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Offenbachiade chez Max Reinhardt

5 Byte entfernt, 11:34, 12. Nov. 2020
keine Bearbeitungszusammenfassung
Die Werke Offenbachs waren in der zweiten Hälfte des 19.Jh. auf den Wiener Bühnen sehr präsent;  der theatralische Motor des Wiener "Offenbachfiebers" war Johann Nestroy, Sänger, Schauspieler und Textautor.
Dann, 1881, eine glanzvolle Wiener Erstaufführung von „Hoffmanns Erzählungen";  eine erfolgversprechende Aufführungsserie wurde jäh, schon nach der zweiten Aufführung unterbrochen:  es kam zu einem - damals immer sehr gefürchteten Theaterbrand - , eingegangen in die Geschichte als "Ringtheaterbrand vom 8.Dezember 18881881".  Dieses Ereignis "stigmatisierte" die Oper  für Jahrzehnte, vor allem im deutschen Sprachraum. 
Eines Tages habe ich meinen alten Text  von 2018 wieder gelesen, fand ihn etwas "kurzatmig"; es folgte eine neue, etwas erweiterte Auseinandersetzung (damit ist das Thema noch lange nicht ausgeschöpft) mit den drei Inszenierungen von Max Reinhardt:  „'''Orpheus in der Unterwelt'''“, „'''Die schöne Helena'''“ und „'''Hoffmann‘s Erzählungen'''“ von Jacques Offenbach. 
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Publikum, schöne Weiber u. gutes Bier. Wir haben die Absicht, den &nbsp;Besuch dieser Konzerte zu forcieren. Ich verstehe von Musik nicht viel, bin aber&nbsp; trotzdem oder vielleicht gerade darum sehr empfänglich für sie. Als Schuljunge&nbsp; begann ich einige Monate herumzuklimpern, konnte dem Scalenspiel jedoch keinen &nbsp;besonderen Geschmack abgewinnen und ließ es bald. Ich bin also in akademischer und technischer Beziehung ein Ignorant in der Musik. Aber ich habe mir jedenfalls die &nbsp;volle empfängliche Naivität darin bewahrt, die mir als Zuschauer im Theater &nbsp;naturgemäß schon öfters fehlt. Jedenfalls übt gute Musik stets eine mächtige Wirkung auf mich aus, die mich überrascht und die ich mir nicht recht erklären kann. Neue &nbsp;ungeahnte Stimmungen erwachen in mir. Alles erweitert sich u. ich freue u. wundere &nbsp;mich darüber wie ein Kind mit einem farbigen Kaleidoskop.&nbsp; […] ich glaube, daß volkstümliche Musikaufführungen dem Zweck der Volksbildung weit eher entsprächen als Theatervorstellungen, Bibliotheken … Musik verinnerlicht , befruchtet Seele&nbsp; u.Phantasie."'''''</span>
: Das Gedankenspiel von 1894 nicht nur Sprechtheater zu inszenieren, kehrt in einer Variante in einem Briefentwurf wieder, geschrieben 1931, anläßlich der Inszenierung von „Hoffmanns Erzählungen.“
: ''&nbsp;<span style="color: #0000ff;">'''… ich glaube, daß volkstümliche Musikaufführungen dem Zweck der Volksbildung&nbsp; &nbsp;weit eher entsprächen …'''</span>''
====<span style="color: #000000;">"Orpheus in der Unterwelt"</span>====
<span style="color: #000000;">[[Datei:orlikgusti_adlerScan_0003.jpg|thumb|right|180px]]</span>
: Das Resultat war eine zur Revue tendierende erweiterte Fassung in der  Neo-Rokkoko -Ausstattung von Max Rée.  Der Text , die Musik wurden neu bearbeitet, es wurden neue Rollen etabliert, die die Offenbach'sche Komposition nicht kennt. Ein Beispiel nur: Die Einheit der Figur Pluto/Aristeus wurde aufgebrochen, es gab nun zwei Rollen.  Aristeus - im Stile Offenbach'scher Musik im Rokkokopasticcio; dramaturgisch gibt es dabei allerdings das "kleine" Verwandlungsproblem&nbsp; des Aristeus beim Tod der Euridike sich in Pluto zu verwandeln;  die Maske zu wechseln - denn nichts ist so wie es scheint.  Es entfällt ein wesentliche&nbsp; Spielelement der Offenbachiade.&nbsp; &nbsp;Die Breitwandbühne des Schauspielhauses bot allerdings ausreichend Raum für Massenszenen, in der Götterwelt, beim Bacchanal in der Unterwelt .
Über die Premiere am Silvesterabend 1921 im Großen Schauspielhaus  schreibt '''Alfred Thienemann''', Komponist, Dirigent und Rezensent beim Berliner Tageblatt eine einfühlsame und ausführliche Rezension:
 
: '''<span style="color: #0000ff;">''Offenbach ist Max Reinhardts stille Liebe. Er bildet für ihn ein Problem, dem er immer wieder mit all seiner schöpferischen Phantasie, seinem massenbändigendem Regietalent und dem ihm angeborenen Sinn fürs Große und Imposante beizukommen sucht. Schon einmal vor Jahren ('' </span>'''<span style="color: #0000ff;">1</span><span style="color: #0000ff;">906, Anm.d.Verf.</span><strong style="font-size: 0.939em;"><span style="color: #0000ff;">''), gab er uns (Neues Theater) Meister Jacques Götterkomödie im kleineren Rahmen neu gewandet. In Kopenhagen errang er damit so großen Beifall, daß ihn die königliche Oper in Stockholm … einlud. Nun hat er auch uns in Berlin „seinen“ Orpheus sehen und hören lassen, so wie „er ihn versteht“. Und daß er ihn von Grund aus versteht, bezeugte die in allen Teilen prächtige Silvesteraufführung des Werkes im Großen Schauspielhaus. … Er hatte sie ganz aufs Burleske gestellt. Gelegentlich allzusehr. So zum Beispiel, wenn Hans Styx am Dirigentenpult auftaucht und zu seinem  Arkadischen Prinzenlied selbst den Takt schlägt. Doch nahm man diese und manche andere Übertreibung in dem überzeugenden Gefühle hin, einem von Meisterhand inszenierten, laut lachenden Possenspiel gegenüberzustehen, das in übermütigster Laune an Auge und Ohr vorübertollte.''</span></strong>
: '''<span style="color: #0000ff;">''Am Auge! Ihm boten sich farbenfrohe Bühnenbilder … Am Ohr! Nichts von den Schönheiten der Musik ging verloren. Selmar Meyerowitz leitete das Ganze mit hinreißendem Temperament … Er hatte neben sonstigen kleinen Offenbach'schen Zutaten, einige Nummern aus der späteren französischen Bearbeitung des Autors (''</span>'''<span style="color: #0000ff;">damit ist die zur Féerie erweiterte Fassungvon 1874 gemeint, z.B. die Sprechrolle der Öffentlichen Meinung wird zum Melodram. Anm.d.Verf.</span>'''<span style="color: #0000ff;">'') zugefügt.  …''</span>'''
: Die sängerischen Leistungen erreichen hohes Niveau,  werden hervorgehoben; die eher dem Sprechgesang angenäherten Darstellungen durch Schauspieler ebenso gewürdigt.
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Max Pallenberg war Jupiter. Äußerlich nicht ganz die imponierende Gestalt des Göttervaters (Napoleon war ... klein) … Er sagor. Nicht einmal so schlecht … Amüsant die Anfangsszene des zweiten Bildes: die Ankunft (durch den Zuschauerraum) der nachtbummelnden Götter vor dem Himmeltor und der rasende Höllenzug – Cancan von der Bühne durchs Parkett hindurch. …'''''</span>  <span style="color: #0000ff;">''''' '''''</span>
 
'''"Die schöne Helena"'''
: Doch Offenbach wäre nicht Offenbach, wenn er nicht eine ironische Brechung&nbsp; eingebaut hätte: Der Chor der Weingeister, die Geister des Alkohols, der uns enthemmt , berauscht ...&nbsp; – „glou, glou, glou“ – steht für das Unsichtbare, Unsagbare, und aus dem Weinfaß schlüpft die Muse/Niklausse – das Spiel im Spiel kann beginnen.
Wann die ersten Vorgespräche, Vorbereitungen stattgefunden haben, ist nicht belegt.
 
Max Reinhardt schreibt in einem undatierten Briefentwurf (im Teilnachl. in Wien erhalten) an '''Leo Blech''':&nbsp;
: Nicht vergessen werden soll, daß zur Zeit der Inszenierung von "Hoffmanns Erzählungen" die Beliebtheit der Oper vor allem aus der Sangbarkeit der Melodien, der Schauerromantik, der Liebesgeschichten resultierte; von dem heute weit verbreiteten Credo der Werktreue war man noch meilenweit entfernt.
Gusti Adler, die  in den  Proben neben Max Reinhardt saß, oder die Vorstellungen verfolgte,  gab die Probennotate , die kritische Aufführungsanmerkungen an die Darsteller weiter. Sie schreibt über die Inszenierung im „Großen Schauspielhaus“ , S. 278
 
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