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Offenbachiade chez Max Reinhardt

62 Byte entfernt, 18:54, 6. Sep. 2020
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===''[[Datei:orlikgusti_adlerScan_0003.jpg|thumb|right|180px]]Offenbachiade ? chez Max Reinhardt''===  
''F''ür ein Reinhardt-Symposium in Bratislava sollte ich über Max Reinhardt und seine Musiktheater-Inszenierungen, seine „musikalische Prägungen“ wie ich es nannte , erzählen. Ich habe es damals 2018 auf vier Inszenierungen reduziert; der innere Zusammenhang war so sehr evident: dreimal Offenbach und einmal Johann Strauß. Offenbach und Johann Strauß haben sich 1864 in Wien getroffen, Offenbach gab Strauß die musikalische Anregung: Warum komponieren Sie nicht Operette ? – und zehn Jahre später kam die Operette aller Operetten auf die Bühne des Theater an der Wien: „'''Die Fledermaus“'''. Nichts  ist so wie es scheint, wie in einer OFFENBACHIADE das ist „Die  Fledermaus“. 1)
Den in Bratislava präsentierten Text  zu drei Inszenierungen von Max Reinhardt:  „'''Orpheus in der Unterwelt'''“, „'''Die schöne Helena'''“ und „'''Hoffmann‘s Erzählungen'''“ von Jacques Offenbach sowie  “ '''Die Fledermaus'''“ von Johann Strauß, die bei Reinhardt wie eine Offenbachiade über die Rampe kam, wollte ich zu einem feuilletonistischen Apercu erweitern; es entstand am Ende meiner Auseinandersetzung zwischen Offenbach und Reinhardt, zwischen Musik und Theater, Wort oder Ton, entstand ein neuer, veränderter, erweiterter  Text.
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Lachen, Lachen; Lachen – das war die Reinhardt’sche Intention der Offenbachiade so wie es auch Offenbach gewollt hatte – ein genußvolles Lachen, wertfrei, ungebunden – vielleicht auch Höllengelächter ? Es gab Zeitgenossen, wie Erich Mühsam, die nach dem Besuch der Münchner „Schönen Helena“, die Aufführung wie einen Zaubertrank des Lachens genossen haben.
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Das Publikum  für das Max Reinhardt spielte: es war konservativ gemäßigt, aufgeschlossen, tolerant, aufgeklärt und im allgemeinen gut betucht. Einen beträchtlichen Anteil an diesem Publikum bildete das meist jüdische Großbürgertum wie z.B. Bankiers, Industrielle, die gehobene oft auch jüdische Mittelschicht. Die jüdische Minderheit hat sich weitgehend assimiliert.  
Ganz Berlin ist eine Baustelle Straßen werden gebaut, die Gasbeleuchtung, die elektrifiziert wird, auf Brachen werden Bauten hochgezogen – der Westen der Stadt wächst mit dem Ostteil zusammen. Der Kurfürstendamm, liebevoll spöttisch berlinisch Ku-damm genannt,  ist noch Baustelle. Im wesentlichen konzentrierte sich – noch – alles in „Mitte“, das war: die Dorotheenstadt ( mit vielen Kasernen, auch in unmittelbarer Nähe des Deutschen Theaters), die Luisenstadt, die Friedrichstadt und der ständig wachsende Ostteil mit seinen Fabrik- und Industrieanlagen und  Mietskasernen. Die Friedrichstraße vom Oranienburgertor bis zur Leipziger Straße war die „Schlagader “ in „Mitte“,  Zentrum, Flaniermeile.  Hier spielte sich alles ab, das kulturelle Leben, die Theater, die Amüsiertempel , die großen Einkaufstempel, die Warenhäuser wie Tietz, Gerson, die Banken, das Zeitungsviertel, die Museumsinsel, die Hofbibliothek, heute Staatsbibliothek.
 Aus den Berliner Anfangsjahren gibt es nur wenig schriftliche Dokumente von Max Reinhardt, Briefe, Tagebuchfragmente. Sie erzählen von  Theaterproblemen, Rollenstudium, wann er spielfrei hat, - und der junge Mann stürzt sich vehement und genußfreudig in das chaotische Durcheinander der Großstadt, notiert mit gelegentlicher Bissigkeit seine Beobachtungen.[[Datei:chatnoirScan_0001.jpg|180px|thumb|right|180px]]
Berlin um 1890 ist auch das Berlin des Hofpredigers Adolf Stoecker (1835-1909). Von der Kanzel, als Politiker macht Adolf Stoecker den modernen Antisemitismus gesellschaftsfähig. Sein Vokabular: „verjudeter “ Großkapitalismus, „verjudete Linke“ usw.  Seine Programmatik: protestantisch ausgerichtet, antikapitalistisch, antiliberal, antisozialistisch, verknüpft mit einem scharfen Antisemitismus, nach Einschätzung der Historiker des 20.Jh. war es „die Politik der Gosse“, die Stoecker erfolgreich vertrat. 
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: Gusti Adler, … aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen. Erinnerungen an Max Reinhardt, …..S. 385
''s''chreibt Gusti Adler in ihren Erinnerungen.  Sie war seit 1919 die engste Vertraute von Max Reinhardt, befreundet mit Helene Thimig seit ihrer Kindheit.  Viele Details ihrer Aufzeichnungen sind – wenn auch subjektiv verfremdet- eine unerschöpfliche Quelle auch über den Alltag des Regisseurs Max Reinhardt .
 
Reinhardt spielte auf seinem Bühnen für ein mittelständisches, großbürgerliches – oft jüdisches - Publikum, aber auch für ein weniger gut betuchtes, weniger gebildetes Publikum, das er – immer mit der Prätention „Volksbühne“ mit Hilfe der Besucherorganisation „Volksbühne“ erreichte.  
Reinhardt berichtet dem Freund Berthold Held seine Berliner Erlebnisse, Eindrücke und am 4. Dezember 1894 schreibt er von seiner Idee „volkstümliche Aufführungen“ zum Zwecke „der Volksbildung“ zu machen:     
An Berthold Held am 4. Dez.1894 aus Berlin
 
: <span style="color: #0000ff;">'''''… Publikum, schöne Weiber u. gutes Bier. Wir haben die Absicht, den  Besuch dieser Konzerte zu forcieren. Ich verstehe von Musik nicht viel, bin aber  trotzdem oder vielleicht gerade darum sehr empfänglich für sie. Als Schuljunge  begann ich einige Monate herumzuklimpern, konnte dem Scalenspiel jedoch keinen  besonderen Geschmack abgewinnen und ließ es bald. Ich bin also in akademischer und technischer Beziehung ein Ignorant in der Musik. Aber ich habe mir jedenfalls die  volle empfängliche Naivität darin bewahrt, die mir als Zuschauer im Theater  naturgemäß schon öfters fehlt. Jedenfalls übt gute Musik stets eine mächtige Wirkung auf mich aus, die mich überrascht und die ich mir nicht recht erklären kann. Neue  ungeahnte Stimmungen erwachen in mir. Alles erweitert sich u. ich freue u. wundere  mich darüber wie ein Kind mit einem farbigen Kaleidoskop.  […] ich glaube, daß volkstümliche Musikaufführungen dem Zweck der Volksbildung weit eher entsprächen als Theatervorstellungen, Bibliotheken … Musik verinnerlicht , befruchtet Seele  u.Phantasie."'''''</span>
Das Gedankenspiel von 1894 nicht nur Sprechtheater zu inszenieren, kehrt in einer Variante in einem Briefentwurf wieder, geschrieben 1931, anläßlich der Inszenierung von „Hoffmanns Erzählungen.“
 Um es kurz zusammenzufassen: die Kritiker  sind nicht wirklich einverstanden mit dem Experiment, 
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das Publikum dagegen jubelt , was die Kritik kommentarlos bestätigt.
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: <span style="color: #0000ff;">'''''Das Überwiegen des schauspielerischen Teils über den gesanglichen war vielfach unverkennbar. Ob es dem Geist der Offenbachiade entsprach, ist eine andere Frage. …'''''</span>
: Vossische Zeitung, 14.Mai 1906, Nr.233, Zweite Beilage
: [[Datei:doré_orpheus.jpg|318x245px|thumb|right|318x245px]]:   „Orpheus in der Unterwelt“ so hat es Offenbach erdacht und komponiert,  endet in der Unterwelt mit einem Bacchanal, mit dem  „Galop infernal“ , der unerkannt als  „Cancan“ durch die Literatur, die Gazetten etc. wandert. Getanzt mit Spitzenhöschen, Röcke  und Beine  werfen, so wie es eben die Touristen(und nicht nur diese!)  vom Montmartre gerne sehen. WIE Offenbach das Finale erdacht, gespielt hatte, überliefert eine Zeichnung nach einem Gemälde von Gustave Doré.  Alle, die Solisten, der Chor tragen völlig  ver- rückte Kostüme und sie feiern ein Bacchanal unter der Regie des Höllenfürsten Pluto.  
Musikalisch (kurz skizziert)ist der Galop infernal im 2/4   Takt, ein rascher um-pa, umpa-Rhythmus in Achteln, im Baß in Vierteln (1/4=2 1/8) also: um-pa –gegen um= ¼ (als pochender beat), Melodik in 4 oder 8er Gruppen.
Die musikalische Bearbeitung lag in den Händen von Erich Wolfgang Korngold.  Wie diese Bearbeitung geklungen hat, davon gibt eine kurze Aufnahme des Traumduetts zwischen Helena (Jarmila Novotna)und Paris (Gerd Niemar) eine sehr oberflächlichen (eben weil zu kurz) Eindruck. Zu dieser Aufnahme, die 1932 in Berlin entstanden ist, mit der Korngold’schen Bearbeitung. Das Eingangssolo des Paris läßt Offenbach ahnen – mit den Koloraturparaphrasen. Offenbach setzte den Koloraturgesang als Stilmittel ein – nicht erst mit der „Schönen Helena“.  Stilistisch jedenfalls klingt das Duett so als sängen beide ein Duett von Franz Lehàr.
Charles B. Cochran, der berühmte englische Theatermanager „and starmaker“ lädt Max Reinhardt ein, die „Schöne Helena“ im Adelphi-Theatre, London zu inszenieren; dafür muß allerdings eine völlig neue Textfassung erstellt werden, die von A.P.Herbert geschrieben wird auf der Basis der Fassung von Egon Friedell und Hans Sassman. Außer dem Plot ist von der Offenbach’schen Opéra bouffe wohl kaum noch etwas übrig geblieben. (Textvergleiche mögen andere durchführen, jedenfalls liest sich die englische Fassung sehr puritanisch. In dem von ihm geschriebenen neuen dritten Akt kehrt das königliche Paar Helena und Menelaus nach Sparta zurück, friedlich vereint, aber genervt, grantig. Der Krieg ist vorbei; der graue alte Alltag hat uns wieder! )
 
Offenbachs Komposition wurde von Erich Wolfgang Korngold für London neu bearbeitet; da es keine überliefertes musikalisches Material gibt, bleibt es bei dem Hinweis, auf der Grundlage von Rezensionen und Programmen.
: Da hat Gottfried Reinhardt wohl so einiges mißverstanden. Die Textvorlage zur „Fledermaus“ stammt von zwei französischen Librettisten, die zahlreiche Libretti für Offenbach geschrieben haben: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, nach einem deutschen Lustspiel „Das Gefängnis“ von Roderich Benedix. Daraus wurde im französischen Lustspiel  „Le Reveillon“ . Le Reveillon bezeichnet im Französischen die Weihnachtsfeiertage bis zum Jahreswechsel (vergleichbar dem italienischen „cappodanno“).  Der Plot der „Fledermaus“ , den Karl Haffner und Richard Genée  aus dem französischen Libretto geformt haben, könnte von Offenbach sein – Nichts ist so, wie es scheint.
Lucie Korngold erinnert sich :
 
: <span style="color: #0000ff;">'''''Die Partitur des Werkes blieb unberührt. Was hinzukam – kleine Szenen, alles von Strauß – begleitete Erich im Orchester vom Klavier aus. Reinhardt war unerschöpflich im Erfinden von Versen, die bald als Rezitativ, bald als Gesangsnummern sich dem Werke einfügten. Erich fand für ihn die passenden  Straußwalzer, oft nur ein paar Takte. … Was stets Reinhardts Bestreben gewesen war: das Publikum miteinzubeziehen, eine Brücke zwischen Bühne und Zuschauerraum zu  bauen, hier hatte es die höchste Vollendung gefunden. ...'''''</span>
Es gibt aber auch gegenteilige Berichte von Musikern  nach dem Besuch einer Vorstellung der „Fledermaus“:  Reinhardt nahm keine Rücksicht auf die Sänger und ihre spezifischen vom Singen wie vom Musikalischen bestimmten Erfordernisse, das Spieltechnische stand absolut im Vordergrund.