Das kkk - ein ganz besonderes Theater in Wolfenbüttel

Aus Dagmar Saval Wünsche

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Es gibt immer wieder Überraschungen auch in der freien Theaterszene ... die kleinen Theater haben es besonders schwer, denn Sponsoren zu finden vor allem auf dem flachen Land ... es klingt ein wenig märchenhaft, wenn ich von diesem kleinen Theater erzähle, daß durch alle Wirrnisse der letzten rund fünfzig Jahre mit etlichen Schrammen zwar, überlebt hat zur Freude seiner Besucher. 

Es muß 1995 gewesen sein als ich mit Alexander Walewski, er ist das KKK, an einem sonnigen Spätherbsttag irgendwo in Westberlin in einer etwas ungemütlichen großen Halle ein ausführliches Gespräch geführt habe. Eine gemeinsame Freundin, Schauspielerin in München, hat uns beide zusammengebracht. Sie hatte vor Wochen einer Probe meiner Lesung des Briefwechsels Maria und Erwin Piscator beigewohnt und danach ihren Freund Alexander in Wolfenbüttel angerufen. 

Doch nicht von meinen Auftritten möchte ich erzählen, sondern mit zwei Rezensionen, die ich für das KKK geschrieben habe, diese ganz besonderen Atmosphäre vermitteln, die jeden empfängt, betritt er das kleine Theater.      

Ein weiß gekalktes Haus, an einer langen Ausfallstraße in Wolfenbüttel, heute ist es mit dem Bus erreichbar, mit einem kleinen Vorgarten. Ein schmaler Gang, dann öffnet sich die Tür zum Spielraum ... und der Besucher spürt sofort und unmittelbar - hier gibt es noch Theater , so wie es einmal angefangen hat ... unmittelbar, ohne technische Spielereien, die vieles vorgaukeln, und dem Theater nicht geben, was des Theaters ist - den unmittelbaren Kontakt, die "Interaktion" würde der Theaterwissenschaftler sagen, zwischen  den Brettern, die die Welt bedeuten und denen die sie mit ihrer Phantasie erschaffen.

Alexander Walewski liebt die Oper, und ganz besonders Puccini. 


„Vissi d’arte … „

Giacomo Puccini. Großer Opernabend mit Heidrun Klava, Alek Otto, Burkhard Bauche und Alexander Walewski


Die Operngala der besonderen Art im k(lein)k(kunstk(abarett), Wolfenbüttel.

Ein Bericht von Dagmar Saval, im Winter 2015


Die Ankündigung „Großer Opernabend“ im K(lein)K(unst)K(abarett), Wolfenbüttel machte mich neugierig; ich fuhr also von Dresden nach Wolfenbüttel. Neugierig, auch ein wenig skeptisch, was ich erleben würde, machte ich mich auf den Weg. Wann erlebt man in Zeiten des subventionierten Theaters, der überdimensionierten Events mit xxx Tenören – so fragte ich mich, dass ein kleines Privattheater den Luxus einer Operngala anbietet.

Erwartungsvoll betrat ich den mir von früheren Besuchen vertrauten Raum – ein Ballettsaal zum K(lein)K(unst)K(abarett) – an diesem Abend zum K(lein)K(unst)O(pernhaus) verwandelt. Schon das Ambiente vor der Vorstellung, kleine runde Marmortische, ein Sternenhimmel – das alles verwandelte den nüchternen Probenraum in eine südliche Landschaft, nur der blaue Vorhang erinnerte mich daran, dass ich im Theater war, das alles an diesem Abend Oper war. Nach dem Blick in das Programm: eine ganz opernübliche Umbesetzung. Statt Alex Otto sang ein junger koreanischer Tenor, Michele Ha, Braunschweig.

Alexander Walewski hatte die Moderation übernommen; er führte charmant und sachkundig durch das Programm, skizzierte Leben und Werk Puccinis wie einstmals der legendäre Marcel Prawy, bekannt als Mister Opera. Das musikalische Programm folgte der Lebenschronologie des 1858 in Lucca geborenen Komponisten Giacomo Puccini.

Es begann mit dem ersten großen Erfolg des Komponisten, mit „Manon Lescaut“(Turin 1893) und endete  mit „Turandot“ (Mailand 1926), der letzten von Puccini nicht mehr vollendeten Oper. Der Komponist war, während er am letzten Akt arbeitete an seiner schweren Krankheit, Kehlkopfkrebs, 1924 in Brüssel gestorben. Dazwischen spannte sich der Bogen von „La Bohème“, zu „Tosca“, „Madame Butterfly“, „La Fanciulla del West“, „La Rondine“, „Gianni Schicchi“ bis zu „Turandot“. Hervorragend die Auswahl der gesungenen Arien und Szenen, mit sehr viel Fingerspitzengefühl für die sparsamen – auch räumlichen - Mittel einer kleinen Bühne. Regie: Alexander Walewski. So wurde dem Publikum ein Programm geboten, das nicht das Schema der im Fernsehen oder bei teuren Events so beliebten Aneinanderreihung von Arien- Highlights bediente, sondern dem Konzept einer geschickt ausgewählter Abfolge sparsam angespielter Szenen folgte, die vielleicht deswegen besonders eindrucksvoll über die Rampe kamen. Die beiden Sänger agierten so harmonisch als hätten sie schon immer miteinander gespielt, miteinander gesungen. In den Duetten verschmolzen beide Stimmen dort ineinander, wo es Text und Partitur verlangten, trennten sich, standen einander gegenüber – wurden zum pointiert gut artikulierten Parlando. Die einzelnen Arien waren so ausgewählt, dass sie die Duette, die duettierten Gespräche abschlossen , weiterführten. Doch nun zu den Protagonisten:

Ich beginne – ladies first – mit Heidrun Klava. Die Sängerin verfügt über schöne, warme gut geführte Stimme, moduliert mit großer Sensibilität, phrasiert, auch an Pianostellen, immer mit voller Wortverständlichkeit. Sie  trat auf  mit der kapriziösen Eleganz der Manon, verwandelte sich in das verliebte Mädchen Manon, das dem Geliebten bedingungslos zu folgen bereit ist; war das arme Nähmädchen Mimi, das eigentlich Lucia heißt, mit etwas verschämter Koketterie. Sie stand als einsame Floria Tosca vor uns, die als Gebet der Tosca bezeichnete Arie „Vissi d’arte … “ gestaltete sie sehr zurückgenommen, ja verstört, - Folge ihrer Auseinandersetzung mit Scarpia, dem skrupellosen sexbesessenen Polizeichef von Rom, der von ihr das Äußerste fordert, - mit ihm eine Nacht zur Rettung des Geliebten zu verbringen.       

Nach der Pause die von ihrem Geliebten verlassene Geisha Butterfly  - verzweifelt, berührend der Abschied von ihrem Kind – „va!! gioca!!“ – ein letztes Aufbäumen, dann schickt sie den kleinen Jungen, der dankenswerter Weise die Rolle des Kindes übernommen hatte, mit einer herben, verzweifelten Geste, mit fast gebrochener Stimme von der Bühne, bevor sie Harakiri begeht. Es fogte das verliebte kleine Biest, die kokette  Lauretta, die ihrem Vater(A. Walewski) mit „O mio babbino caro“ so lange zusetzt bis er klein beigibt und in die Heirat mit Rinuccio einwilligt.   

Und der Tenor Michele Ha ?! Er war für den verhinderten Alek Otto eingesprungen. Er verwandelte die eher undankbare Rolle des „Einspringers“ mit leichter Hand und einer wunderbaren Stimme zu seinem ganz persönlicher  Triumph. Er eroberte im Nu sein Publikum -mit Bravour, tenoralem Schmelz und sängerischer Kraft, die vielleicht an der einen oder anderen Passage hätte etwas gedämpfter sein können, mit großer stimmlicher Präsenz – als Desgrieux, Rodolfo, Linkerton und zuletzt als Kalaf.

Michele Ha spricht ein ausgezeichnetes Italienisch, in den Dialogen, in den Solopartien fällt dies sofort auf. Man kann mühelos dem gesungenen Wort folgen, sodaß man an manchen Stellen meint – „das habe ich doch so noch nie gehört“ – weil es üblicherweise meist „verschluckt“ wird.   Die Stimme ist präzise geführt, sitzt – auch in den Kopftönen -hervorragend, „wackelt“ nicht – und um es kurz zu machen und um mich nicht in gesangstechnische Details zu verlieren, es sieht nach vielversprechender sängerischer Zukunft aus.  Wenn er sich als Rodolfo in Positur wirft – „sono un poeta“ – sein Sakko zuknöpft, erlebt man einen scheuen jungen Dichter, der sich spontan verliebt hat, Mimi unbedingt ins Café Momus ausführen will. Er krönt seine Liebe mit einem strahlend gesungenen hohen Schlußton. Der Abschluß dieses Abends war ihm vorbehalten, er sang das Solo aller Puccini-Soli „Nessun dorma“. Es wurde der triumphale Abschluß eines rundum erfolgreichen und künstlerisch voll gelungenen Abend.

Die einfühlsame, den Sänger unterstützende, führende und fordernde Begleitung des Pianisten Burkhard Bauche (er war auch der Korrepetitor), der sich auch gelegentlich leicht ironisch in die Conference einschaltete, gab dem Abend jenen touch, der aus einem(zwangsläufig) in Ausschnitten bestehenden Opernabend ein geschlossenes Ganzes werden ließ. Als ob es gar nicht anders sein könnte.

Da sage noch einer: in Wolfenbüttel ist nichts los! Dank dem kkk und seinem Direktor Alexander Walewski, der mit solchen Abende in Wolfenbüttel immer wieder für Sensationen sorgt.