Änderungen

Hermann Scherchen dirigiert Gustav Mahler

4.096 Byte hinzugefügt, 22:07, 12. Nov. 2021
keine Bearbeitungszusammenfassung
Hermann Scherchen, geboren in Berlin am 21. Juni 1891, als Sohn eines Gastwirts in Kreuzberg; er lernte erst Geige, dann Bratsche. Sehr bald folgten erste Engagements in den Kiez- Kneipen, die väterliche Kneipe wirft nicht genug ab für die Familie, der Sohn muß mithelfen die Familie zu ernähren.
1906 erschien die Partitur der 6. Mahler, die sich Scherchen sofort kauft und:
''Hätte Scherchen keine anderen Verdienste als die Wiedergabe des symphonischen Werkes Mahlers in meisterlich studierten Aufführungen, sein Wirken mußte in der Konzertgeschichte unserer Stadt bedeutsam bleiben. …. Seit Clemens Krauss Abgang ist es um Mahlers Symphonien recht still geworden … Die Aufführung, völlig erfüllt vom Geiste des genialen Werkes, hatte technische Vollkommenheit, tiefe und einen unnachahmlichen Zug ins überdimensionale. Mochte man vielleicht in Einzelheiten des Orchesterklanges noch Wünsche haben, etwa stärkere Besetzung und größere Fülle des Streicherkörpers, weichere Rundung des Hörnerklanges, als Gesamtleistung war diese Aufführung so schön, daß man ihrer nur mit aufrichtiger Bewunderung und Dankbarkeit  gedenken kann. …''
 
''28)  Das Konzert wurde abgesagt wegen der Rede des Bundeskanzler  Kurt Schuschnigg zur geplanten Volksabstimmung am 11.3.1938; es wurde auf den 18.3.1938 verschoben.''
 
SCHLUSSBEMERKUNG
 
 
 
Hermann Scherchen ist in der Literatur der Mahler-Rezeption kein Unbekannter  mehr – wie er es noch 1986 war. Hinzufügen möchte ich, daß ich die Mahler-Dirigate für die Jahre nach 1945 auf Wien eingegrenzt habe, was nichts darüber aussagt, wie oft und wie viel Scherchen Mahler dirigiert hat. Da er seinen Arbeitsschwerpunkt – aus unterschiedlichen Gründen weitgehend nach Übersee, speziell nach Lateinamerika verlagert hatte, gibt es zwar eine ungefähre Vorstellung der dirigierten Programme, aber noch nicht ausreichend Material um darüber zu berichten. Wichtigste Quelle bleiben immer noch die Briefe, die er von seinen Reisen an seine Frau Pia geschrieben hat und die auszugsweise publiziert vorliegen. 1)
 
Meine, zugegeben, sehr kursorische Dokumentation und Darstellung des Dirigenten Scherchen,  denn das Gesagte gilt selbstverständlich auch für seine Mahlerinterpretation, versucht herauszukristallisieren, wo seine Stärken lagen, was seine „Schwächen“ waren. Wesentlich aber bleibt: Scherchen wollte nicht nur Musik aufführen, er wollte Menschen, seine Hörer, ob im Konzertsaal, am Radio in das Wesen der Musik hineinführen. Dafür setzte er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten ein: Vorträge, Einführungen, Schriften, Arbeitstagungen – und als Summe aller seiner Intentionen - Konzerte.  Mit den Worten von Jens Malte Fischer möchte ich diese Annäherung an „Scherchen dirigiert Mahler“ schließen: 
 
 
''… Hermann Scherchen, …, hat bis auf die Sechste 2)alle Symphonien irgendwann eingespielt oder mitschneiden lassen, … . Scherchens Mahler verblüfft durch energisch durchgepeitschte  Muskolosität, da rutscht nichts in Harmlosigkeit oder Nettigkeit ab, da ist alles tiefernst, stürmisch (mit teilweise allzu rasanten Tempi) und emphatisch: Wo jedoch Zeit zum Atmen und Ausschwingen sein müßte, da vergewaltigt Scherchen Mahlers Musik durch seinen grimmigen Ausdruckswillen.  …  als eine extreme Lesart immer aufregend. …''
 
'' ''
 
''1)Anmerkung:''
 
''Hermann Scherchen, Das „zweite Leben“ ''in Briefen, ausgew. und eingel. von Dagmar Wünsche. In: Hermann Scherchen, Musiker. 1891 -1966, Berlin 1986, S. 125ff.
 
Die im Nachlaß überlieferten Briefe an die Komponistin Xiao Shusien, Scherchens vierte Frau, für die Jahre 1936-1950 und an Pia Andronescu-Scherchen sind noch gesperrt.
 
 
2)Anmerkung
 
Jens Malte Fischer, S. 887f.
 
Scherchen hat in Leipzig folgende Konzerte mit Mahler dirigiert:
 
23.1. 1921 – III. Symphonie; 20.2. 1921 – V. Symphonie;
 
12.9.1921 -  VI. Symphonie; 18.9. 1921 – IX. Symphonie
 
 
 
 
 
DANKSAGUNG
 
Viele ehemalige Kollegen haben mich mit Rat und Tat unterstützt: in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek wie auch im Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Bei ihnen allen möchte ich mich sehr herzlich bedanken.
 
Des weiteren gilt mein Dank der Archivarin Frau Petri vom ORF, Dokumentationsarchiv  für die Angaben zu den Radioprogrammen 1932, dem Archivar Herrn Hermann in der Ratsschulbibliothek, Zwickau für den Nachlaß Georg Göhler.
 
Meinen besonderen Dank spreche ich Myriam Scherchen aus, die mir – jahrelang freundschaftlich verbunden wie auch René Trémine – mit vielen weiteren Hinweisen geholfen hat und die Zustimmung zur Veröffentlichung der Texte ihres Vaters erteilt hat.
 
 
 
Dagmar Saval
 
 
 
Wien, im Oktober 2015
 
 
Nachwort
 
 
Im Oktober 2015  übergab ich diesen Text der Mahlergesellschaft, auf deren Wunsch und Anregung er überhaupt geschrieben wurde. – was dann folgte hatte Nestroy’sche oder Kafkaeske Dimensionen – je nach Sichtweise – von heller Begeisterung, Zustimmung – und jetzt tritt Kafka auf: und der erste Wächter schickte B. zum zweiten und so fort. Ich verlor jedes Interesse an einer Publikation und zog den Text zurück. Abgelegt, vergessen, bis er mir vor einiger Zeit wieder in die Hände fiel - weil ich umgezogen war.   
 
Ich halte auch 2021 immer noch für lesenswert-informativ, darum stelle ich ihn auf meine website.
 
 
Berlin, im November 2021
 
 
 
 
 
''' '''