Ludwig Bösendorfer

Aus Dagmar Saval Wünsche

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LUDWIG BÖSENDORFER, Claviermacher


Musikalische Spaziergänge durch seine Zeit, sein Leben, sein Werk

(Arbeitstitel)


von


Dagmar Saval 




„Wie oft, wenn Deine schlanken Finger springen

Über das Holz, beglückt durch ihr Berühren,

Daß wunderbare Weisen ihm entklingen,

Die wohllautvoll mein Ohr und Herz verführen,

Beneid ich diese Tasten, wie sie nippen

Glückseligkeit, von Deiner Hand gespendet,

Derweil errötend meine armen Lippen

I h r Anrecht sehn an kühnes Holz verschwendet.

Gern würden sie um solche Wonne tauschen

Mit jeder Taste, die sich tanzend bückt:

Wenn lieber Deiner Hand melodisch Rauschen

Das tote Holz als meinen Mund beglückt.

Doch wenn das freche Holz geküßt sein muß;

Reich ihm die Hand, die Lippe m i r  zum Kuß!

 

*Anm.


Auftakt statt eines Vorworts

 

LUDWIG BÖSENDORFER, den Claviermacher, wie er sich selbst immer nannte, findet man meist sehr pauschal beschrieben zwischen „geboren – gestorben“, unter Aufzeichnung  aller ihr verliehenen und erhaltenen Ehrenzeichen, Titeln usw. in sämtlichen einschlägigen Lexika, im Internet usw. – zumindest ist Ludwig Bösendorfer kein Unbekannter.  Er ist es aber doch, denn nach der Lektüre dieser trockenen Beschreibungen, stellte ich mir die Frage, und wer war er wirklich?

Er war ein Klaviermacher, der mit seinen Händen, mit seinen Klangvorstellungen, seiner Musikalität und SensibiIität diese wunderbaren Instrumente, Pianoforte, Flügel in allen Größen , wie ein Kunstwerk gestaltet  hat; ein Kunstwerk,  dessen Klang so betörend, verzaubernd intensiv  ist, daß man ihn nie wieder aus dem Ohr, dem Gefühl bekommt , sodaß man  sich immer und überall auf die Suche nach diesem Klang begibt.

Er muß auf seine Weise mehr als nur ein Handwerker und Geschäftsmann gewesen sein. Mich beschäftigte, je mehr ich in sein Leben und in seine Welt eingetaucht bin zunehmend die Frage: was war er für ein Mensch, welche Höhen und Tiefen seines Lebens haben ihn geprägt ? Er lebte fast ein Jahrhundert, von 1835 -1919.

Als er geboren wurde , herrschte der Staatskanzler Metternich und sein Spitzelschatten Graf Sedlnitzky, die Zensur machte aus Staatsbürgern mundtote Schattenwesen. Nach der Revolution von 1848 wurde aus der gemütlich- biedermeierlichen Stadt Wien rasant eine Großstadt , alles stand im Zeichen der industriellen Entwicklung. Als unsere Figur Ludwig Bösendorfer starb, war diese Welt, seine, Welt, brutal und gewaltsam zerstört worden, eine ganze Kultur untergegangen – der Erste Weltkrieg zerbrach nicht nur Staaten, er zerbrach vor allem Menschen.  

Dieser „Vogelflug“ über und quer durch die Ereignisse zwischen 1835 – 1919 gibt die Lebensfolie, die Kulisse, vor der und in der das Leben des Menschen und  Geschäftsmanns Ludwig Bösendorfer spielt,   des „Claviermachers“, wie er sich selbst immer nannte – der eigentlich ein Klangkünstler war, ein Zauberer der Klänge.

Lexikonartikel haben die unangenehme Eigenschaft aus Menschen Flachware zu machen; ich möchte mit meiner Zeitreise, aus dem Wissen heraus, daß ich zum Zeitpunkt des Erzählens schon das Ende kenne, den Menschen Ludwig Bösendorfer aus dieser lexikalischen, erzwungenen Zweidimensionalität befreien und ihm wenigstens ansatzweise ein gelebtes Leben mit allen Höhen und Tiefen geben.

Die Geschichte der Firma, die seinen Namen trägt, spielt nur am Rande mit, ist, wenn überhaupt präsent, bestenfalls Stichwortgeber.


Ich habe meine Zeitreise „ Musikalische Spaziergänge “ genannt, weil ich dem Leser nicht in strenger Chronologie die Geschichte eines Lebens erzählen möchte. Impressionen, Spotlights blättern die Lebensseiten auf, lassen Begegnungen, Ereignisse lebendig werden, auch für den Leser des 21- Jahrhunderts , der mit den besonderen Eigenheiten der Wiener Musiktradition nicht sehr vertraut ist. Musikalisch erdachte Episoden, Pausen, Erlebnisse statt einer starren Einteilung in Kapitel.

Damit diese „musikalischen Erzähl-Spaziergänge“ nicht zum Monolog werden,  habe ich mir einen  Begleiter gesucht, einen Gesprächspartner, einen ewig fragenden Erzähler als Kontrapunkt.


Ich bin ein Kind der Stadt, verbunden über lang und tiefreichende Wurzeln auch noch mit der untergegangenen Welt der Monarchie.  – Da stell ich mir vor, an Fronleichnam steht meine Mutter als kleines Mädchen mit langen dicken roten Zöpfen und einer großen Schleife im Sonntagskleid am Straßenrand und schaut dem Defilée der Prozession zu, unter all den zahlreichen Ehrengästen auch Ludwig Bösendorfer; und Großmütterchen flüstert ihrer kleinen aufgeregten Tochter zu: „Schau her da geht der Mann, der das Klavier gebaut hat, auf dem du spielst … “

Mein Erzählbegleiter ist kein Kind dieser Stadt, wenngleich er sie in ihrer Gegenwart ganz gut zu kennen scheint; ich habe ihn VB genannt – dieser  VB, dunkeläugig,  dunkelhaarig , mit einer  seltsam hohen, etwas geisterhaften Stimme,  erinnert mich an den kleinen Prinzen, „Le Petit Prince“ (Camus), der immer nur Fragen stellt, aber nie auf an ihn gestellte Fragen Antworten gIgnaz Bösendorfert; mein kleiner Prinz scheut vor menschlichen Abgründen, Empfindungen, Phantasien zurück, bleIgnaz Bösendorfert von ihnen unberührt und ungerührt – vielleicht rühren deswegen seine Fragen so oft an Unbewußtes. Er kommt mir vor wie ein Totengräber , der aus unergründlicher  Tiefe Dinge hervorholt, die man längst vergessen meint  – etwas anstrengend, ein wenig angenehmer, aber dafür sehr kreativer  Zeitgenosse und Begleiter.

Für diese Zeitreise müssen wir aber ein eingeschworenes Team bilden, mußte einiges zusammenpassen: Beide  klangverrückt, klavierbesessen  –  der Zufall hat uns zueinander gebracht,  als wir auf getrennten Wegen unterwegs waren, unterwegs auf der Suche „nach dem Zauber-Klang“.

Was uns aber im Tiefsten verbindet und aneinanderschmiedet:-  „ … wir haben unsere Kindheit in die Tasche gesteckt und uns damit auf und davon gemacht “ … nicht nur, aber auch um Ludwig Bösendorfer zu finden.



  • Für die Lit.angabe.

(William Shakespeare,  aus den „Sonetten“, entstanden zwischen 1595 -1605, Sonett 128, übers.v. Friedrich Bodenstedt, Bd.2, S.1046.

Shakeares Werke in zwei Bänden,hsg. u.eingel. von Irmgard E.Walter. 2 Bände. Salzburg , Bergland-Verlag um 1970)