Scherchen, Link zu den Anmerkungen
Aus Dagmar Saval Wünsche
Anmerkungen
Anmerkungen zur Einleitung
- 1) Luigi Nono, (1924 – 1990), Komponist und Schüler von Hermann Scherchen
Hans Ulrich Schmückle, (1916 – 1993), Bühnenbildner; u.a. Zusammenarbeit mit Scherchen bei „Idomeneo“(Mozart), Neapel Teatro San Carlo 10.3.1962.
2) Giselher Klebe, Komponist, (1925 – 2009). Giselher Klebe, Vorwort. In: Hermann Scherchen. Musiker,1891 -1966. Berlin 1986, S. 3
3) Die lückenhafte Überlieferung des Nachlasses hat historische Ursachen. Scherchen hat oft den Wohnsitz gewechselt, jeder Umzug bedeutete „Ballast abwerfen“. Wirklich seßhaft wurde er erst ab 1954, aber auch aus dieser Zeit ist das Material eher lückenhaft überliefert. Locker formuliert, er ging nicht besonders sorgfältig mit seinem zukünftigen Nachlaß um; ein übriges trugen die Umstände bei, die dazu führten, daß das Nachlaßmaterial Scherchen erst 1974 auf Betreiben von Luigi Nono und Hans Ulrich Schmückle aus dem verlassenen Grundstück (nach dem Tod von Pia Scherchen 1968) in Gravesano in das Archiv der Akademie der Künste, Berlin gebracht werden konnte.
Hermann Scherchen war fünfmal verheiratet: mit Pauline/Paula Ristenpart, Auguste Jansen, Gerda Müller, Schauspielerin, Hsiao Shushien, Komponistin, Pia Scherchen
4) Klemm, S. 28f. : 7. Mahler: Am 24.1.1911, UA, erstmals vollständig in Berlin, dirigiert von Oskar Fried. Vgl. Lucchesi, S. 161 f.
5) Lucchesi, S. 155f.
6) Georg Göhler, 1874 -1954, Komponist, Dirigent, Musikschriftsteller; als Chordirigent leitete er in Leipzig den Riedel-Verein. Er setzte sich für die Kompositionen Anton Bruckners ein, gehörte zum Kreis der Förderer der Musik von Gustav Mahler. 9.1.1914: Göhler dirigiert die letzte (sogen. Neu)Fassung der V. Symphonie, die Mahler kurz vor seinem Tod vollendet hatte. Der Nachlaß (u.a.mehr als 23.000 Briefe) wird in der Ratsschulbibliothek, Zwickau verwahrt.
Blüthner-Orchester, 1907 in Berlin gegründet, ab 1925 Berliner Sinfonie-Orchester, heute Konzerthausorchester Berlin. Benannt nach dem Sponsor „Julius Blüthner Pianofortefabrik “, 1853 von Julius Blüthner in Leipzig gegründet. Gespielt wurde im „Blüthner-Saal“ des Klindworth-Scharwenka-Konservatorium, Genthiner Straße 11 , Berlin-Tiergarten.
Riedelverein, Gesangsverein für geistliche Musik, Leipzig, gegründet von Carl Riedel (1827 -1888), Kapellmeister und Komponist, Pionier mit Aufführungen vor allem der Bach’schen Chormusiken. Mitbegründer des A(llgemeinen)D(eutschen)M(usik)V(erein)
7) Klemm , S. 21f.
8) Schönberg lebte zwischen 1911-12 in Berlin. Albertine Zehme (1857-1946), Diseuse und Sopranistin, gab die Anregung zur Vertonung des Textes von Albert Giraud.
9) Klemm, S, 37:Das zweite öffentliche Konzert: 18.3.1914 mit J. Haydn, Symphonie 103, W.A. Mozart, Les Petits Riens, und A. Bruckner, 9. Symphonie.
Die Folge - ein Engagement als zweiter Dirigent nach Dubbeln (Lettland) mit dem Symphonischen Orchester Riga.
10) Klemm, S. 71 ff. Wjatka: eine kleine Stadt(40.000 Einwohner) im Ural
Dirigieren, lehren forschen
11) Grotrian-Steinweg Orchester: auf Initiative des Leipziger Konzertverein gegründet 1920, finanziert von der Klavierbaufirma Grotrian – Steinweg, Leipzig. Scherchen übernimmt im selben Jahr die Orchesterleitung; die dauerhafte finanzielle Absicherung des Orchesters bedeutete das nicht. Das Orchester muß um seinen Erhalt finanziell zu erreichen populäre Konzerte spielen, im Palmengarten, im Leipziger Zoo usw. Die Inflation von 1923 tut ein übriges; das Ensemble löste sich auf.
12) 1924 leitete Scherchen sein erstes Rundfunkkonzert, Arnold Schönberg steht auf dem Programm. Scherchen eignete sich – autodidaktisch – umfangreiches technisches Wissen über das neue Medium Rundfunk an , beschäftigte sich mit Fragen der Akustik – das ging so weit, daß er sich immer wieder aktiv mit Lösungsvorschlägen einschalten konnte.
13) Winterthur: Das Orchester besteht zunächst aus Amateuren; Scherchen ergänzte das Orchester durch das Engagement professioneller Musiker und formte es zu einem professionellen Klangkörper. Das gespielte Programm reichte von schweizerischer Barockmusik bis zu zeitgenössischer Musik.
14) Klemm, S. 51f. Nach Recherchen in der Münchner Stadtchronik konnte das Konzert nicht festgestellt werden, weder mit Kritiken noch mit Programmen. Das bedeutet aber nicht, daß das Konzert nicht stattgefunden hätte; es könnte sein, daß die Behauptung des Kritikers Alexander Berrsche(eigentlich Lösch, 1883-1940), Musikschriftsteller, Musikredakteur der Münchner Zeitung zutrifft, - wie es auch Scherchen berichtet - es würden keine Rezensionen über das Scherchen - Konzert erscheinen. Er erklärte Scherchen, Grund wäre dessen Konzert in Hamburg gewesen, das er – Scherchen - im roten Pullover dirigiert haben soll mit propagandistischem Inhalt. Scherchen hatte zu diesem Zeitpunkt kein Konzert in Hamburg dirigiert; derartige Machinationen waren Teil der NS-gesteuerten Diffamierungscampagnen (die lange vor der „ Machtergreifung“ begannen), nicht nur gegen Scherchen.
15) Klemm, S. 52f. Am 22. August 1932 dirigierte Scherchen in der RAVAG ein Funkkonzert mit dem Wiener Sinfonieorchester/Wiener Symphoniker/. Auf dem Programm stand: Rudolf Mengelberg, Sinfonische Variationen für Violoncello und Orchester, EA, Solist: Rafael Lanes und Gustav Mahler, IX. Symphonie.
Wenig später dirigierte er im Rahmen einer Arbeitstagung mit Absolventen der Musikschulen ein sogen. Studio-Konzert; anzumerken wäre, daß in den Rezensionen immer auf ein erstes Konzert hingewiesen wird, zu dem – bis jetzt - keine Unterlagen auffindbar sind.
Wien, Orchesterstudio-Konzert im Großen Saal des Wr. Konzerthauses:
31.1.1933
Beethoven, Große Fuge B-Dur
Strawinskij, 1.Klavierkonzert, Solist Jakob Gimpel
Mahler, Adagio aus der X. Symphonie /Fassung Krenek
Dirigent: Hermann Scherchen
NEUE FREIE PRESSE, gez. I., Nr. 24566, 2.2.1933
… Von einem kleinen Kreis auf den Schild gehoben, hat Hermann Scherchen, der ehemalige Königsberger Rundfunkdirigent, mit einem Orchester, das sich im wesentlichen aus jungen Absolventen der großen Wiener Musikschulen zusammensetzt, nach einem ersten, weniger geglückten Versuche ein zweites Konzert veranstaltet … den Willen zu interessanter Programmbildung ebenso überzeugend dokumentierte wie den Mut, mit weniger erprobten Kräften an schwerste Aufgaben heranzugehen. Die Dirigiertechnik Scherchens hat viel Gewaltsames und den Verzicht auf den Taktstock möchten wir nicht gerade für eine Errungenschaft halten; er ist übrigens ebensowenig neu wie die Orchesteraufstellung (erste und zweite Violinen links, Celli rechts vom Dirigenten) und die zur Verbesserung der Akustik angebrachte Wandverkleidung. ...
Die Aufführung ließ an das, noch unter dem Eindruck dieser Reinheit, wohl auch an Exaktheit in den exponierten Partien manches zu wünschen übrig. Wir würden das, noch unter dem Eindruck dieser Musik und der glühenden Begeisterung stehend, mit der die jungen Leute im Orchester bei der Sache waren, nicht hervorheben, wenn nicht gerade Scherchen als das Muster eines Genauigkeitsfanatikers und Einstudierers mit ostentativer Beflissenheit gegen andere Wiener Dirigenten ausgespielt würde.
16)Zu den Arbeitstagungen:
1933 Straßburg, 193 8 die sechste und letzte in Braunwald/Schweiz. Das Programm dieser Tagungen: jungen Musikern die Möglichkeit der Begegnung mit Musik zu bieten, die in Deutschland verfemt wurde, diese zu studieren, Künstlern zu begegnen, die in Deutschland nicht mehr auftreten durften – in einem Arbeitsklima ohne jede Einschränkung, politischer Repression usw.
17) Lucchesi, S.35
18) Darmstädter Ferienkurse: Scherchen kommt in Kontakt mit der jungen Musikergeneration des deutschsprachigen Raums.
19) Seit Scherchen 1944 als Leiter der Musikabteilung von Radio Beromünster ernannt worden war – eine Ernennung, die vonseiten der deutschschweizerischen rechtspopulistischen Presse heftig angegriffen wurde – schwelte dieser Konflikt, der dann mit dem Basler Vortrag von 1950 voll zum Ausbruch kam und zu Scherchens Entlassung aus allen öffentlichen Schweizer Ämtern führte. Scherchen war nicht der einzige, der solchen Angriffen ausgesetzt war; fast ist man versucht zu sagen, sie waren für die in die Schweiz niedergelassenen Exilanten Alltag zwischen 1933-1945.
20) Klemm, S. 63f.; Manfred Krause, Das Gravesaner Studio und seine Austrahlung. Erinnerungen eines Außenseiters. S. 116ff. sowie Abb. S. 114 und S. 115 In: Hermann Scherchen. Musiker 1891-1966. Berlin 1986
Der Dirigent
1)Klemm, S. 169, Lucchesi, S. 16
Scherchen in seinem Bericht aus den Jahren seiner russischen Gefangenschaft; Spiegelbild der Erfahrungen seiner täglichen Realität als Musiker, Lehrer und Überlebenskünstler in Zeiten des Mangels. Es wird zu seinem Arbeitsmotto.
2) Lucchesi, S. 154: Scherchen, Mein erstes Leben:… ich höre an einem Sonntagvormittag die III. Symphonie von Mahler ..
3) Lucchesi, S. 161f.
Oskar Fried (1871 -1941), Dirigent und Komponist
Berliner Philharmonisches Orchester
4) Scherchen war als Bratschist von 1907 - 1912 im Berliner Philharmonischen Orchester engagiert; 1918 spielt er nach der Rückkehr aus der russischen Gefangenschaft wieder im Berliner Philharmonischen Orchester.
5) In: Arnold Schönberg, Briefe. Ausgew.u.hg.v.Erwin Stein. Mainz 1958, S. 44
6) Freie Deutsche Bühne, Berlin 1919/20, 1. Jg., H. 1, S. 446 ff.
Die Zeitschrift „Freie Deutsche Bühne“ gehört wie der „Sturm“, die „Aktion“ zu den vielen Zeitschriften des Expressionismus.
7) Lucchesi, S. 162.
Scherchen schrieb seine autobiographischen Aufzeichnungen um 1960. Das inhaltlich Wesentliche daran sind die Überlegungen zu den musikalischen Bausteinen Mahlers.
8) Die Wurzeln des „Expressionismus“ sind vielschichtig; Nietzsche steht am Beginn dieser Kunstepoche; die „O Mensch“ – „Schrei in die Welt“ – Attitüde, wurde wie ein Etikett dem Expressionismus „aufgeklebt“, trifft das Wesentliche – bedeutet: Revolte.
Man findet nur selten in den Schriften Scherchens konkrete Bezüge zur Kunstentwicklung seiner Zeit; dagegen finden sich in seiner Sprache viele zeittypische Ausdrucksformen, auch in privaten Äußerungen - wie z.B. Übersteigerung des Ausdrucks, bis hin zur Atemlosigkeit, Verkürzungen … Merkmale des/r (Sprache) Expressionismus.
9) Leipzig, Grotrian Steinweg-Orchester, Chorleitungen usw., mit Mahler – Vorträgen, von denen allerdings nur noch die Ankündigungen und Rezensionen vorhanden sind.
- a. Thomas Schinköth, Hermann Scherchen in Leipzig 1920 – 1930
In : Das Orchester, Nr. 7-8, 1996, S. 11
10) Winterthur:
Das Stadtorchester wurde 1875 gegründet, den Vertrag schloß Scherchen mit dem Musikkollegium Winterthur (gegr. 1629).
Die Verbindung zu Werner Reinhart und Winterthur hat Ernst Georg Wolff (1883-1962), Schweizer Komponist und Schönberg-Schüler, 1912, hergestellt. Wolff war ein Jugendfreund von Werner Reinhart; in einem Brief vom 4.4.1916 an Reinhart erzählt Wolff, daß Scherchen, der in der russischen Gefangenschaft Briefe erhalten konnte und sich selbst finanzieren mußte(!) für sein Überleben dringen 300 Mark benötige; die könnten ihm über Wien nach Wjatka geschickt werden. In einem späteren Brief berichtet Wolff auch davon, daß Scherchen komponiere und Musikunterricht erteile.
Zit. nach Lucchesi, S. 255, Anmerkung 5
Vgl. Anmerkung 19, Scherchen-Biographie
11) Th.W.Adorno, Drei Dirigenten, Musikblätter des Anbruch, Wien 1926, H. 7,
- 315ff.
Es werden drei völlig unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten analysiert: als Rettung: Wilhelm Furtwängler, als quasi statische Darstellung: Hermann Scherchen, als visionäre Beschwörung: Anton Webern.
Adorno hatte an der Frankfurter Universität u.a.auch Musikwissenschaft studiert, und sich 1924 dem Kreis der Zweiten Wiener Schule angeschlossen.
Bekanntschaft mit Alban Berg anläßlich der UA der „Drei Bruchstücke für Gesang und Orchester aus Wozzeck“ in Frankfurt/M., 15.6.1924, Scherchen dirigierte die UA.
Das eher außermusikalische Porträt von Elias Canetti nachzulesen in:
Elias Canetti, Das Augenspiel, München, Wien, 1985, S. 49 f.
12 )Paul Stefan, eigentlich Paul Stefan Grünfeld (1879 – 1943), Musikkritiker und Musikschriftsteller,
Zit. „Musikblättern des Anbruch“, Oktober 1932, H. 8, S. 184f.
und Fragment im Nachl. HSCH Nr.391
13) Henry-Louis La Grange (1924 -, lebt in Paris), Musikwissenschaftler, Mahlerbiograph
Zit. : Bouclet TAHRA 497/498, 2003: 3. Symphonie und 10. Symphonie, Adagio, Leipzig 1960
14) Harry Goldschmidt (1910-1986), Musikwissenschaftler
In: Festschrift Goldschmidt, S. 397
15 ') Lt. Metzger, S.238
16) Lucchesi, S. 190. Frankfurt, 23.3.1923: Scherchen dirigierte die Symphonie Nr.3,
d-moll von Gustav Mahler in den Museums-Konzerten
17) Lucchesi, S. 225ff.: Die Kunst des Dirigierens
18) Der „Idomeneo“ wurde auf 1 ½ Stunden reduziert !
vgl. den Vortrag von Scherchen auf der Tagung des ITI, Berlin, 11.12.1962: Dramaturgie und Regie der Oper, publiziert in: Hermann Scherchen. Musiker. 1891-1966., s. 103f.
19 ) Einschränkend nur für Konzerte, denn bei Plattenaufnahmen ist bekannt, daß es sich dabei um technische/ökonomische Zwänge handelte
20) Scherchens ästhetische Akustikvorstellungen haben ihre Wurzeln in seiner Beschäftigung mit dem „Vater“ der Akustik, dem Physiker Joseph Sauveur (1653-1716).
In „Die Kunst des Dirigierens“ spricht sich Scherchen für eine umfassende und tiefgreifende Kenntnis der Partitur aus, die auch in aufführungspraktische Details reicht, … besitzt der Interpret eine vollkommene Technik, so ist die erste Bedingung zur Klangwerdung des vom Komponisten angestrebten Klangleibes gegeben. Er muß aber mehr sein: ein wirklicher Reproduzent des durch ihn überhaupt erst erklingenden Kunstwerkes, ein Künstler, dessen eigenschöpferische Spannweite es erlaubt, mit der Idee identisch zu werden. …
Zit. Lucchesi, S. 225 f.?
Das MUSICA VIVA Orchester 1937/38
21) s. Scheit, S. 90 ff., besonders das Kapitel: Willi Reich, Ernst Krenek, Theodor W. Adorno, Hermann Scherchen – Mahler und die Moderne im Ständestaat.
22) Scherchen trifft Alma Mahler 1937 in Wien, (dazu vgl. Elias Canetti, Das Augenspiel, S. 50 ff., die erste Begegnung mit Alma Mahler dürfte schon 1932/33 gewesen sein, vor der Erkrankung Manons, + 1935)
Verein der Musicophilen':
Ehrenpräsidentin war Alma Mahler, das Comité, das das Projekt „Musica Viva“ unterstützte, setzte sich zusammen u.a. aus: Adolf Busch, Pablo Casals, Gerda Busoni. Rolf Liebermann trug zur Finanzierung des Orchesters ebenfalls bei.vgl. Klemm, S. 56f.
Als eine weitere Mäzenin wird Tona Sheppard (auch Shepperd geschrieben) genannt. Sie war Präsidentin der Amerikanischen Sektion der ‚‚Freunde der Salzburger Festspiele“. Auskunft von Myriam Scherchen: ihre chinesische Schwester Tona, Komponistin, erhielt aus Verehrung und Dankbarkeit für die Unterstützung den Vornamen Tona.
23) Alfred Kerr, Die Diktatur des Hausknechts. Brüssel 1934. Neuausgabe: Hamburg 1981. Bibliothek der verbrannten Bücher
24) Die Geschichte dieses Orchesters MUSICA VIVA ist noch nicht geschrieben; die bisher aufgefundenen wenigen Quellen geben nur ein ungefähres Bild der ganzen Unternehmung.
Schon während dieser ersten Spielzeit hat sich das Orchester bedingt durch Abwanderung von Musikern in ein anderes Land – Wien war auch “Durchgangsstation“ für die Wartezeit auf ein Visum – in seiner Zusammensetzung immer wieder verändert.
Vgl. Klemm, S. 56f. sowie Nachlaß Hermann Scherchen, Archiv der Akademie der Künste, Berlin
Die Programme der Musica Viva - Konzerte enthalten Namenslisten.
Der Bratschisten Richard Goldner, Andergasse 50, Wien – Hernals, emigrierte 1939 nach Australien.
Hermann Scherchen an Richard Goldner, undat. und ohne Ort (vermutlich 1937), Durchschrift
… bin gerne bereit, die Propaganda Ihres Daemp(f)ers in der Musica VIVA ('gemeint' ist hier die Zeitschrift oder der Verlag) … zu übernehmen … Welches ist Ihr Verkaufspreis ?
Der Brief endet mit der Frage Scherchens nach dem Orchester
31.3.1938 schreibt Hermann Scherchen an Richard Goldner aus Winterthur:
… sehr dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie mir einmal einen unverblümten Bericht darüber geben würden, wie die einstigen unserer 40 Mitglieder mit ihrem Herzen … eingestellt geblieben sind. Kann zum Beispiel Klose als Tscheche weiterhin substituieren ? …
Wenn man diesen Briefinhalt interpretieren wollte, so denkt Scherchen, daß das Unternehmen „Musica Viva“ – wenn auch in veränderter Besetzung ? – vielleicht doch noch weiter spielen würde? Nachrichten über die tatsächlichen Vorgänge in dem nunmehr nationalsozialistischen Österreich/der Ostmark dürften ihm nicht in ihrem ganzen Ausmaß bekannt gewesen sein – darin war er allerdings nicht der einzige.
Nach Kriegsende nimmt Hermann Scherchen mit seinem ehemaligen Bratschisten Kontakt auf, er frägt ihn in einem Brief , 2.7.1946 nach seinem neuen Leben, seinen Vorhaben usw., eine Antwort ist leider nicht erhalten.
Alle: Hermann Scherchen Archiv 968
25) Die Programm-Sammlung im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
1937-1987. Hg. Otto Biba. Bearb. Teresa Hrdlicka. Tutzing 2001
26) lt. Bouclet, TAHRA 338/339: Rolf Liebermann dirigierte das Orchester hinter der Bühne (das Fernorchester).
Scherchen hat die III. das erste Mal am 23.11.1919 in Berlin mit dem Berliner Philharmonischen Orchester dirigiert.
27) Alma Mahler-Werfel, Mein Leben, Frankfurt/M. Fischer 1960, S. 226
28) Das Konzert wurde abgesagt wegen der Rede des Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zur geplanten Volksabstimmung am 11.3.1938; es wurde auf den 18.3.1938 verschoben.
Scherchen dirigiert Mahler nach 1945
29) Gerhard Scheit, S.141,ff.
30) Ausstellung und Buch AdK
31) Hermann Scherchen, Das „zweite Leben“ in Briefen, ausgew. und eingel. von Dagmar Wünsche. In: Hermann Scherchen, Musiker. 1891 -1966, Berlin 1986, S. 125ff.
Die im Nachlaß überlieferten Briefe an die Komponistin Xiao Shusien, Scherchens vierte Frau, für die Jahre 1936-1950 und an Pia Andronescu-Scherchen sind noch gesperrt.
32) Jens Malte Fischer, S. 887f.
Scherchen hat in Leipzig folgende Konzerte mit Mahler dirigiert:
23.1. 1921 – III. Symphonie; 20.2. 1921 – V. Symphonie;
12.9.1921 - VI. Symphonie; 18.9. 1921 – IX. Symphonie
LITERATURANGABEN
Primärquellen:
Nachlaß Hermann Scherchen, Archiv der Akademie der Künste, Berlin
www.adk.de/de/archiv/archivbestand
Der phonographische Nachlaß:
Mechthild Kreikle, Hermann Scherchen, 1891 -1966. Phonographie. Frankfurt/M. 1991
Für das Manuskript genutzte Texte aus dem schriftlichen Nachlaß:
HSCH 1368 „ Mein erstes Leben“, maschinschriftliches Manuskript mit handschriftlichen Korrekturen. Fragment
Publ. in :
Werke und Briefe, Hg. Joachim Lucchesi. Schriften. Bd.1. Berlin, Wien, New York usw. 1991. (Mehr nicht erschienen)
Mes deux Vies'. Récit Autobiographique. Trad. De l’allemand par Myriam Scherchen, Adaptation fran,caise par René Trémine. Clichy 1992, Ed. TAHRA
HSCH 1704, Notizbuch 1947
HSCH 1753, Notizbuch 1962
Anmerkung:
In beiden Notizbücher notiert Scherchen nur den Namen des Komponisten Mahler; vermutlich Überlegungen zu einer Programmzusammenstellung
HSCH 1172, 4 Blätter handschriftliche Notizen über und zu Gustav Mahler, speziell zur X. Symphonie, stichwortartige Notate, teilweise schwer lesbar
HSCH 1174, 1 Blatt r°/v° handschriftliche Notizen über Gustav Mahler, VIII. Symphonie, transkribiert s. Abschnitt: Der Dirigent, Anmerkung 30
VIII. Symphonie: Studienpartitur und Dirigierpartitur mit hs.Eintragungen
- Symphonie: Partitur, ed. Kahnt N.Y. bezeichnet „Andante“, mit hs. Eintragungen
Lt. Partiturenverzeichnis aus Gravesano gab es eine Partitur zur II.Symphonie; es wurde notiert, daß sie an den Dirigenten und Mitarbeiter Francis Travis ausgeliehen wurde. Nicht mehr im Nachlaß auffindbar.
Hermann Scherchen – Druckschriften, Projekte
- Bücher
Hermann Scherchen,
Lehrbuch des Dirigierens', Leipzig 1929, Schott, Reprint 1953
Vom Wesen der Musik', Winterthur 1946
Musik für Jedermann', Winterthur 1950
- Buchprojekte
In einem Brief an Werner Reinhart vom 11. Juli 1930:
… Ich selbst bin schon mitten in der Arbeit zu meinem 2. Musikbuch, „Tradition und Wiedergabe“ …
Das Schreiben(im Archiv des Musikkollegium Winterthur) nennt das Projekt, Material ist nicht überliefert.
Zit. : Ausstellungsverzeichnis Hermann Scherchen. Musiker, 1891-1966, Berlin Akademie der Künste 1986 , S. 19, 9.7
Über die Symphonien von Franz Schubert', (tit.fict.), Materialien (maschinschriftliches Manuskript, handschriftliche Notizen) zu einer Publikation, vermutlich 1936/37 entstanden, das Konvolut befindet sich im Nachlaß Scherchen
Die Kunst des Dirigierens', Notate im Nachlaß Scherchen
Dazu Scherchen an Dallapiccola, 23.5.1950
… ich habe noch auf der Rückreise ein neues Buch begonnen: ‚Die Kunst des Dirigierens‘ …
Zit. : Ausstellungsverzeichnis Hermann Scherchen. Musiker, 1891-1966, Berlin Akademie der Künste 1986 , S. 19, 9.8
- Zeitschriften, initiiert und herausgegeben von Hermann Scherchen:
Melos', Halbmonatsschrift für Musik. Hg. von Hermann Scherchen. Berlin 1920f. Mit Beiträgen von Hermann Scherchen
Anmerkung:
1921 gibt Scherchen Redaktion und Herausgeberschaft ab; die Zeitschrift für zeitgenössische Musik erlebt ein wechselvolles Schicksal bis zur endgültigen Einstellung 1992
'Musica Viva''''', Vierteljahresschrift in vier Sprachen, Brüssel, im Verlag Ars Viva 1936/37, Nr. 1-3, dann eingestellt.
Mit Beiträgen von Hermann Scherchen
Gravesaner Blätter'' , Vierteljahresschrift für musikalische, elektroakustische und schallwissenschaftliche Grenzprobleme. Mainz, Ars viva/Schott 1955 – 1966. Mit Beiträgen von Hermann Scherchen
- In Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichte Artikel
Anmerkung: ein erster und bisher wohl einziger Versuch die unzähligen Artikel von Hermann Scherchen zu erfassen, war die Auswahlbibliographie von Sabine Sanio.
In: Hermann Scherchen, Musiker, 1891-1966. Berlin 1986, S. 150f.
Zit. für die vorliegende Publikation:
Hermann Scherchen, Gustav Mahler, der Musiker-Philosoph.
In: Freie Deutsche Bühne, hg. Max Epstein, Emil Lind, Berlin 1920, 1. Jg. Nr. 19, S. 446 ff.
- Schriften, Briefe, Dokumente von Hermann Scherchen, publiziert nach dem Tod des Dirigenten 1966:
… alles hörbar machen.' Briefe eines Dirigenten 1920 – 1939. Hg. Eberhardt Klemm. Berlin- DDR 1976
Aus meinem Leben. Rußland in jenen Jahren. Erinnerungen. Hg.
Eberhardt Klemm. Berlin-DDR 1984 .
In den Anmerkungen: Zit.: Klemm, …
Der Text „Aus meinem Leben“. Rußland in jenen Jahren“, Buchausgabe Berlin 1984 basiert auf einer Tonbandaufzeichnung von 1957, die dem Verlag Kunst und Gesellschaft - Henschelverlag, Berlin (Ost) von der Akademie der Künste, Berlin (West) freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden war.
Das Tonband entstand als Basismaterial für eine Sendung über den Dirigenten.
Werke und Briefe, Hg. Joachim Lucchesi. Schriften. Bd.1. Berlin, Wien, New York usw. 1991. (Mehr nicht erschienen)
In den Anmerkungen: Zit.: Lucchesi
Anmerkung: Der Band Schriften wurde aus ausgewählten Manuskripten des Nachlasses Hermann Scherchen, Archiv der Akademie der Künste, Berlin zusammengestellt.
Mes deux Vies'''''. Récit Autobiographique.' Trad. de l’Allemand par Myriam Scherchen, Adaptation fran,caise par René Trémine. Clichy 1992, Ed. TAHRA
Anmerkung: Die französische Übersetzung des deutschsprachigen Manuskripts „Mein erstes Leben“, ergänzt aus persönlichen Notaten von Myriam Scherchen.
René Trémine, A Discography. Bézons 1999. Ed. TAHRA
- Kompositionen, Bearbeitungen, Arrangement:
In : Komponisten der Gegenwart, verzeichnet von Thomas Schipperges, 9. Nachlieferung, München ed. Text+Kritik 1996
Sekundärliteratur, Auswahl
Nicht genannt sind Suchmaschinen
Th.W.Adorno', Drei Dirigenten, Musikblätter des Anbruch, Wien 1926, H. 7,
- 315ff.
Stefan Amzoll,
Hermann Scherchen – Größe und Grenzen. Radio-DDR- Musikklub, Sendung im Juni 1986 auf Radio DDR II. Eingespielt wurde zu diesem Gespräch der Beginn des Adagio, 10. Symphonie von Gustav Mahler, in einer Aufnahme mit dem RSO Leipzig, 4.10.1960 unter Scherchen in Leipzig, Sendesaal.
Teilnehmer der Gesprächsrunde waren u.a.: Hansjörg Pauli, Stefan Amzoll, Eberhard Klemm, Harry Goldschmidt
Das Gespräche wurde publiziert in:
Kunstwerk und Biographie. Gedenkschrift Harry Goldschmidt, hg. von Hanns –Werner Heister, Berlin 2002, Weidler Buchverlag S. 393ff
Kurt Blaukopf, Gustav Mahler oder der Zeitgenosse der Zukunft. Wien, München, Zürich 1969, erw. Ausg. Wien 2011
Jörg Clemen, Mitteldeutscher Rundfunk. Die Geschichte des Sinfonieorchesters. Allenburg 1999
Heinz J. Ferlesch', Hermann Scherchen – ein Musiker im Dienste der Neuen Musik. Wien 1995, Dipl. Arbeit
Jens Malte Fischer, Gustav Mahler. Transl. by Stewart Spencer. New Haven, London 2011. Yale Univ. Press
Carl f. Flesch, … und spielst du auch Geige?. Der Sohn eines berühmten Musikers erzählt und blickt hinter die Kulissen. Zürich 1990
Christian Glanz, Der bedrängte Anwalt. Zu Bruno Walters Mahler -Verkündigung im Kontext der österreichischen Zeitgeschichte. In:
Bruno Walter erinnern. Internationales Symposium. Hg. Michael Staudinger, Wien, Universität für Musik und darstellende Kunst 2012, S. 23 ff.
Markus Grassl, Reinhard Kapp'(Hrsg)
Verhandlung des Internationalen Kolloquium Wien 1995.
Wien. Die Lehre von der musikalischen Aufführung in der Wiener Schule. Köln Böhlau 2002
Gustav Mahler. Interpretationen seiner Werke. Hg. Oliver Korte, Peter Revers, Laaber 2011
Gustav Mahler – Arnold Schönberg und die Wiener Moderne. Hg. Karl Katschthaler. Frankfurt/M. 2013
Mahler-Handbuch. Hg. von Bernd Sponheuer, Wolfram Steinbeck, Stuttgart, Weimar 2010
Christoph Metzger, Mahler – Rezeption. Perspektive der Rezeption Gustav Mahlers. Wilhelmshaven, Florian Noetzel Verlag 2000. Tb zur Musikwissenschaft, 136
Willi Reich, Musikalische Arbeitstagung in Brüssel, In: Musikblätter des Anbruch, 17. Jg., H.8, s. 211 ff.
Hermann Scherchen. Musiker , 1891 -1966. Ein Lesebuch, zusammengestellt von Hansjörg Pauli und Dagmar Wünsche. Berlin 1986.
Ausstellungsverzeichnis zur gleichnamigen Ausstellung 31. August – 19. Oktober 1986. Akademie der Künste, Berlin
Gerhard Scheit, Wilhelm Svoboda', Feindbild Gustav Mahler. Zur antisemitischen Abwehr der Moderne in Österreich, Wien 2002, Sonderzahl Verlagsgesellschaft
Paul Stefan, Hermann Scherchen, In: Musikblätter des Anbruch, 12. Jg. H.1., 1930, S. 30
Paul Stefan, Die Schweiz in der deutschen Musikgeschichte. Scherchens Wiener Studio, In: Musik des Anbruch, H.8, Oktober 1932, S. 184f.
(Paul Stefan), Hermann Scherchen und seine Brüsseler Arbeitstagung,
In: Musikblätter des Anbruch, 17.Jg., H. 5, S. 147f.
ANHANG:
Gustav Mahler, VIII. Symphonie
Transkription aus dem Notizbuch HSCH 1174, 1 Blatt r°/v° handschriftliche Notizen
VIII. Mahler
1 Veni creator Spiritus (Heiliger Geist komme)
2 Faust II. Teil –Schluß MAN
___________
Tonalitätsorgien!Große tonale Abschnitte
Harmonischer Contrapunkt (Vielstimmigkeit)
Theatralische melodik. Italianisierend
__________________________________
Versuch: mit einfachen Zungen zu sprechen
Die „Pfingsterweckung“
Die geniale Deklamation des II.Teils:
(fremde Bilddarstellung)
Den Textsinne enthüllend, verdeutlichend
Aufbau: tutti(Orchester), Orgel, Soli/Chor)
Wechselspiele:Orchester/“acapella“/Soli mit Begleit./Solo mit Chor/Chor
mit Orchester/Chor und Soli
Höhepunkt des sängerischen Rollen(?)bewußtseins: alle materiellen u. geistigen zur Verfügung. Sinfonie der 1000. Katholizismus+Judentum+Europäertum Göthes.
Van Beinum // Dr. Mengelberg// Vorstand(?)// Zimmermann// Der Jude Gustav Mahler zum Jubiläum!//
Egmont? Wann? Hallelujah? Wann? Feier!
Wie steht das heut? Was von diesen Extasen und Überwältigungen ist geblieben!
Stil: die Sublimierung der Materie
Die einfache Versinnlich(ung) des Geistigen
Verhaltenheit/Ausdrucksmelodielinie
Dolcissimo, also nicht /spontan/ zu singen u. spielen//Die Stilfrage entscheidend// Optimistisch? Abschließend, zusammenfassend konstatierend sich (unleserlich) kein neues Ziel mehr, weder materiell-musikalisch, noch geistig-ideell. Zusammenfassung ? Synthese? Kalte Bewunderung hervorrufend? Rausch? Kollektiv? Individualismus? Lang? Massiv?
Das Institut: 50. Sein Gewordensein. Die Kraft der Reife. Menschliches = Musizieren = n. Orchesterp.
Kommentar:
Aus den flüchtig niedergeschriebenen Wort- und Satzbruchstücken kristallisiert sich heraus: Scherchen stellt fest, daß von der (seiner) jugendlichen Überwältigung zur VIII. kaum mehr etwas übrig geblieben ist. Die Faszination ist geblieben, die Auseinandersetzung mit dem Kosmos Mahler ungebrochen.