1976 und erkennt auch – hellsichtig – die Gründe für den exklusiven Erfolg: