Arthur Kahane, Lebenslauf

Aus Dagmar Saval Wünsche

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Arthur Kahane

1872, 2.Mai. Geburtsort: Jassy, Königreich Rumänien. Eltern: Salomon /Bernhard Kahane,     Jassy 1840 – Wien ? Mutter: Amalie Golde Meisels, Krakau 1839 – Wien 1914

              Geschwister: Max (Ingenieur), Frieda, verehel. Winter

              (lt. Traueranzeige in der NFP 5.6.1914, Enkel und Urenkel sowie Schwiegerkinder:  Geza Winter, Paula Kahane (geb. Ornstein).

               Jassy,'' Rumänien, liegt 20 km westlich der Grenze zur Republik Moldau und rund 400 km nördlich von  Bukarest. Dieser ganze Landstrich war seit Jahrhunderten Schauplatz unzähliger Kriege Russen, Türken/Osmanen, bis die Truppen der Habsburgermonarchie dem Landstricht etwas Beruhigung  brachten. Relativer Friede kehrte erst ein mit der Errichtung des Königreich Rumänien 1859.

              In alten Aufzeichnungen kann man lesen: Jassy liegt am Saum des Orients, ein Ort an dem asiatischer  Luxus, morgenländischer Reichtum verschmolzen mit europäischen Sitten das zumindest kann man  von der herrschenden Oberschicht erzählen. Die Mehrheit der Vielvölkerstadt Jassy, ashkenasische Juden,  lebt  am Existenzminimum, mit einer relativ gut betuchten bürgerliche Mittelschicht.  Von               dieser ostjüdischen Geschichte in Jassy gibt es kaum noch Spuren, Es ist das Resultat des Rassenwahn  des Dritten Reichs.

              1853 Handbillet Kaiser Franz Josef regelt die staatsbürgerlichen Verhältnisse der k.k.Monarchie; es  bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Gleichstellung der jüdischen Minderheit. De facto  erstreckt sich der Prozess der Gleichstellung  bis zu dem Gesetz vom 25.Mai 1868.

              In der Folge setzte eine verstärkte Einwanderung, vor allem aus dem Osten der Monarchie nach Wien ein.

              1870 wurde die Eisenbahnlinie Lemberg- Czernowitz gebaut und damit erhielt die Stadt Jassy Anschluß und Bahnhof an das Eisenbahnnetz.  Und hatte Signalwirkung. Auswanderung ist das Ziel der  Bewohner, der Fluchtpunkt dieser Auswanderung ist die k.u.k. Residenzstadt Wien. Blättert man ein wenig im „Lehmann“, dem Wiener Adressverzeichnis, kann ab ungefähr 1870 die Häufung ostjüdischer       Namen für die „Mazzesinsel“ (d.i. die Leopldstadt, die Insel zwischen Donaukanal und Donau) sowie  für Teile des 3. Wiener Bezirks Landstraße (östlicher Abschnitt) nachlesen. Bei der Durchsicht des  Wiener Adressverzeichnis „Lehmann“ wird  für 1872 kein Name „Kahane“  verzeichnet, ab 1873  werden mehrere Kahanes (Kahane ist ungefähr so „selten“ Maier oder Müller, abgeleitet von Kohn) genannt, aber kein Salomon.


              In verschiedenen Nachschlagewerken,  wird für Arthur Kahane Wien als Geburtsort angegeben.

              Die Akte „Schriftsteller Arthur Kahane“, 1901/1902 nennt zweifelsfrei Jassy als Geburtsort; beil. ein         Schreiben aus Wien, Aktz.Z858b.f.a., Wien,  am 26.November 1901: … Arthur Kahane, 1872 zu Jassy in      Rumänien geboren ….      

              Landesarchiv Berlin, A Pr.Br.Rep.030,Tit.94, Nr.11231.

              Lt. Berliner Akte ist Arthur Kahane konfessionslos und wohnte zwischen 1884 -1892 bei seinem Vater ,   den die Berliner Polizeiakte als „Börsenbesucher“  Bernhard Kahane bezeichnet.

               Ab 1873 sind im „Lehmann“ mehrere Kahanes genannt, darunter  ein Bernhard Kahane.

              1884 S. Bernhard Kahane, wohnhaft Wien III, Eßlinggasse 16 [ dieser Teil des 3. Wiener Gemeindebezirks gehörte traditionell zu den von den Wiener Juden, die finanziell besser gestellt waren)   bewohnten Stadtteilen, das gilt auch für die 1890 genannte Adresse in der Praterstraße 56]

               1890 gibt es einen Eintrag: S.[alomon] Bernhard Kahane , wohnhaft in der Praterstraße 56, Wien      Leopoldstadt, der in den folgenden Jahren mehrmals umzieht, immer als „Börsengeher“               (Börsenmakler wäre die heutige Definition) bezeichnet wird.

              Nach dem Bericht/Nachruf zum 100. Geburtstag seines Vaters, von Ariel Kahane, war die Familie   wohlhabend.

 Es folgen die Schuljahre bis 1890, Matura am Akademischen Gymnasium, Wien Innere Stadt, Beethovenplatz

               Das Akademische Gymnasium, Beethovenplatz 1, Wien Innere Stadt.

              Das Akademische Gymnasium, ein humanistisches Gymnasium mit Latein und Griechisch als      Pflichtfach,  ist die älteste Schule der Stadt Wien (seit 1555); ein  Ausbildungsort von hoher Qualität             und hohem Anspruch.

              Besichtigt man die Innenräume der Schule oder schlendert an der Fassade des neugotischen Bauwerks   am Beethovenplatz entlang, dann findet Gedenktafeln, bei deren Lektüre der Eindruck entsteht, man               blättert in einer Enzyklopädie. 

              Ich greife – aus dem Lehrplan - etwas willkürlich heraus:

              Der Religionsunterricht für drei Konfessionen: Katholische Konfession lateinischer Herkunft,      evangelische Konfession, helvetisches Bekenntnis sowie Israelitischer Konfession.

               Ab der 1. Klasse  wurde Latein und Griechische, eine lebende Fremdsprache (Französisch oder Englisch   ab der 3.Klasse )               unterrichtet.

              Für alle Sprachen galt der Lehrplan wie für die deutsche Sprache: Literatur, Geschichte usw.

              Grammatik, Hausarbeiten und Redeübungen wurden in einem engen zeitliche Rhythmus abgehalten,     dazu kamen die Abschlußprüfungen der Semester, bzw. des Schuljahres 

              Für sämtliche Fächer gibt es präzisen Angaben der verwendeten Lehrmittel sowie die Titel der            schriftlichen Aufgaben (Hausarbeit, Schularbeit usw.) der Redeübungen. Dieser kleine Einblick in eine            umfassende Ausbildung sollte genügen.

     Schuljahr 1889/1890: Arthur Kahane  wird namentlich genannt; nicht aber für die Jahre davor; Externisten waren zugelassen, mußten die erforderlichen Prüfungen im Gymnasium ablegen. Für die Externisten gibt es eine Statistik, aber keine namentliche Erwähnung.

Dagegen wird die Religionszugehörigkeit zahlenmäßig erfaßt. Der Lehrplan bietet (u.zw. sehr umfangreich) Religionsunterricht an für : lateinische-katholisches Bekenntnis, evangelisches helvetisches Bekenntnis, isrealitisches Bekenntnis (ab 1886 Institutionalisierung der Jüdischen Gemeinde als „Israelitische Kultusgemeinde“).

Matura

Studium der Literatur und Philosophie an der Universität Wien, Abschluß als Dr.phil.

 1891 Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde.

               In dem 1930 veröffentlichten Titel  „Das Judenbuch“ begründet Kahane seinen Austritt: er lehnt               Religion an sich ab; betrachtet sich als Dissident aus dem Judentum.  In diesem Buch nimmt er eine sehr kritische Stellung ein zu Fragen der Assimilation, des  Zionismus.

 1894 hält sich Kahane in Zürich auf als Teilnehmer einer Anarchisten - Demonstration;

er wird ausgewiesen (Meldung in der Salzburger Chronik, 12.Feb.1894. Er wird als „Wiener, stud.phil.“  bezeichnet; sowie auch in der Berliner Akte).

1899 wird Arthur Kahane in einem Prozess gegen Karl Kraus zu einer Geldstrafe verurteilt; Kraus hatte in einem Artikel in der Fackel, , Nr.4, das Theaterstück von Oscar Friedmann

„ Das Dreieck“, gnadenlos verrissen.

              Wie so oft, mußte Kraus Schläge einstecken. Das erste Mal als er den Franz Moor („Die Räuber“,     Friedrich Schiller) 1893 auf der Bühne des Rudolfsheimer Volkstheater spielte; er war so schlecht, daß     ihn ein Zuschauer anschließend verprügelte. Reinhardt spielte damals den  Spiegelberg)

Kahane war mehr oder weniger unbeteiligter Mitläufer bei der Friedmann Aktion. Der Prozess wurde von einer umfangreichen Berichterstattung in den Wiener Tageszeitungen begleitet. Zu den zahlreich geladenen Zeugen gehörte auch Hermann Bahr.

 1901, 27. September, Arthur Kahane wird als in Berlin ansässig gemeldet; es wird aber nicht erwähnt, ob er verheiratet ist.  

Landesarchiv Berlin, A Pr.Br.Rep.030,Tit.94, Nr.11231., pag.2 ff.

 Paula Kahane, geborene Ornstein, Schwester von Richard Oswald (1880-1963), eigentlich Ornstein,  Filmregisseur und Filmproduzent.

 Paula Ornstein wurde 1874 in Wien geboren, wie Arthur Kahane stammt sie aus einer strenggläubigen jüdischen Familie.  Der Vater war Kaufmann.

Heirat: Datum fehlt

1940/41 Einwanderung aus Palästine, zieht nach Urbana/Illinois zu ihrem Sohn Henry und dessen Frau René

Sterbedatum: 1960

Das Ehepaar Kahane hatte drei Söhne:

              Heinrich Romanos/Henry Kahane, Berlin 1902 – Urbana/Illinois 1992, Romanist

              Peter Kahane, Berlin 1904 – Basel 1974, Archäologe

              Ariel/Anselm Kahane, Berlin 1907 – Jerusalem 1896 , Architekt und Landschaftsplaner

               Verschiedene Unterlagen ergaben:  Paula Kahane verließ Berlin nach der Machtergreifung Richtung              Palästina (möglicherweise gemeinsam mit ihrem jüngsten Sohn, der Zionist war und 1934 nach         Palästina ausgewandert ist) ; nach der Vita Henry Kahane kommt Paula Kahane 1940 in die USA.

              Sie reicht bei Paul Kohner ein Filmskript ein, 1942, das aber als nicht verwertbar wieder   zurückgeschickt wird. Möglich, daß es aus dem Nachlaß Kahane stammte.

              Verschiedene, nach 1933 publizierte Artikel sind bezeichnet: aus dem Nachlaß Kahane.

              Wo sich der Nachlaß Kahane heute befindet, ob es überhaupt noch einen Nachlaß Kahane gibt, bleibt           zu recherchieren.

 1902, 1. Oktober beginnt Arthur Kahane die Tätigkeit als Dramaturg und Direktionsassistent  am Kleinen Theater und am Neuen Theater;  in den folgenden Jahren (bis 1932) bleibt er Dramaturg der Berliner Reinhardt-Bühnen .

Während seiner Tätigkeit an den Reinhardt-Bühnen schreibt Arthur Kahane zahlreiche Artikel, Feuilletons und Bücher. Als er 1932 stirbt , hinterläßt er ein unvollendetes Manuskript  „Die Unzeitgemäßen“, das wie die meisten schriftlichen Unterlagen als verloren gilt.

1903, Berlin –Schöneberg, Menzelstraße 11 (d.i. in Friedenau), mit dem Vermerk: Schriftsteller

1931, Berlin NW, Levetzowstraße 9, mit dem Vermerk: Schriftsteller, Dramaturg

1932 , 7.Oktober, stirbt Arthur Kahane an den Folgen einer Lungenentzündung