Nachdenken über Ralph Wünsche: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Dagmar Saval Wünsche

Wechseln zu: Navigation, Suche
(Die Seite wurde neu angelegt: „==='''Nachdenken über die Bilder und Zeichnungen des Malers Ralph Wünsche'''=== '''''Das nicht geschriebenes Nachwort ''''' Eine Ausstellung der Bilder un…“)
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 15. November 2021, 13:06 Uhr

Nachdenken über die Bilder und Zeichnungen des Malers Ralph Wünsche

Das nicht geschriebenes Nachwort 


Eine Ausstellung der Bilder und Zeichnungen von Ralph Wünsche … Das Publikum geht nach der obligaten  kurzen Eröffnungsansprache von Bild zu Bild, plaudert, trinkt Sekt oder was es sonst zu trinken gibt, knabbert Canapés , rangiert sich zu Gruppen und Grüppchen. Einer, dann wieder ein anderer gehen auf den anwesenden Maler zu. Und da ist sie schon die immer wiederkehrende Frage: „Warum malen Sie so düstere, makabre, traurige Bilder, die sich nicht verkaufen, malen Sie doch etwas Heiteres, Schönes. Das verkauft sich gut! Sie sind ein großartiger Maler und Zeichner, also warum ?

Meist blieb RW die Antwort mit einem höflichen Lächeln schuldig, lenkte ab. Kollegen oder auch professionellen Beurteilern, wie z.B. Kritikern, Freunde bekamen zur Antwort:  „Schaut euch meine Bilder genau an, lest in den Bildern, das ist die Antwort!“.  

Unter allen, die sich mit der Kunst und der Bildsprache, mit der Person Ralph Wünsche professionell auseinandergesetzt haben, gab es einen einzigen – sehr hellsichtigen Interpreten. Es war Walter Huder, der 1976 anläßlich der ersten Einzelausstellung des Malers Ralph Wünsche erkannte, welches movens der Bildsprache, der Farben, der Zeichenkunst  des Malers RW bestimmte: Die Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945, in der Dresden fast vollständig zerbombt wurde.  Walter Huder war nicht nur der erste, der erkannte, wie die Bilder von Ralph Wünsche zu lesen sind, er blieb auch der Einzige. Dabei wäre es so einfach gewesen zu verstehen: In der tabellarischen Biographie  konnte man nachlesen, nüchtern notiert:  Der dreizehnjährige Ralph Wünsche verlor seine Mutter und seine drei Geschwister in der Bombennacht vom 13.zum 14. Februar 1945. 

Bildinhalte müssen nicht forcément ein konkretes Ereignis abbilden; Bildinhalte gehen „Umwege“ um es einmal so zu formulieren, suchen nach Vergleichen, abstrahieren das Reale. Die  malerische Handschrift, die Wahl der Farben dagegen erzählt  intensiv und spontan, über die technische Bewältigung des reinen Mal-oder Zeichenvorgang hinaus, was nicht mit Worten oder konkreten Bildern erzählt werden kann. 

Was der Maler Ralph Wünsche verbal nicht erzählen konnte, was ihn aber bis zuletzt im Innersten seines Existenz verfolgt, gequält hat – das war – und dafür gibt es eigentlich kein passendes Wort, nur die nüchterne Feststellung: Die Bombennacht vom 13. Februar 1945, in der Dresden, seine Stadt, zum großen Teil zerbombt, zerstört wurde, Tausende auf grausame Weise ihr Leben verloren.

Die in düsterem Rot bis Schwarz  gefaßten flackernden Hintergründe  vieler Porträts geben einen ersten Hinweis – das ist das brennende Dresden in der Nacht – die vielen Gesichter, ob nun Porträt oder eine andere bildliche personelle Darstellung, mit aufgerissenen Mündern, als schrieen sie um Hilfe, angstgepeinigt, Todesangst spiegelt sich in ihren Gesichtern.

In dem Porträt von Barlog oder die beiden Bildfassungen von Michael Heltau als Cotrone, in dem Porträt der Maria Becker, flackern die Hintergründe, züngeln wie Flammen. Das Porträt von Boleslav Barlog ist doppelgesichtig  – es zeigt die Auflösung der Person (Barlog starb nur wenig später) – und gleichzeitig spiegelt dieses Bild die Auflösung eines sterbenden Menschengesichts.

Der Zyklus „Totentanz“,  ursprünglich entstanden zur Oper „Die schwarze Maske“(Penderecki), die vom Schwarzen Tode, der Pest, handelt, liest sich, vor allem in der Retrospektive und der Aktualität von 2021, wie ein Tagebuch des Erlebten der Bombennacht vom 13.Februar 1945, trotz oder vielleicht gerade wegen des theatralischen Inhalts. 

Der fahle Morgen danach, Asche, Gestank der Verwesung verbrannter Menschen, Leichen die ausgelaugt am Elbufer liegen – auch diesen Menschen hat Ralph Wünsche ein – imaginäres Gesicht – gegeben – etwa in seinen Clownsbildern,  besonders in dem Bild „Die Clowns lassen sich photographieren“ – da stehen drei Figuren, die wie Wasserleichen aussehen an einer Metallbarriere, wie man sie bei Schiffsanlegestellen findet.

Und immer „flackert“ der Strich – gleichgültig ob Pinsel, Feder, Stift – es ist als wollte der Maler die Flammen, denen er als einziger seiner Familie entkommen ist, festhalten, auf –halten, das Papier, die Leinwand zu ihrem Gefängnis machen um sie an weiteren Ausbrüchen und Zerstörungen zu hindern.  

Die  „hellen, leuchtenden“  Arbeiten entstehen spät, sehr spät, wenige Monate vor seinem Tod. War es die neue Umgebung, - er war nach Wien gezogen -, das ihn,  wie er sagte, immer an das unzerstörte Dresden erinnerte? Der Park rund um das Schloß Schönbrunn, der Tiergarten, die gesamte Anlage mutierte während seiner Spaziergänge  zum Großen Garten in Dresden. Erinnerung daran, daß er dort in der Bombennacht überlebt hatte?

Bis zuletzt blieb Ralph Wünsche  bei „seiner praktischen Unvernunft “, wie er in seinem Bewerbungsschreibe 1955 an die Hochschule der bildenden Künste, Berlin  formulierte:  

Die Frage nach dem „Warum“ meiner Berufswahl bringt mich jedesmal in eine gewisse Verlegenheit. Vielleicht nur deshalb, weil sie meist mit der Tendenz verbunden ist die praktische Unvernunft dieser Entscheidung nachzuweisen. Es ist nicht leicht für einen künstlerisch interessierten Menschen zu sagen, warum er sein Herz so ganz der  Kunst verschrieben hat. Daß mich alles, was mit bildender Kunst zusammenhängt von frühester Jugend an beschäftigte, ist jedenfalls eine Tatsache, besonders was die Malerei anbetrifft. Diese einfache Freude an Farben und Formen in Natur und Kunst ist immer stärker geworden, ebenso das Verlangen mich damit zu beschäftigen. Dies wohl ist die Ursache für den Entschluß mich der Malerei zuzuwenden um die mir gegebenen Fähigkeiten auf diese Gebiete zu entwickeln, wie es jeder andere, er stehe wo er wolle, auch bemüht ist um seinem Wesen Ausdruck zu verleihen durch seine Tätigkeit.

 Berlin, im November 2021