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Offenbachiade chez Max Reinhardt

2.803 Byte hinzugefügt, 15:27, 5. Nov. 2020
keine Bearbeitungszusammenfassung
: '''<span style="color: #0000ff;">''… Und so ist Offenbach‘s Schönheit … ''eine beauté du diable''. Seine Musik ist – … Lockung, Einladung und Verführung zur Sünde. Zu einer Sünde, die so charmant, so reizvoll, so melodisch, so amüsant ist, daß keine Tugend der Welt die Konkurrenz mit ihr aufnehmen kann. Gewiß, der unerbittlich Spöttische macht sich auch über das Laster lustig, deckt seine Schwächen, seine Eitelkeiten, seine Lächerlichkeiten auf, aber wie über etwas, das man von Herzen liebt. Antipathisch ist es ihm auf keinen Fall. Er kennt es. Kennt seinen Geschmack , seine Freuden, seine Lebensformen, seine Gewohnheiten, wie man sich selber kennt, trifft seinen Rhythmus so täuschend, mit so verliebter Geschicklichkeit, daß schießlich Offenbachs Rhythmus vom Rhythmus der Sünde kaum zu unterscheiden ist. Fast möchte man glauben, die Sünde bewegt sich, tanzt und liebt im Offenbach’schen Cancan-Tempo. … Nichts ist schwerer als das Leichte. Unerschöpflichkeit der Erfindung und des Einfalls vorausgesetzt; aber jedes seiner größeren Werke ist technisch, rhythmisch, melodisch, harmonisch eine geschlossene Einheit, zeigt eine neue Form, ein eigenes Gesicht. … Das einmalig Offenbachische steckt im Text ebenso wie in der Musik. Mögen die Namen Crémieux, Meilhac, Halévy, Nuitter auf den Titelblättern stehen, der wahre Dichter dieser unvergänglich entzückenden Gaminierien ist Offenbach’s Musik. „Gesamtkunstwerk“ sagt man in dem gründlicher programmatischen Deutschland. Nur daß es hier erreicht ist. …  ''</span>'''
 
Zur Überlieferung der Textbearbeitungen in der Vergangenheit meint  Kahane:
: '''<span style="color: #0000ff;">''… Das Kostüm (damit meint Kahane den Text, Anm.d.Verf.) muß von Zeit zu Zeit erneuert werden, das heißt: die Übersetzung, die eine nicht immer stilsichere Operettenroutine dem Werk umgehängt hat. Das Offenbach’sche Werk bedingt einen Publikumskontakt, der sich nur durch das zeitgemäß aufgefrischte Spiel mit der Aktualität erzielen läßt, … .   ''</span>'''
 
Mit dem Hinweis auf den Publikumskontakt trifft Kahane in das Herz des Reinhardt’schen Theaterkonzepts;  das auslösende und verführende Movens für den Theatermann und Bühnenmenschen Max Reinhardt sich mit dem Offenbach’schen Oeuvre auseinander zu setzen.
: <span style="color: #000000;">(Die Datierungsdivergenz&nbsp; geht zu Lasten des Herausgebers Hugo Fetting: der Brief ist mit 21. August 1912 datiert, die Aufführung des Oratorium "Die Legende von der hl. Elisabeth von Franz Liszt an der Berliner Volksbühne war am 17.11.1915, in der Anmerkung 133, S. 471).&nbsp;</span>
: Gottfried Reinhardt berichtet außerdem sehr dezidiert, daß Max Reinhardt Operette, ausgenommen eben die Offenbach‘sche Operette &nbsp;als theatralisches wie musikalisches Genre ablehnte, aber das allein wäre als Begründung nicht ausreichend für die – glaubt man den Berichten – für den etwas anderen „Umgang mit Musik“.
: An einem aber besteht kein Zweifel: Reinhardt spielte genußvoll mit der „Offenbachiade“,&nbsp; vor beim „Orpheus“,- und bei der "Fledermaus",&nbsp; bei der „Schönen Helena“ gelingt dies nicht wirklich.Was  Was ist eine Offenbachiade:&nbsp; Spiel im Spiel,&nbsp; das Spiel mit der Maske; die Inversion, denn nichts ist so wie es scheint – Umkehrung einer Realität in die Irrealität. Gepaart mit der Lust am Schaugepränge, &nbsp;an der Illusion&nbsp; …&nbsp; ein schwereloses, &nbsp;unterhaltsames Spiel, doch nie nur Unterhaltung an sich, ironische – satirische Kritik am Zeitgeschehen, an den Zeitgenossen.  In „Orpheus in der Unterwelt“ geht es um außereheliches Vergnügen aus Langeweile, Frustration; Orpheus ist ein langweiliger Konservatoriumsprofessor, der auch noch komponiert und mit seinen Kompositionen Euridike, seine Frau, quält, worauf sie sich anderweitig – als Revanche – vergnügen will. In der „Schönen Helena“ geht es nur noch um Sex, Liebe und Vergnügen. Musikalisch ist „Orpheus“ eher ein Pasticcio, mit musikalischen Zitaten, Anspielungen auf Volkslieder u.a. Lieder (z.B. Zitat der „Marseillaise“ beim Aufstand der Götter), Komponisten – Verstorbene wie Zeitgenossen(z.B. Meyerbeer, Rossini).  Reinhardt war ein genialer Regisseur, mehr noch, er verstand es hervorragend erfolgreiche Inszenierungen gewinnbringend weiter zu verwerten - er war darin seiner Zeit weit voraus - als Gastspiel, meist mit erwweiterten, veränderten Neueinstudierungen, gelegentlich sogar Neuinszenierungen. 
Nach der erfolgreichen Aufführungsserie von 1906 brachte Reinhardt im Theater des Westens&nbsp; eine Serie zur Aufführung und zehn&nbsp; Jahre später folgte die nächste erfolgreiche Serie. Die zehnjährige Unterbrechung war zeithistorischen Ereignissen geschuldet. Der Erste Weltkrieg, aus dem Deutsche Kaiserreich war die Weimarer Republik hervorgegangen.
1920 hatte Reinhardt sich von seinem Berliner Theaterimperium als Direktor getrennt um nur noch zu inszenieren. Teil dieses Theaterimperiums war das Große Schauspielhaus; als Großraumbühne, Massentheater hatte sich der Raum für Sprechtheaterinszenierungen&nbsp; als ungeeignet erwiesen;&nbsp; die schwierigen Zeiten verlangten nach Unterhaltung. Reinhardt griff zurück auf die Inszenierung des "Orpheus" von 1906. Das Resultat war eine zur Revue tendierende erweiterte Fassung in der&nbsp; Neo-Rokkoko -Ausstattung von Max Rée;&nbsp; der Text und auch die Musik wurden neu bearbeitet, es gab auch Rollen, die die Offenbach'sche Komposition nicht kennt. Ein Beispiel nur: Aus Pluto/Aristeus wurden zwei Rollen ; Aristeus - im Stile Offenbachscher Musik im Rokkokopasticcio; dramaturgisch dabei allerdings das "kleine" Verwandlungsproblem&nbsp; des Aristeus beim Tod der Euridike sich in Pluto zu verwandeln - die Maske zu wechseln - denn nichts ist so wie es scheint - damit entfällt ein wesentliche&nbsp; Spielelement der Offenbachiade.&nbsp; &nbsp;Die Breitwandbühne des Schauspielhauses bot allerdings ausreichend Raum für Massenszenen, in der Götterwelt, beim Bacchanal in der Unterwelt .
Silversterabend 1921 im Großen Schauspielhaus - man spielt "Orpheus in der Unterwelt" und Alfred Thienemann, Komponist, Dirigent und Rezensent beim Berliner Tageblatt berichtet:
 
'''<span style="color: #0000ff;">''Offenbach ist Max Reinhardts stille Liebe. Er bildet für ihn ein Problem, dem er immer wieder mit all seiner schöpferischen Phantasie, seinem massenbändigendem Regietalent und dem ihm angeborenen Sinn fürs Große und Imposante beizukommen sucht. Schon einmal vor Jahren ('' </span>'''<span style="color: #0000ff;">1</span><span style="color: #0000ff;">906, Anm.d.Verf.</span><strong style="font-size: 0.939em;"><span style="color: #0000ff;">''), gab er uns (Neues Theater) Meister Jacques Götterkomödie im kleineren Rahmen neu gewandet. In Kopenhagen errang er damit so großen Beifall, daß ihn die königliche Oper in Stockholm … einlud. Nun hat er auch uns in Berlin „seinen“ Orpheus sehen und hören lassen, so wie „er ihn versteht“. Und daß er ihn von gRund aus versteht, bezeugte die in allen Teilen prächtige Silvesteraufführung des Werkes im Großen Schauspielhaus. … Er hatte sie ganz aufs Burleske gestellt. Gelegentlich allzusehr. So zum Beispiel, wenn Hans Styx am Dirigentepult auftaucht und zu seinem  Arkadischen Prinzenlied selbst den Takt schlägt. Doch nahm man diese und manche andere Übertreibung in dem überzeigenden Gefühle hin, einem von Meisterhand inszenierten, laut lachenden Possenspiel gegenüberzustehen, das in übermütigster Laune an Auge und Ohr vorübertollte.''</span></strong>
: '''<span style="color: #0000ff;">''Am Auge! Ihm boten sich farbenfrohe Bühnenbilder … Am Ohr! Nichts von den Schönheiten der Musik ging verloren. Selmar Meyerowitz leitete das Ganze mit hinreißendem Temperament … Er hatte neben sonstigen kleinen Offenbach'schen Zutaten, einige Nummern aus der späteren französischen Bearbeitung des Autors (''</span>'''<span style="color: #0000ff;">damit ist die zur Féerie erweiterte Fassungvon 1874 gemeint, z.B. die Sprechrolle der Öffentlichen Meinung wird zum Melodram. Anm.d.Verf.</span>'''<span style="color: #0000ff;">'') zugefügt.  …''</span>'''
 
Die sängerischen Leistungen erreichen hohes Niveau,  werden hervorgehoben; die eher dem Sprechgesang angenäherten Darstellungen durch Schauspieler ebenso gewürdigt.
 
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Max Pallenberg war Jupiter. Äußerlich nicht ganz die imponierende Gestalt des Göttervaters (Napoleon war ... klein) … Er sagor. Nicht einmal so schlecht … Amüsant die Anfangsszene des zweiten Bildes: die Ankunft (durch den Zuschauerraum) der nachtbummelnden Götter vor dem Himmeltor und der rasende Höllenzug – Cancan von der Bühne durchs Parkett hindurch. …'''''</span>
 
<span style="color: #0000ff;">''''' '''''</span>
 
 
'''"Die schöne Helena"'''
===='''"Die schöne Helena"'''====
&nbsp;„ Die Schöne Helena“ hat Offenbach musikalisch „befreit“, er hat an musikalischer Ausdruckskraft gewonnen (das soll genügen, alle weiteren Details findet man in der einschlägigen Literatur). Anders als im „Orpheus“ &nbsp;– die Verführung setzt die Handlung erst in Gang – ist in der „Schönen Helena“ die Verführungsszene , d.i. die Traumszene, das Duett zwischen Paris und Helena. „Es ist ein Traum …“ wird zum&nbsp; Höhepunkt und Drehpunkt der Handlung. Und sie ist im Sinne Offenbachs keine Offenbachiade. Sie ist ein Spiel um Sex und Liebe mit etwas Zeitsatire.&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;
Lindorf = Coppelius, Mirakel, Dapertutto
Andres = Cochenille, Frantz, Pitichinaccio
 
Das&nbsp; von Offenbach geplante Maskenspiel funktioniert allerdings nur dann für den Zuschauer/Zuhörer, wenn diese Figuren von einer Person gesungen werden. Offenbach hatte die Frauenpartien zuletzt für eine bestimmte Sängerin (Mlle Adèle Isaac) neu gesetzt; auch die&nbsp; Partie von Hoffmann wurde vom Bariton umgeschrieben für Tenor (Jean-Alexandre Talazac). Theaterpraktis ! &nbsp;
Die Antwort darauf muß offenbleiben, von Reinhardt gibt es dazu keine, zumindest ist bis heute keine aufgefunden worden.
Gottfried Reinhardt meint, es wäre das Phantastische, das Groteske gewesen, das eine geheimnisvolle geradezu magische Faszination auf ihn ausgeübt hätte;&nbsp; allerdings in seiner Schilderung&nbsp; läßt er(Gottfried Reinhardt) &nbsp;wohlweislich offen, ob er nun von der Oper, dem Theaterstück, das Offenbach zur Oper angeregt hat oder von den Erzählungen von E.T.A. Hoffmann spricht.
 
Aber konnte der Showman Reinhardt, dem alles, was er in die Hände nahm zum phantastischen Spiel geriet, im Fall von „Hoffmanns Erzählungen“ diesen Spieltrieb zügeln, der Versuchung widerstehen aus dem rätselhaften Torso des Komponisten Offenbach das herauslösen, was sein innerstes Wesen ausmacht ? &nbsp;Das Unbewußte, der Traum, der Albtraum, das Böse , die Gratwanderung zwischen Kunst und Wahn? War es tatsächlich die magische Herausforderung der Grenzüberschreitung zwischen "Kunst und Wahn" oder lockte den Showman Reinhardt das Spiel im Spiel, die Maske, die gestalterische Opulenz, die sich vordergründig förmlich aufdrängt?&nbsp;