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Offenbachiade chez Max Reinhardt

448 Byte entfernt, 19:14, 14. Sep. 2020
keine Bearbeitungszusammenfassung
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Für ein Reinhardt-Symposium in Bratislava 1) sollte ich über Max Reinhardt und seine Musiktheater-Inszenierungen, seine „musikalische Prägungen“ wie ich es nannte, mit einer tour d'horizon in knapp 20 Minuten einem sehr gemischten Publikum  nahebringen. Ich habe mich 2018 für vier ausgewählte  Inszenierungen entschieden. Der innere Zusammenhang war evident: dreimal dreimal  Jacques Offenbach und einmal Johann Strauß. Offenbach und Johann Strauß haben sich 1864 in Wien getroffen; und - so wird berichtet, sich ausgezeichnet verstanden. Im gemeinsamen, sehr musikalischen Gespräch, meinte Offenbach gab Strauß die musikalische Anregungganz spontan: Warum Monsieur Strauße, warum komponieren Sie nicht Operette ? – und zehn Zehn Jahre später kam die Operette aller Operetten auf die Bühne des Theater an der Wien: „'''Die Fledermaus“'''. Nichts  ist so wie es scheint, wie in einer OFFENBACHIADE  - das ist „Die  Fledermaus“. 12)
Die Werke Offenbachs waren in der zweiten Hälfte des 19.Jh. auf den Wiener Bühnen sehr präsent, auch lange noch nach Nestroys Tod; wenn auch nicht mehr mit der Frequenz  wie zu seinen Lebzeiten.  Die glanzvolle Wiener Erstaufführung von „Hoffmanns Erzählungen" schon nach der zweiten Aufführung von einem tragischen Ereignistragischen Ereignis, dem Ringtheaterbrand am 8.Dezember 1888 während der zweiten Vorstellung der Oper, für Jahrzehnte stigmatisiert im deutschsprachigen Raum, wurden "Hoffmanns Erzählungen" nicht aufgeführt. 3)
Eines Tages habe ich diesen alten Text wieder gelesen, fand ihn etwas "kurzatmig"; es folgte eine neue Auseinandersetzung mit Musik und Text der drei Inszenierungen von Max Reinhardt:  „'''Orpheus in der Unterwelt'''“, „'''Die schöne Helena'''“ und „'''Hoffmann‘s Erzählungen'''“ von Jacques Offenbach sowie  “ '''Die Fledermaus'''“ von Johann Strauß, die bei Reinhardt wie eine Offenbachiade über die Rampe kam.
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Lachen, Lachen; Lachen – das war die Reinhardt’sche Intention der Offenbachiade so wie es auch Offenbach gewollt hatte – ein genußvolles Lachen, wertfrei, ungebunden – vielleicht auch Höllengelächter ? Es gab   das war es, was Offenbach für sein Publikum wollte und Reinhardt, wenn er Offenbach inszenierte, ebenso. Viele ZeitgenossenReinhardts genossen diesen Zaubertrank des lachens, wie z. B. Erich Mühsam, die nach dem Besuch der Münchner „Schönen Helena“, die Aufführung wie einen Zaubertrank des Lachens genossen haben. 
Die Säle waren ausgebucht, der Erfolg gab Reinhardt recht,  die ausgewählten Werke (die Texte vor allem) dem Zeitgeist entsprechend  anzupassen. Einspruch: war diese umfangreiche Bearbeitung von „Hoffmanns Erzählungen“(wie sie in den Nachlaßpapieren vorliegt, von den )Rezensenten sehr kontrovers rezipiert wird)  in diesem Umfang gerechtfertigt? Ich komme später darauf zurück.
Der Perfektionist Reinhardt besetzte die Rollen (bis auf wenige Ausnahmen) mit Schauspielern, die singen konnten.Das ist Damit griff Reinhardt auf  eine uralte Theatertradition zurück – wer auf der Schaubühne Furore machen wollte, der mußte ebenso gut singen und tanzen können wie sprechenkönnen.
Offenbach komponierte die Rollen seiner Operetten für Sänger, die Schauspieler  - oder umgekehrt - waren, schrieb ihnen die Rollen in die Stimme, „auf den Leib“. Das trifft auch auf die unvollendet gebliebenen „Hoffmann’s Erzählungen “ zu.  Reinhardt wählte sehr bewußt das Unvollkommene, das Fragmentarische der Rollengestaltung – denn „ nicht ist so wie es scheint“!
Die Kritik sah meisten zeitgenössischne Kritiker sahen das natürlich anders, man wollte „Schöngesang“, perfekte Darstellung und begriff nicht, daß im Fragment, dem Unvollendeten, die eigentliche Perfektion verborgen ist. Dem Publikum war‘s egal, es kam zahlreich, amüsierte sich und war begeistert.
Träger und Teil dieser Erfolge war die Wahl der Protagonisten; wenn Reinhardt für die Münchner Inszenierung, 1911, der „Schönen Helena“ Fritzi Massary für die Titelrolle (alternierend mit Maria Jeritza, damals noch am Beginn ihrer Karriere) gewinnen konnte, so landete er einen „Volltreffer“. 4)
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=====Ein kleiner Exkurs: Berlin um 1890=====Max Reinhardt kam 1894 in eine Stadt, die im Begriff war sich einer gewaltigen Metamorphose zu unterziehen.  Aus einer gemütlichen, langweiligen Residenzstadt mit ehemals  880.000 Einwohnern wurde zwischen 1880 und 1914 eine Millionenmetropole. Im Osten, im Norden entstanden riesige  Im Zentrum, in Mitte pulsierte das Industrieanlagen mit rauchenden Schloten, tristen Mietskasernen, Massenquartieren für die Arbeiter.  Im Westen, im Südwesten, mit   In der alten Mitte, dem alten Stadtkernim Stqadtkern, pulsierte das war das zweite Zentrum von BerlinGeschäftsleben. Bankenviertel, Zeitungsviertel, Textilviertel ...und im angrenzenden Westen, hier im Südwesten wohnten die „Reichen und Schönen“, die Beamten, die gehobene Mittelschicht. Hier pulsierte das Geschäftsleben, die Banken und Finanzwelt. Das Kulturleben prosperierte in dem Maße wie die Stadt industriell und finanziell wuchs . Der künstlerische und gesellschaftliche Erfolg des Theatermanns Max Reinhardt war Teil dieser Prosperität, er war an ihr beteiligt.
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Das Kultur- und Gesellschaftsleben: hatte zwei Gesichter, war janusköpfig. Es gab das konservative, Wilhelminische, rückwärtsrückwärts gewandte, militärisch dominierte Berlin mit „Garde du corps“, das „Donnerwetter –tadellos!“  - das war nicht nur der ironisch-lächelnde Titel einer Revue im Metropol-Theater in der Behrensstraße.  Das progressive,  immer vorwärts drängende, sozial orientierte Berlin, das von Neuem und Neuerungen nie genug bekommen konnte; und bemerkenswert demokratisch – trotz Zensur und Militarismus  - seinen Kunstvisionen leben konnte.  Wohl weil die offizielle Kunst von „Wilhelm Zwo“  bestimmt, diese Entwicklungen und Strömungen nicht zur Kenntnis nahm, nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Ganz Berlin ist eine Baustelle Straßen werden gebaut, die Gasbeleuchtung, die elektrifiziert wird, auf Brachen werden Bauten hochgezogen – der Westen der Stadt wächst mit dem Ostteil zusammen. Der Kurfürstendamm, liebevoll spöttisch berlinisch Ku-damm genannt,  ist noch Baustelle. Im wesentlichen konzentrierte sich – noch – alles in „Mitte“, das war: die Dorotheenstadt ( mit vielen Kasernen, auch in unmittelbarer Nähe des Deutschen Theaters), die Luisenstadt, die Friedrichstadt und der ständig wachsende Ostteil mit seinen Fabrik- und Industrieanlagen und  Mietskasernen. Die Friedrichstraße vom Oranienburgertor bis zur Leipziger Straße war die „Schlagader “ in „Mitte“,  Zentrum, Flaniermeile.  Hier spielte sich alles ab, das kulturelle Leben, die Theater, die Amüsiertempel , die großen Einkaufstempel, die Warenhäuser wie Tietz, Gerson, die Banken, das Zeitungsviertel, die Museumsinsel, die Hofbibliothek, heute Staatsbibliothek.  [[Datei:chatnoirScan_0001.jpg|thumb|right|317x224px]]
gewandte, militärisch dominierte Berlin mit „Garde du corps“, das „Donnerwetter –tadellos!“  - das war nicht nur der ironisch-lächelnde Titel einer Revue im Metropol-Theater in der Behrensstraße.  Das progressive,  immer vorwärts drängende, sozial orientierte Berlin, das von Neuem und Neuerungen nie genug bekommen konnte; und bemerkenswert demokratisch – trotz Zensur und Militarismus  - seinen Kunstvisionen leben konnte.  Wohl weil die offizielle Kunst von „Wilhelm Zwo“  bestimmt, diese Entwicklungen und Strömungen nicht zur Kenntnis nahm, nicht zur Kenntnis nehmen wollte.
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Das Publikum  für das Max Reinhardt spielte: es war konservativ gemäßigt, aufgeschlossen, tolerant, aufgeklärt und im allgemeinen gut betucht. Einen beträchtlichen Anteil an diesem Publikum bildete das meist jüdische Großbürgertum wie z.B. Bankiers, Industrielle, die gehobene oft auch jüdische Mittelschicht. Die jüdische Minderheit hat sich weitgehend assimiliert.  
Bahnhof Friedrichstraße 1894: Reinhardt kommt in Berlin an, nur wenige Straßen entfernt von seinem zukünftigen Arbeitsplatz entfernt. Die S-Bahn ratterte mit Dampfloks betrieben an ihm vorbei, Droschken und Autos lieferten sich bereits eine heldenhaften Verdrängungswettbewerb. Er nimmt Quartier in der Friedrichstraße 134, dazu muß er über die Spree, auf der Weidendammer Brücke, vorbei an der Komischen Oper (heute zerstört).
Ganz Berlin ist eine Baustelle Straßen werden gebaut, die Gasbeleuchtung, die elektrifiziert wird, auf Brachen werden Bauten hochgezogen – der Westen der Stadt wächst mit dem Ostteil zusammen. Der Kurfürstendamm, liebevoll spöttisch berlinisch Ku-damm genannt,  ist noch Baustelle. Im wesentlichen konzentrierte sich – noch – alles in „Mitte“, das war: die Dorotheenstadt ( mit vielen Kasernen, auch in unmittelbarer Nähe des Deutschen Theaters), die Luisenstadt, die Friedrichstadt und der ständig wachsende Ostteil mit seinen Fabrik- und Industrieanlagen und  Mietskasernen. Die Friedrichstraße vom Oranienburgertor bis zur Leipziger Straße war die „Schlagader “ in „Mitte“,  Zentrum, Flaniermeile.  Hier spielte sich alles ab, das kulturelle Leben, die Theater, die Amüsiertempel , die großen Einkaufstempel, die Warenhäuser wie Tietz, Gerson, die Banken, das Zeitungsviertel, die Museumsinsel, die Hofbibliothek, heute Staatsbibliothek.
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 Aus den Berliner Anfangsjahren gibt es nur wenig schriftliche Dokumente von Max Reinhardt, Briefe, Tagebuchfragmente. Sie erzählen von  Theaterproblemen, Rollenstudium, wann er spielfrei hat, - und der junge Mann stürzt sich vehement und genußfreudig in das chaotische Durcheinander der Großstadt, notiert mit gelegentlicher Bissigkeit seine Beobachtungen.
Berlin um 1890 ist auch das Berlin des Hofpredigers Adolf Stoecker (1835-1909). Von der Kanzel, als Politiker macht Adolf Stoecker den modernen Antisemitismus gesellschaftsfähig. Sein Vokabular: „verjudeter “ Großkapitalismus, „verjudete Linke“ usw.  Seine Programmatik: protestantisch ausgerichtet, antikapitalistisch, antiliberal, antisozialistisch, verknüpft mit einem scharfen Antisemitismus, nach [[Datei:nachtasylkrausestr.jpg|thumb|right|322x209px]]
Einschätzung der Historiker des 20.Jh. war es „die Politik der Gosse“, die Stoecker erfolgreich vertrat. 
<br /><br />Aus den Berliner Anfangsjahren gibt es nur wenig schriftliche Dokumente von Max Reinhardt, Briefe, Tagebuchfragmente. Sie erzählen von  Theaterproblemen, Rollenstudium, wann er spielfrei hat, - und der junge Mann stürzt sich vehement und genußfreudig in das chaotische Durcheinander der Großstadt, notiert mit gelegentlicher Bissigkeit seine Beobachtungen.
Berlin um 1890 ist auch das Berlin des Hofpredigers Adolf Stoecker (1835-1909). Von der Kanzel, als Politiker macht Adolf Stoecker den modernen Antisemitismus gesellschaftsfähig. Sein Vokabular: „verjudeter “ Großkapitalismus, „verjudete Linke“ usw.  Seine Programmatik: protestantisch ausgerichtet, antikapitalistisch, antiliberal, antisozialistisch, verknüpft mit einem scharfen Antisemitismus, nach 
Einschätzung der Historiker des 20.Jh. war es „die Politik der Gosse“, die Stoecker erfolgreich vertrat. 
Bleibt die offene Frage, welchen antisemitischen Anfeindungen Max Reinhardt seit seinen Anfängen in Berlin ausgesetzt war - die Angriffe aus der Jahren des ausbrechenden Nationalsozialismus  sind bekannt, aber was davor ?
Reinhardt war sich seiner jüdischen Herkunft sehr bewußt, notiert wohl auch immer wieder mal „weniger gejüdelt“. Aufhorchen läßt aber die Notiz aus seinem Tagebuch, vom April 1895. Nach einer ausführlichen Analyse und Auseinandersetzung mit Rudolf Rittners Talent und Persönlichkeit (er wurde wie Reinhardt 1894 an das DT engagiert), notiert Reinhardt:
: '''<span style="color: #0000ff;">''„Die Beziehungen Reinhardts zur Volksbühne reichten bis in seine eigenen direktorialen Anfänge zurück … Vor allem war es das Neue Theater unter der Führung des jungen Max Reinhardt, das von der Volksbühne bevorzugt wurde.  Gleichzeitig mit dem Pachtvertrag hatte der Vorstand die damals leitenden Köpfe der Reinhardt-Betriebe, Max Reinhardt und dessen Mitarbeiter Felix Hollaender, in den Künstlerischen Ausschuß der Volksbühne aufgenommen. Die Volksbühnenbewegung …. hatte sich am Beginn des neuen Jahrhunderts zu dessen(Max Reinhardtbühne) Kapitalzubringer gewandelt. …. Dem jungen Direktor Max Reinhardt konnte der auf Pachtvorstellungen bedachte Geschäftsbetrieb der Neuen Freien Volksbühne nur angenehm sein. Zu den Abendvorstellungen im Neuen Theater gesellten sich jetzt für ihn ertragreiche Nachmittagsvorstellungen. … ''</span>''''''<span style="color: #0000ff;">''Als Reinhardt das Deutsche Theater übernahm, begleitete ihn die Neue Freie Volksbühne. ''</span>''''''<span style="color: #0000ff;">''Der starke Mann der Volksbühne … und nunmehriger Kassierer, Heinrich Neft, boxte den zweiten Vertrag mit Reinhardt gegen die Bedenken der Mitglieder durch ….''</span>'''
: '''<span style="color: #0000ff;">''Die Verbindung mit Reinhardt wurde zu einer andauernden. Als die Volksbühne 1915 das Risiko für das eben erst am Bülowplatz eröffnete große Haus nicht mehr tragen wollte, übergab sie es für die drei Spielzeiten 1915/16 – 1917/1918  ... pachtweise an Max Reinhardt . ... Zu kostenloser Pacht…''</span>'''
: <span style="font-size: 0.939em;">Heinrich Braulich, Max Reinhardt, Theater zwischen Traum und Wirklichkeit, S. 154 ff.</span> Reinhardt  : Reinhardt berichtet dem Freund Berthold Held seine Berliner Erlebnisse, Eindrücke und am 4. Dezember 1894 schreibt er von seiner Idee „volkstümliche Aufführungen“ zum Zwecke „der Volksbildung“ zu machen:     
: An Berthold Held am 4. Dez.1894 aus Berlin
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Publikum, schöne Weiber u. gutes Bier. Wir haben die Absicht, den  Besuch dieser Konzerte zu forcieren. Ich verstehe von Musik nicht viel, bin aber  trotzdem oder vielleicht gerade darum sehr empfänglich für sie. Als Schuljunge  begann ich einige Monate herumzuklimpern, konnte dem Scalenspiel jedoch keinen  besonderen Geschmack abgewinnen und ließ es bald. Ich bin also in akademischer und technischer Beziehung ein Ignorant in der Musik. Aber ich habe mir jedenfalls die  volle empfängliche Naivität darin bewahrt, die mir als Zuschauer im Theater  naturgemäß schon öfters fehlt. Jedenfalls übt gute Musik stets eine mächtige Wirkung auf mich aus, die mich überrascht und die ich mir nicht recht erklären kann. Neue  ungeahnte Stimmungen erwachen in mir. Alles erweitert sich u. ich freue u. wundere  mich darüber wie ein Kind mit einem farbigen Kaleidoskop.  […] ich glaube, daß volkstümliche Musikaufführungen dem Zweck der Volksbildung weit eher entsprächen als Theatervorstellungen, Bibliotheken … Musik verinnerlicht , befruchtet Seele  u.Phantasie."'''''</span>
: Das Gedankenspiel von 1894 nicht nur Sprechtheater zu inszenieren, kehrt in einer Variante in einem Briefentwurf wieder, geschrieben 1931, anläßlich der Inszenierung von „Hoffmanns Erzählungen.“
: '' <span style="color: #0000ff;">'''… ich glaube, daß volkstümliche Musikaufführungen dem Zweck der Volksbildung   weit eher entsprächen …'''</span>''
====<span style="color: #000000;">"Orpheus in der Unterwelt"</span>====
: Im '''Neuen Theater am Schiffbauerdamm''' wird eifrig probiert … ganz ungewohnte Klänge kommen aus dem kleinen Orchestergraben, der eigentlich keiner ist, es geigt, es trommelt, es flötet, Koloraturen perlen durch den Raum … Max Reinhardt bereitet mit seinen Schauspielern die Abschiedsvorstellung vor, bevor er als Direktor ein paar Straßen weiter zieht – in das Deutsche Theater , Schumannstraße 5. 5)
: „'''Orpheus in der Unterwelt'''“ von Jacques Offenbach setzt mit 49 Vorstellungen einen triumphalen  Zwischenpunkt unter den furiosen Beginn seiner Karriere  als Regisseur und Schauspieldirektor.   Aber „Orpheus in der Unterwelt“ -  eine  Operette, eine „opéra bouffe/bouffon“,  eine Mythentravestie, so bezeichnet sie der Komponist  – in einem Sprechtheater ?  : Ich gehe zurück in die Anfänge des Regisseurs, in das Jahr 1893. Auf dem Spielplan des  Volkstheaters in Rudolfsheim steht neben anderen Unterhaltungsstücken „Orpheus in der Unterwelt“ auf dem Spielplan. Das Theater war Teil des Vergnügungsareals „Schwenders Colosseum“ in Rudolfsheim-Fünfhaus. Rudolfsheim war Ende des 19.Jh. ein Arbeiterviertel, mit vielen kleinen Handwerksbetrieben. ( Von 1880 – 1886 wohnt die Familie  Reinhardt in der Schönbrunnerstraße 22 , d.i. heute Äußere Mariahilferstraße 150,  - unweit von „Schwenders Colosseum“, ein allgemein beliebter Vergnügungspark - von der Spielhalle bis zum Tanzparkett, der Bierhalle bis zum Theater wurde dem Besucher  jede nur denkbare Unterhaltung angeboten. Wollte er sich im Grünen entspannen, dann hatte er es nicht weit zu der weitläufigen Parklandschaft rund um das Schloß Schönbrunn. (Die heutige Parkanlage ist nur noch das "Herzstück" der ursprünglichen Anlagen.   
: Das Vorstadttheater Rudolfsheim spielte alles, was unterhält, von der Klassik bis zur Operette; 1893 stand  „Orpheus in der Unterwelt“ auf dem Spielplan. Die Besetzungsliste verzeichnet  für die Rolle Merkur  - Max Reinhardt/Goldmann. Anzunehmen, daß das Vorstadttheater keine erstklassigen Gesangskräfte engagiert hatte, sondern mit dem hauseigenen Personal besetzt hatte, das sang und tanzte, spielte.  Die Anregung  Operette mit Schauspielern zu besetzen könnte Reinhardt aus  dieser eigenen Erfahrung von diesem Engagement in Rudolfsheim mitgenommen haben.  Nicht unerwähnt bleiben soll, daß die Wiener Vorstadtbühnen – wie z.B. das Carltheater  eine ausgeprägte Offenbachtradition hatten; der Komponist war häufiger Gast in Wien. Johann Nestroy war der erste „Offenbach-/Darsteller/ Fan“ – und da er über einen ausgebildeten Bariton verfügte, auch als Sängerdarsteller dafür prädestiniert war.   Soviel zur Tradition Wien und Offenbach. Die Spieltradition für die sogen. leichte Muse verlangte Sängerdarsteller – sie mußten singen, sprechen und tanzen können.  
: „Alles ist nur Theater“ … für den Bühnenmenschen Reinhardt gibt es keine Genregrenzen. Wie der Puppenspieler, der an allen seinen Fäden zieht um – „die Puppen tanzen zu lassen“ – oder wie der Theaterdirektor in Goethes „Faust“ greift Reinhardt nach allem, was seine Gestaltungsphantasie und seine Spiellaune aufblühen läßt – und wenn nötig, biegt er sich das Material zurecht. Doch bei der Durchsicht der Aufführungsdaten fällt eine merkwürdige Koinzidenz ins Auge: am 30. Dezember 1905 hatte in Wien, im Theater an der Wien eine Uraufführung stattgefunden, "Die lustige Witwe" von Franz Lehár und nach einem etwas zögerlichen Start trat diese "Witwe" eine bis dahin nie erlebten Siegeszug über die Operettentheaterbühnen an. Wollte der aufstrebende, erfolgsorientierte junge Theaterdirektor und Regisseur zu dieser neuen opulenten, sentimentalen Operettengattung  ein Gegenmodell präsentieren ? 
Wenn Gottfried Reinhardt mit seiner Behauptung recht hat, daß Reinhardt "Musik als störend nur empfunden " ( ich höre Wilhelm Busch), dann hat er diesem Imperativ alles untergeordnet, Musik  ausschließlich als Spielelement seiner Inszenierungen einzusetzen, wie bei seinen Sprechtheaterinszenierungen oder später bei den Pantomimen, dann  zerbricht Reinhardt  die  angestrebte Verschmelzung von Wort und Ton, die Musiktheater intendiert.
 War "Orpheus in der Unterwelt“ – als Experiment initiiert, als  eine „Offenbachiade“  mit Schauspielern besetzt, die singen, zu spielen?  Er wagte den Versuch die Rollen mit Schauspielern zu besetzen, denn nach dem Textbuch, der Partitur müssen sie singen und sprechen können( das wäre der Rückgriff auf alte Spieltraditionen der Unterhaltungstheater). Ganz ging dieses Konzept nicht auf, denn allein die Rolle der Euridike (unerheblich welche Fassung Reinhardt als Spielvorlage gewählt haben mochte) verlangt einen leichten, hohen Koloratursopran in der heutigen Diktion würde man eine „Soubrette“ für die Besetzung wählen. Reinhardt mußte also  - wollte er den Erfolg des Abends nicht verspielen und versingen  - mit einer Sängerin besetzen, denn in seinem Ensemble gab es keine Darstellerin, die den sängerischen Anforderungen auch nur im entferntesten entsprochen hätte.
 
Seine Wahl fiel auf einen jungen aufstrebenden lyrischen Sopran von der Dresdner Hofoper, Eva von der Osten. Sie kam aus einer Schauspielerfamilie, kannte auch die darstellerischen Anforderungen einer Rolle. Beide sollten sich bei Uraufführung des „Rosenkavalier, 1911 in Dresden wieder begegnen.  (Wie immer bei Reinhardt, die Premierenbesetzung ist nicht „langlebig“, es finden sehr bald Umbesetzungen statt.)
Aber Korngold kann dieser Idee leider gar nichts abgewinnen und lehnt ab. Doch Reinhardt läßt nicht locker.
Lucie Korngold, die Frau des Komponisten, erinnert sich:
 
: '' <span style="color: #0000ff;">'''           … Max Reinhardt ließ anfragen , ob Erich „La Vie Parisienne“ von Offenbach für das  Deutsche Theater in Berlin bearbeiten und dirigieren wolle.   … um nicht  unhöflich zu erscheinen , ging er doch zu Reinhardt ins Theater in der Josefstadt; er  kam mit einem amüsiert-verlegenen Lächeln und einem Kontrakt von dort zurück. Er  hatte Reinhardt seine Zweifel an „La Vie Parisienne “ mitgeteilt und die Sache damit für erledigt gehalten . Der erwiderte aber nur ruhig: Was würden Sie sonst vorschlagen? Darauf Korngold: … warum machen Sie nicht die Fledermaus ? …'''</span>''
Korngold, der Spätromantiker, hatte – so steht zu vermuten – zu der leichtfüßigen,  durchsichtigen, ironischen Eleganz der Offenbach‘schen Musik keinen wirklichen Zugang. Johann Strauß und dessen  wiegende Melancholie lagen ihm da wohl näher. Entre parenthèse:  Vielleicht spielte nicht zuletzt   auch seine große Nähe zur Witwe Adele Strauß mit.
1905, Berlin Komische Oper: Hans Gregor inszneiert „Hoffmanns Erzählungen gemeinsam mit Max Morris. Basis für die Inszenierung ist die Fassung von 1904, die Roaul Gounsbourgh und André Bloch für Monte Carlo erarbeitet haben. Gounsbourough leitet die Oper in Monte Carlo.
André Bloch bearbeitet eine ältere Fassung erschienen bei Choudens, fügt apokryph neue Teile und damit auch neue Musik ein, wie z.B. die berühmte Spiegelarie „Scintille diamant“ . Die Musik (der Text wird von Pierre Barbier, Sohn des Librettisten beigesteuert) wählt Bloch aus „Le voyage de la lune“.
 
Eigentlich haben die Bearbeiter, und dies bezieht sich nicht nur auf die beiden genannten, sich das „Prinzip Offenbach“ zu eigengemacht.  Offenbach schöpfte aus dem unendlichen Fundus seiner komponierten Operetten, opéra comique oder bouffes, wenn es die Bühnenpraxis erforderte, daß gekürzt, gestrichen erweiter, umgestellt werden mußte, Musik fehlte – und der Premierentermin drohte! –oder weil das Opus erfolglos in den Fundus gewandert war.
'' ''Sie beschreibt den Olympia-Akt sehr präzise: die Koloraturarie der Puppe Olympia endet lt. szenischer Anweisung im Textbuch/Klavierauszug  mit dem Zerbrechen der Puppe in den Armen Hoffmanns.  Reinhardt  jagt  die Sängerin richtiggehend  über die Bühne, bis sie zerbricht (gedoubelt von einer Tänzerin).
Offenbach setzt den Koloraturgesang ein, um eine Gestalt zu enthumanisieren
 
Dazu Alexander Faris, S. 227
Gottfried Reinhardt beschreibt, daß Reinhardt auf sängerische Bedürfnisse oder Anforderungen keinerlei Rücksicht nahm; worauf die Beschreibung der Szene (durch Gusti Adler) teilweise zutrifft (immerhin wird gedoubelt).
Musik als Klangrede (um ins 21.Jahrhundert zurückzukehren) wurde zu Lebzeiten Reinhardts noch nicht in diesem Sinn verstanden. Entweder gab es Oper (verkürzt formuliert Konzert im Kostüm, auch oder trotz Richard Wagner. Der Weg zum Musiktheater nach heutigem Verständnis stand erst am Beginn. Experimente wie die Krolloper wurden nur von einem geringen Teil des Publikums verstanden und auch angenommen. Aus meiner Sicht steht Reinhardt mit seinen Musiktheaterinszenierungen zwischen den Zeilen.
 
Reinhardt ließ das Offenbachsche Fragment – wie es damals einfach gängige theaterpraxis war – bearbeiten- textlich wurde es ergänzt, erweitert, umgeformt – und dafür war musikalische Bearbeitung nötig:
'' ''Leo Blech, Ob überhaupt und wenn ja, wie!, Programmbuch zu Hoffmanns Erzählungen, S. 116 ff.
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 '' '''''F''''''ortsetzung folgt'''  '' ''