Meine Werkzeuge

Anmelden

Änderungen

Aus Dagmar Saval Wünsche

Wechseln zu: Navigation, Suche

Offenbachiade chez Max Reinhardt

544 Byte entfernt, 12:14, 15. Sep. 2020
keine Bearbeitungszusammenfassung
: '''<span style="color: #0000ff;">''… Zwischen Ariern und Semiten besteht eine gegenseitige Assimilation, die bald einen totalen Umschwung der Verhältnisse zur Folge haben kann. Der Jude veridealisiert sich immer mehr. In allen Wissenschaften, in geistigen Fragen dominiert er u. bildet das Hauptkontigent. Er wird abstrakter u. verliert ganz den Boden des Lebens unter seinen Füßen. Immer mehr geht die unpraktische Träumerei u.Sentimentalität (des Deutschen) auf ihn über. Der Arier jedoch eignet sich immer mehr von der jüdischen Geschäftsschlauheit an und gewinnt immer mehr Fuß auf dem realen Boden des Daseins, den der Jude verläßt. Das ist praktischer, jenes  idealer. … ''</span>'''
''I''ch lasse Ich Iasse dieses Zitat sehr bewußt unkommentiert stehen. Wollte ich diese vom jungen Reinhardt notierten Überlegungen zeithistorisch etc. analysieren, würde ich mein eigentliches Thema glatt verfehlen,  das Zitat von 1895 „legt den Finger auf die Wunde“ der Assimiliation einer Minderheit. Reinhardt, der sich nie taufen ließ, ahnte die Problematik der – vor allem assimilierten - jüdischen Minderheit.
: Im '''Neuen Theater am Schiffbauerdamm''' wird eifrig probiert … ganz ungewohnte Klänge kommen aus dem kleinen Orchestergraben, der eigentlich keiner ist, es geigt, es trommelt, es flötet, Koloraturen perlen durch den Raum … Max Reinhardt bereitet mit seinen Schauspielern die Abschiedsvorstellung vor, bevor er als Direktor ein paar Straßen weiter zieht – in das Deutsche Theater , Schumannstraße 5. 5)
: „'''Orpheus in der Unterwelt'''“ von Jacques Offenbach setzt mit 49 Vorstellungen einen triumphalen  Zwischenpunkt unter den furiosen Beginn seiner Karriere  als Regisseur und Schauspieldirektor.   Aber „Orpheus in der Unterwelt“ -  eine  Operette, eine „opéra bouffe/bouffon“, eine Mythentravestie, so bezeichnet sie der Komponist  – in einem Sprechtheater ? 
: Ich gehe zurück in die Anfänge des Regisseurs, in das Jahr 1893. Auf dem Spielplan des  Volkstheaters in Reinhardt tritt sein erstes professionelles Engagement an, im Volkstheater Rudolfsheim steht neben anderen Unterhaltungsstücken „Orpheus in der Unterwelt“ auf dem Spielplan. Das Theater war Teil des Vergnügungsareals „Schwenders Colosseum“ , ein sehr beliebter Vergnügungspark in Rudolfsheim-Fünfhaus. Rudolfsheim war Ende des 19.Jh. ein Arbeiterviertel, mit vielen sowie zahlreichen kleinen Handwerksbetrieben. (  : Von 1880 – 1886 wohnt wohnte die Familie  Reinhardt in Rudolfsheim, in der Schönbrunnerstraße 22 , d.i. heute Äußere Mariahilferstraße 150,  - unweit von „Schwenders Colosseum“, ein allgemein beliebter Vergnügungspark - von der Spielhalle bis zum Tanzparkett, der Bierhalle bis zum Theater wurde dem Besucher  jede nur denkbare Unterhaltung angeboten. Wollte er sich im Grünen entspannen, dann hatte er es nicht weit zu der weitläufigen Parklandschaft rund um das Schloß Schönbrunn. (Die heutige Parkanlage ist nur noch das "Herzstück" der ursprünglichen Anlagen.   : Das Vorstadttheater Rudolfsheim spielte alles, was unterhält, von der Klassik bis zur Operette; 1893 stand  „Orpheus „'''Orpheus in der ''' '''Unterwelt“ ''' auf dem Spielplan. Die Besetzungsliste verzeichnet  für die Rolle Merkur  - Max Reinhardt/Goldmann. Anzunehmen, daß das Vorstadttheater keine erstklassigen Gesangskräfte engagiert hatte, sondern mit dem hauseigenen Personal besetzt hatte, das sang und , tanzte, spielte.  Die Anregung  Operette mit Schauspielern zu besetzen könnte Reinhardt aus  dieser eigenen Erfahrung von diesem Engagement in Rudolfsheim mitgenommen haben.  Nicht unerwähnt bleiben soll, daß die  : Die Wiener Offenbachtradition(als Kurzfassung) der Wiener Vorstadtbühnen – wie z.B. reicht bis zu den ersten Erfolgen des Komponisten - also bis zu "Orpheus in der Unterwelt (UA 1858) zurück Herausragend war das Carltheater  eine ausgeprägte Offenbachtradition hatten; Carltheater, denn dort agierte DER Offenbachspieler und Fan, der Komponist war häufiger Gast in Wien. Dichter, Schauspieler und Sänger Johann Nestroy . In seinen Bühnenanfängen war der erste „Offenbach-/Darsteller/ Fan“ – und da Nestroy als Baßbariton aufgetreten, bevor er über einen ausgebildeten Bariton verfügte, auch als sich ganz dem Schauspiel verschrieb. Als Sängerdarsteller dafür prädestiniert war.   Soviel zur Tradition Wien und Offenbach. Die Spieltradition er für die sogen. leichte Muse verlangte Sängerdarsteller – sie mußten singen, sprechen und tanzen könnenOffenbach-Rollen prädestiniert.      
: „Alles ist nur Theater“ … für den Bühnenmenschen Reinhardt gibt es keine Genregrenzen. Wie der Puppenspieler, der an allen seinen Fäden zieht um – „die Puppen tanzen zu lassen“ – oder wie der Theaterdirektor in Goethes „Faust“ greift Reinhardt nach allem, was seine Gestaltungsphantasie und seine Spiellaune aufblühen läßt – und wenn nötig, biegt er sich das Material zurecht. Doch bei der Durchsicht der Aufführungsdaten fällt eine merkwürdige Koinzidenz ins Auge: am 30. Dezember 1905 hatte in Wien, im Theater an der Wien eine Uraufführung stattgefunden, "Die lustige Witwe" von Franz Lehár und nach einem etwas zögerlichen Start trat diese "Witwe" eine bis dahin nie erlebten Siegeszug über die Operettentheaterbühnen an. Wollte der aufstrebende, erfolgsorientierte junge Theaterdirektor und Regisseur zu dieser neuen opulenten, sentimentalen Operettengattung  ein Gegenmodell präsentieren ? 
: Wenn Gottfried Reinhardt mit seiner Behauptung recht hat, daß Reinhardt "Musik als störend nur empfunden " ( ich höre Wilhelm Busch), dann hat er diesem Imperativ alles untergeordnet, Musik  ausschließlich als Spielelement seiner Inszenierungen einzusetzen, wie bei seinen Sprechtheaterinszenierungen oder später bei den Pantomimen, dann  zerbricht Reinhardt  die  angestrebte Verschmelzung von Wort und Ton, die Musiktheater intendiert. War : War "Orpheus in der Unterwelt“ – als Experiment initiiert, als  eine „Offenbachiade“  mit Schauspielern besetzt, die singen, zu spielen?  Er wagte den Versuch , die Rollen mit Schauspielern zu besetzen, denn nach dem Textbuch, der so wie es das Libretto und die Komposition/Partitur müssen sie singen und sprechen können( das wäre der Rückgriff auf alte Spieltraditionen der Unterhaltungstheater)auch als möglich erscheinen lassen. : Ganz ging dieses Konzept nicht auf, denn allein die . Die Rolle der Euridike (unerheblich welche Fassung Reinhardt als Spielvorlage gewählt haben mochte) verlangt einen leichten, hohen Koloratursopran in der heutigen Diktion (nach heutiger Definition würde man eine „Soubrette“ für die Besetzung wählen). Reinhardt mußte also  - wollte er den Erfolg des Abends nicht verspielen und versingen  - mit einer Sängerin besetzen, denn ; in seinem Ensemble gab es keine Darstellerin, die den sängerischen Anforderungen auch nur im entferntesten entsprochen hätte.: Seine Wahl fiel auf einen jungen aufstrebenden lyrischen Sopran von der Dresdner Hofoper, Eva von der Osten. Sie kam aus einer Schauspielerfamilie, kannte auch die darstellerischen Anforderungen einer Rolle. Beide , Sängerin und Regisseur, sollten sich bei Uraufführung des „Rosenkavalier, 1911 in Dresden wieder begegnen.  (Wie immer bei Reinhardt, die Premierenbesetzung ist nicht „langlebig“, es finden sehr bald Umbesetzungen statt.)  
Ich habe in zeitgenössischen Berichten, Rezensionen geblättert: das Experiment mit Schauspielern Gesangspartien zu  realisieren um eine  Operette aus einem anderen Blickwinkel zu präsentieren – nicht als verkappte Spieloper -  wird nicht verkannt, aber nicht unbedingt positiv gewürdigt.
„Orpheus in der Unterwelt“ ist – auch wenn der sogenannten „leichten Muse“ zugeordnet, aber nicht ist schwerer als die „leichte Muse“ – verlangt den Darstellern der Hauptpartien, von Euridike war schon die Rede,  einiges an sängerischem Können ab (Orpheus, Pluto, Jupiter, Amor, Styx). Auch wenn die Darsteller Gesangsstunden genommen haben, es reichte nicht.  Die sängerischen Mängel wurden von der Kritik doch als sehr störend empfunden.  Die Partie des Styx verliert an Wirkung, wenn die ironische , koloraturähnliche Diktion nicht perfekt dargeboten wird. - Hans Pagay als Styx wurde dem  keineswegs gerecht, so der allgemeine Tenor. Auch Alexander Moissi/Pluto, der tatsächlich über eine Singstimme verfügte, muß sich kritisieren lassen.  Nur wenn Singen und Darstellen auch mit Sprechgesang zu bewältigen waren, gab es Zustimmung.  Große Begeisterung dagegen für die szenische Realisierung, auch für szenische „Kniffe“.  wie z.B. den Chor hinter einer Wolke im Olymp zu "verstecken", wie man auf der  (s. die Abbildung , wenn auch von sehr schlechter Bildqualität sehen kann. Die Dame im Abendkleid (li.)  ist Die Öffentliche Meinung, rechts steht Pluto/Aristeus im Frack ( er sieht ein wenig wie eine schlechte Kopie von Johann Strauß aus)  und zwischen beiden Orpheus?/Merkur? als Bauernbub verkleidet! 
[[Datei:1orpheus.jpg|thumb|right|267x175px]]
 Um es kurz zusammenzufassen: die Kritiker  sind nicht wirklich einverstanden mit dem Experiment Die Kritiker mäkeln,  das  das Publikum dagegen jubelt , was die Kritik kommentarlos bestätigt. Die Kritik in der Vossischen Zeitung ist auch eine ausführliche Auseinandersetzung zwischen dem Oeuvre Offenbach als Operettenkomponist, wie man es anno 1906 verstand und der Inszenierung von Max Reinhardt, die zweifellos auch als  Experiment gemeint war – in dem Sinn „kann ich auch Musiktheater?“   [[Datei:gusti_adlerScan_0003.jpg|thumb|right|272x229px]]
Die Kritik in der "Vossischen Zeitung " ist auch eine ausführliche Auseinandersetzung zwischen dem Oeuvre Offenbachs als Operettenkomponist, wie man es anno 1906 verstand und der Inszenierung von Max Reinhardt, die als  Experiment erkannt – in dem Sinn „kann ich auch Musiktheater?“
Für den Theaterhistoriker nicht unwesentlich die Hinweise auf Aussstattungs- und Inszenierungsdetails, die Reinhardt immer wieder – in Varianten, verbessert, erweitert – einsetzen wird – auffällig auch der Zug zum Pomp und Pracht, zur Übersteigerung als Ausdrucksmittel?
Musikalisch (kurz skizziert)ist der Galop infernal im 2/4   Takt, ein rascher um-pa, umpa-Rhythmus in Achteln, im Baß in Vierteln (1/4=2 1/8) also: um-pa –gegen um= ¼ (als pochender beat), Melodik in 4 oder 8er Gruppen.
Die Inszenierung von „Orpheus in der Unterwelt“ wird Reinhardt bis Anfang der 20 Jahre immer wieder auf die Bühne bringen; in München, in Berlin, im Großen Schauspielhaus und bei Gastspielen in  Dänemark und Schweden, den Bühnenverhältnissen angepaßt, in Übersetzung für die Gastspiele in Dänemark und Schweden. Grundlage ist die von ihm 1906 erarbeitete Fassung. Die im Nachlaß überlieferte notierte szenische Abfolge habe ich mit einer französischen CD-Einspielung von 1953 verglichen – es ist die gebräuchliche Spielfassung, wie sie in „Musik für alle“ für die Hausmusik Hausmusik  vom Ullstein-Verlag gedruckt wurde . Das Copyrigth vermerkt 1911. Die Szenenfolge, eine Kurzfassung ohne Zwischenspiele und Textteile/Rezitative?, ist vermutlich nach der Reinhardt-Aufführung entstanden. (Der Copyright-Vermerk 1911 sagt nichts über das tatsächliche Erscheinungsdatum aus.
Einar NilsonDas Copyrigth vermerkt 1911. Die Szenenfolge, Komponist eine Kurzfassung ohne Zwischenspiele und ein langjähriger Mitarbeiter von Max ReinhardtTextteile/Rezitative?, von Gottfried ist vermutlich nach der Reinhardt auch als Reinhardts Musikmanager apostrophiert,  -Aufführung entstanden. (Der Copyright-Vermerk 1911 sagt nichts über das tatsächliche Erscheinungsdatum aus.)
stellt Einar Nilson, Komponist und ein langjähriger Mitarbeiter von Max Reinhardt, von Gottfried Reinhardt auch als Reinhardts Musikmanager apostrophiert,  stellt sehr nüchtern fest, welchen Stellenwert und welche Rolle Reinhardt, der Sprechtheaterregisseur der Musik als Teil/Bestandteil eines Werkes, das er inszenierte zuordnete: Musik übernahm die Rolle des Funktionsträgers, illustriert, überhöht die Bildwirkung. Geräusche werden gleichwertig wie Musik eingesetzt.
Donnern, Heulen o..ä. erzeugt Angst und Schrecken; ein Impromptu von Franz Schubert oder Frédéric Chopin versetzt den Zuschauer in Träumerei, Verliebtheit o.ä. – vergleichbar  der Programmmusik oder der Filmmusik.
Aus dieser Perspektive sei die Frage gestellt: hat Reinhardt  Musik  also nicht eigenständige Sprache gewertet, erkannt, was aber oder vielmehr wie stand er zum  Musiktheater als  Gesamtkunstwerk, war res für eine theatralische Form ?   
Gottfried Reinhardt war ein bemerkenswert treuer Chronist der Arbeit seines Vaters, und wenn das folgende auch aus der Zeit der „Fledermaus“ stammt, so decouvriert es doch erbarmungslos  den Umgang des Regisseurs mit einem Gesamtkunstwerk „Musiktheater“:
Der Akzent lag auf dem Schauspielerischen und das machte Änderungen in der Partitur notwendig, Melodien mußten ins Orchester verlegt werden (weil die Schauspieler den gesangstechnischen Anforderung nicht genügen konnten, z.B. Koloraturen oder andere musikalische Verzierungen singen, Melodien aber schon). Im übrigen erforderte der freie tänzerische und sprachlich-rhythmische Stil der Regie mehrere musikalische Einlagen(die nicht in der Partitur stehen)vgl. Anm  Musiker sind von Natur aus neugieriges Publikum, einige erzählen von ihren Eindrücken nach dem Besuch "Der Fledermaus". 27 Text Gottfried Reinhardt
Musiker sind von Natur aus neugieriges Publikum und es gibt einige Berichte von Besuchen der Fledermaus; übereinstimmend Übereinstimmend beschreiben sie, daß Reinhardt keine Rücksicht auf die Sänger nahm. Das bedeutet:;  Sänger haben ihre spezifischen vom Singen, Atmen und Musikalischen bestimmte körperbestimmte Erfordernisse; . Reinhardt nahm darauf keine Rücksicht, er allein bestimmte die Gestaltung der Bewegungsabläufe, Stellungen usw. Das dürfte nicht erst bei der „Fledermaus“ so gewesen sein – hier dominierten die Sänger die Besetzung, sondern – es bestimmte seine Grundeinstellung, und somit dürfte Gottfrieds Reinhardt Anmerkung zutreffen, wenn er schreibt: “ er nahm der Musik das Dominierende, das Störende“ – was immer man darunter verstehen mag. Wenn das alles zutrifft, denn warum dann aber inszeniert er Reinhardt - in Abständen zwar - immer wieder Musiktheater?
Gottfried Reinhardt berichtet sehr dezidiert, daß Max Reinhardt Operette, ausgenommen eben die Offenbach‘sche Operette  als theatralisches wie musikalisches Genre ablehnte, aber das allein wäre als begründung Begründung nicht ausreichend für die – glaubt man den Berichten – für den etwas anderen „Umgang mit Musik“.
An einem aber besteht kein Zweifel: Reinhardt spielte genußvoll mit der „Offenbachiade“, beim „Orpheus“, bei der „Schönen Helena“.
Was ist eine Offenbachiade:  Spiel im Spiel,  das Spiel mit der Maske; die Inversion, denn nichts ist so wie es scheint – Umkehrung einer Realität in die Irrealität. Gepaart mit der Lust am Schaugepränge,  an der Illusion  …  ein schwereloses,  unterhaltsames Spiel, doch nie nur Unterhaltung an sich, ironische – satirische Kritik am Zeitgeschehen, an den Zeitgenossen.
In „Orpheus in der Unterwelt“ geht es um außereheliches Vergnügen aus Langeweile, Frustration; Orpheus ist ein langweiliger Konservatoriumsprofessor, der auch zu allem Überdruß auch noch komponiert und mit seinen Kompositionen Euridike, seine Frau , quält, worauf sie sich anderweitig – als Revanche – vergnügen will. In der „Schönen Helena“ geht es nur noch um Sex, Liebe und Vergnügen. Musikalisch ist „Orpheus“ eher ein Pasticcio, mit musikalischen Zitaten, Anspielungen auf Volkslieder u.a. Lieder (z.B. Zitat der „Marseillaise“ beim Aufstand der Götter), Komponisten – Verstorbene wie Zeitgenossen(z.B. Meyerbeer, Rossini).
===="Die schöne Helena"====
 „ Die Schöne Helena“ hat Offenbach musikalisch „befreit“, er hat an musikalischer Ausdruckskraft gewonnen (das soll genügen, alle weiteren Details findet man in der einschlägigen Literatur). Anders als im „Orpheus“  – die Verführung setzt die Handlung erst in Gang – ist in der „Schönen Helena“ die Verführungsszene , d.i, die Traumszene – „Es ist ein Traum …“ der Höhepunkt und Drehpunkt der Handlung. Und sie ist im Sinne Offenbachs keine Offenbachiade. Sie ist ein Spiel um Sex und Liebe mit etwas Zeitsatire.    
 Erich  '''Erich Mühsam ''' bekommt von Max Pallenberg  „ein prächtiges Freibillett“ in dem fast ausverkauften Haus und notiert in seinem Tagebuch (Heft 5) am 16.Juli 1911:
: '' ''<span style="color: #0000ff;">'''''… Die Schöne Helena von Offenbach ist unter Reinhardts Regie zu einer ganz köstlichen Humorleistung geworden. Man mag gegen Reinhardt sagen was man will, er ist doch der einzige, der Theater spielen kann, und das ist wohl sein wertvollstes Verdienst, daß er einem wieder ins Bewußtsein gebracht hat, daß Theater Theater und nicht Wirklichkeitskopie ist. Er arbeitet mit Farben, Bewegung, Tönen, Abstimmungen – und so gehört es sich auf der Bühne. Es gab Bühnenbilder (Ausstattung von Ernst Stern), die ganz blendend schön waren.  Die Offenbach'sche Musik klang herrlich durch den Raum, eine so einschmeichelnde, tänzerische, zierliche Musik, wie sie wohl nie wieder geschrieben werden wird. Und gespielt wurde köstlich. Der Menelaus von Pallenberg wird mir in seiner Komik unvergesslich sein. Den Agamemnon gab Zettl in meiner Maske, sogar der Kneifer fehlte nicht, blos war er viel länger als ich. Die Helena spielte Mizzi Jeritza , die eine sehr schöne Stimme hat, den Calchas Gustav Charlé sehr lustig. Rudolf Ritter sah als Paris sehr gut aus und sang recht schön. … Die Inszenierung war  ganz glänzend. Sehr wirksam ein Steg, der durch den Zuschauerraum auf die  Bühne führte, und von dem aus – also mitten durch die Zuschauer hindurch ein großer Teil der Mitwirkenden auftrat.. Lustige Einfälle in hellen Haufen. Eine Glanzleistung Reinhardts, deren Eindruck sich in stiller Selbsteinkehr sicher kein Snob entzieht. …'''''</span>
: '' <span style="color: #0000ff;">'''           … Max Reinhardt ließ anfragen , ob Erich „La Vie Parisienne“ von Offenbach für das  Deutsche Theater in Berlin bearbeiten und dirigieren wolle.   … um nicht  unhöflich zu erscheinen , ging er doch zu Reinhardt ins Theater in der Josefstadt; er  kam mit einem amüsiert-verlegenen Lächeln und einem Kontrakt von dort zurück. Er  hatte Reinhardt seine Zweifel an „La Vie Parisienne “ mitgeteilt und die Sache damit für erledigt gehalten . Der erwiderte aber nur ruhig: Was würden Sie sonst vorschlagen? Darauf Korngold: … warum machen Sie nicht die Fledermaus ? …'''</span>''
Korngold, der Spätromantiker, hatte – so steht zu vermuten – zu der leichtfüßigen,  durchsichtigen, ironischen Eleganz der Offenbach‘schen Musik keinen wirklichen Zugang. Johann Strauß und dessen  wiegende Melancholie lagen ihm da wohl näher. Entre parenthèse:  Vielleicht spielte nicht zuletzt   auch seine große Nähe zur Witwe Adele Strauß mit.
 
[[Datei:operette_sich_wernkann.jpg|thumb|right|239x156px]]
André Bloch bearbeitet eine ältere Fassung erschienen bei Choudens, fügt apokryph neue Teile und damit auch neue Musik ein, wie z.B. die berühmte Spiegelarie „Scintille diamant“ . Die Musik (der Text wird von Pierre Barbier, Sohn des Librettisten beigesteuert) wählt Bloch aus „Le voyage de la lune“.
Eigentlich haben die Bearbeiter, und dies bezieht sich nicht nur auf die beiden genannten, sich das „Prinzip Offenbach“ zu eigengemacht.  Offenbach schöpfte aus dem unendlichen Fundus seiner komponierten Operetten, opéra comique oder bouffes, wenn es die Bühnenpraxis erforderte, daß gekürzt, gestrichen erweiter, umgestellt werden mußte, Musik fehlte – und der Premierentermin drohte! –oder weil das Opus erfolglos in den Fundus gewandert war.
 
Das berühmteste Beispiel für diese Arbeitsweise ist zweifellos die „Barcarole“. Eigentlich ist die Melodie das Lied der Feen aus der erfolglosen Oper „Die Rheinnixen“, 1864 an der Wiener Hofoper als Auftragswerk uraufgeführt(anstelle von „Tristan und Isolde“). Offenbach wollte diese wunderbare Melodie nicht verschwinden lassen und übernahm sie für den Giulietta-Akt.
Offenbach setzt den Koloraturgesang ein, um eine Gestalt zu enthumanisieren
Dazu Alexander Faris, S. 227
 
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Koloraturgesang  ist so offensichtlich eine Zurschaustellung von vokaler Technik, daß er bei wahlloser Anwendung dramatisch bedeutungslos wird und keine andere andere Aussage vermittelt als die Fähigkeit der Sängerin[des Sängers, Anm.d.Verf.]  seinen Anforderungen zu genügen. … Koloratur [ist] ein Mittel um eine Gestalt zu enthumanisieren; die Königin der Nacht ist böse, Lucia di Lammermoor ist wahnsinnig, Olympia ist ein Automat. …'''''</span>
: <span style="color: #0000ff;">''' '''</span>
Musik als Klangrede (um ins 21.Jahrhundert zurückzukehren) wurde zu Lebzeiten Reinhardts noch nicht in diesem Sinn verstanden. Entweder gab es Oper (verkürzt formuliert Konzert im Kostüm, auch oder trotz Richard Wagner. Der Weg zum Musiktheater nach heutigem Verständnis stand erst am Beginn. Experimente wie die Krolloper wurden nur von einem geringen Teil des Publikums verstanden und auch angenommen. Aus meiner Sicht steht Reinhardt mit seinen Musiktheaterinszenierungen zwischen den Zeilen.
Reinhardt ließ das Offenbachsche Fragment – wie es damals einfach gängige theaterpraxis war – bearbeiten- textlich wurde es ergänzt, erweitert, umgeformt – und dafür war musikalische Bearbeitung nötig:
 
'''Leo Blech''', der die musikalische Leitung und die Bearbeitung übernommen hatte, schreibt im Programmbuch:
'' ''
'' ''
 
 '' '''''F''''''ortsetzung folgt'''  '' ''