Marianne Brandt, geb.Bischof, Sängerin
Aus Dagmar Saval Wünsche
Vorwort
Marianne Brandt – das war eine Stimme von ungewöhnlichem Umfang, die die vorgegebenen Kategorien der Stimmfächer für Verträge "sprengte" also reihten sie ein unter „ALT“; in der gängigen Opernpraxis hieß das: Seconda Donna, ewig stand sie im Schatten der „Prima Donna“, als Mutter, Vertraute, Freundin, Verräterin, Intrigantin. Doch Marianne Brandt fiel „aus der Rolle“, sie konnte Alt singen, sie konnte Mezzosopran singen und Koloraturpartien eben sowie dramatische Sopranpartien. Das aber war noch nicht genug: eine außergewöhnlich gut geschulte Stimme und die hervorragende Stimmtechnik erlaubten ihr diese „Abenteuer“, auch wenn es so manchen Kritiker gab, der Details in Stimmfärbung, Klanggestaltung sich zu bemängeln mühte. Sie verfügte über – so wird übereinstimmend berichtet – eine suggestive Bühnenpräsenz, darstellerisches Gestaltungsvermögen, das immer auch den oder die Partner mit einbezog.
In einer Epoche, in der vom Gesangsstar, von der zweiten Garnitur, den comprimarii nur erwartet wurde, daß sie korrekt singen, die Bühnen nach Anweisung des „Regisseurs“ entsprechend bevölkern und agieren – mehr nicht. Das Eindringen in eine Figur, sängerisch und darstellerisch, war in der zweiten Hälfte des 19.Jh., weitgehend Zukunftsmusik; Ausnahmerscheinungen wie die Schröder-Devrient oder Pauline Garcia Viardot - wurden zur Legende, zu Vorbildern.
Marianne Brandt wurde kein „Star“, keine „Primadadonna mit Allüren“ wie Pauline Lucca. Sie war liebenswürdig, zurückhaltend, wußte allerdings sehr genau was sie wollte, neugierig auf zeitgenössische Musik – nur das „gewisse Etwas“ der Selbstdarstellung besaß sie nicht und – das wurde auch von manchen Rezensenten immer wieder, diskrimierend angemerkt: man empfand sie, ihre äußere Erscheinung als „häßlich“. Sie sagte von sich selbst, daß sie nicht schön sei; aber was ist schon „schön“ ? dies liegt doch wohl im Auge des Betrachters, wird von Faktoren des Zeitgeists, der Mode usw. bestimmt. Die wenigen überlieferten Photographien, die Porträtgraphiken zeigen ein sehr herbes, strenges Gesicht, in sich verschlossen. Der Porträtzeichner könnte ja noch geschmeichelt haben, die Linse des Photographen dagegen ist unbestechlich – und die Kunst des Retouchierens steckte damals noch in den „Kinderschuhen“.
Möglich, daß es ihre außergewöhnliche „Ausstrahlung“ als Bühnenmensch war, die irritierte; auch ihre hohe Risikobereitschaft, väterliches „Erbe des Kaufmanns“ ?, nicht nur Gagen-und Vertragsverhandlungen, sondern auch künstlerisch fordernd aufzutreten. Sie war – im heutigen Sinne –kein Star, wenn man diesen Begriff so interpretiert, daß Selbstdarstellung die künstlerische Haltung, die musikalische Interpretation auf die zweite Ebene verweist; der Star als ausübende Kunstfigur muß den Vorstellungen der Massen genügen, ihnen entsprechen, tut er dies nicht, fällt er einem gnadenlosen vernichtenden Urteil zum Opfer.
Marianne Brandt hat sich ihrem Publikum verpflichtet gefühlt, so in einem undatierten Schreiben aus ihren Berliner Jahren; nur das Publikum, dem sie sich verpflichtet fühlte, kannte zwar bereits den „Starkult“, doch der Grundhaltung fehlte der aggressive Anspruch der „Inbesitznahme“ des „angebeteten Objekts“. Ihre Verpflichtung dem Publikum gegenüber verstand sie ausschließlich als Interpretin, musikalisch wie darstellerisch. Die Rolle des Interpreten zum Komponisten war auch im ausgehenden 19.Jh. noch weitgehend eine aktive, er war noch nicht Sklave einer „werkgetreuen“ Interpretation. Sänger oder Sängerin einer zeitgenössischen Oper, und das waren die Opern von Verdi und Wagner in der zweiten Hälfte des 19.Jh., forderten Mitgestaltung, musikalische Interpretation im Sinne des „Weiterkomponierens“. In Bezug auf Wagner – auch wenn die Eintragungen von Cosima oder die Briefe und Schriften von Wagner divergente Ansprüche formulieren- der von Wagner geforderte Sprechgesang, das Verschmelzen von Wort und Ton – stellte das sängerische wie das instrumentale Personal vor völlig neue technische wie interpretatorische Herausforderungen. Spielen und singen war gleichzusetzen mit dem Eindringen in die kompositorischen Vorstellungen des Künstlers, sei es nun Wagner, Verdi oder Liszt. Gefordert war musikalische wie darstellerische Spontaneität. Die Basis um diesem Anspruch gerecht zu werden, war die effektive Kontrolle der Stimme, mittels einer bis ins letzte Detail ausgefeilten Technik.
Die „Zierfiguren“ der sängerischen Sprache, also z.B. Triller oder Vorhalte, enden nicht mit dem Aufkommen der wagnerischen Musiksprache; auch bei Wagner finden sich diese Elemente, wie z.B. in den „Meistersingern“, dort sind diese sängerischen Formeln Teil der Dramaturgie: David erteilt Stolzing „Unterricht“ , erklärt ihm die Anforderungen der meisterlichen „Singeschule“.
Die Beherrschung der alten Sängersprache, die Gestaltung einer neuen, noch zu erfindenden Sängersprache - auch diese Anforderung verbirgt sich auf einer zweiten Ebene in dem Text von Marianne Brandt über ihre „Verpflichtung ihrem Publikum“. Der positive "Nebeneffekt“ – das Singen der alten Sängersprache, das Erfinden einer neuen, hielt die Stimme agil und für lange Zeit lebendig.
So konnte sie – wie man auf der Pathéaufnahme hören kann – mühelos „trillern“ als Maffio Orsini – oder hochdramatische Partien singen wie die Brünhilden (Walküre und Götterdämmerung) neben der Fides als sie die Vierzig längst überschritten hatte. Läßt man die Rollen, die Marianne Brandt auf der Bühne gesungen hat, Revue passieren, liegt der Schwerpunkt in den späten Jahren – zeitbedingt auf den Wagner-Partien, aber sie singt ebenso Mozart (Donna Elvira) oder Meyerbeer (Selica, Fides), Rubinstein; die romantische Oper, wie Bellini oder Donizetti sind eher marginal vertreten; die romantische Oper stand nicht mehr im Zentrum des Publikumsinteresses, gefragt waren die Novitäten der Zeit.
Sie blieb unverheiratet, ungewöhnlich für die Zeit in die sie hineingeboren worden war; das überlieferte schriftliche Material, der Teilnachlaß in der Wienbibliothek, die unterschiedlich großen Konvolute ihrer Briefe oder der an sie gerichteten Briefe, sind weitgehend „arbeitsbezogen“, lassen keinen Raum für Spekulationen privater Natur. Auch nicht in den überlieferten Briefen, die sie ihrer Schwester Pauline nach Wien schreibt; Pauline ist für ihre Schwester Marianne sicher mehr als nur die Sachwalterin ihrer Kostüme im Wiener Depot gewesen, doch diese Korrespondenz gibt es nicht mehr. Ebensowenig die Briefe an die Eltern, die sie während ihrer ersten Engagements und dann aus Berlin an sie gerichtet hat.
Vielleicht noch eine „archivarische“ Anmerkung zu den überlieferten Briefen, die Marianne Brandt geschrieben hat: die meisten werden „an Unbekannt“ in den einschlägigen Verzeichnissen angegeben; inhaltlich sind diese Schriftstücke konventionell, arbeitsorientiert, aber in den Formulierungen so allgemein gehalten, daß es spekulativ wäre, den Adressaten zu definieren; auch der „Umweg“ über die Provenienz führte zu keinem schlüssigen Resultat. Sie wurden von Autographensammlern erworben, die „Berühmtheiten“ sammelten, nur am Autograph, nicht an dessen Inhalt interessiert waren; über Auktionen kamen diese Briefstücke in Archive und Bibliotheken zur Dokumentation der musik- oder theaterhistorischen Überlieferung.
Marianne Brandt muß eine sehr liebenswürdige, freundliche und fröhliche Persönlichkeit gewesen sein, die sehr genau wußte, was sie wollte, Selbstzweifel gab es vor allem, wenn es um ihr künstlerisches Selbstverständnis ging.
In diesem Sinn habe ich sie durch ihr Leben begleitet – als das kleine Mädchen das in einer Kirche am „Brillantengrund“ im Chor das Solo sang bis zur alten Dame, die ihre letzte Lebenszeit im Sanatorium Löw verbrachte, trotz schwerer Gebrechen immer noch „singend“ ihre Umgebung in ihre Welt, in die Musik entführte.
Meine Reise durch die Welt der Bühne ...
… die letzte der zeitgenössischen großen Sängerinnen aus dem Kreis Richard Wagners [ist] dahingegangen.
Marianne Brandt war eine Sängerin von hinreißendem Temperament, einem außergewöhnlichen Stimmumfang … da sie außerdem auch eine vorzügliche Schauspielerin war, bildeten Gestalten wie der Fidelio, die Fides und namentlich ihre Wagner-Partien, das Entzücken ihrer Zeitgenossen …
berichtet die“ Wiener Zeitung“ am 11.Juli 1921.
Marianne Brandt, die mit bürgerlichem Namen Marie Bischof hieß, wurde 1842 geboren in der Vorstadt Neubau der k.k. Residenzstadt Wien. Der Vater, Karl Bischof, war Bandfabrikant und besaß einen gut gehenden mittelständischen Betrieb; die mehrköpfige Familie, es gab noch zwei Töchter, Pauline und Julie, war gut situiert. Die kleine Marie sang, wo immer sie stand und lief – sie sang, sie sang unentwegt. Sie besuchte die verpflichtende Normalschule; zum Lehrplan gehörte intensiver Musikunterricht für alle Schüler. Die kleine Marie war eine besonders gelehrige und aufmerksame Schülerin, sie „sog“ Musik förmlich in sich auf. Sehr bald schon sang sie im Kirchenchor und erntete dort – vermutlich – ihre ersten großen Erfolge als Solistin. Ihre schöne, tragende Stimme fiel nicht nur dem regens chori (das war vermutlich der Pfarrer) der Kirchengemeinde auf, sondern, auch das nur eine Vermutung, auch den etlichen Kirchenbesuchern.
Als Marie die Schule absolviert hatte, begann für sie – wie für alle Mädchen ihres Alters, ihres (bürgerlichen) Standes – das Ritual der haushälterischen Betätigung unter den Augen der konservativen, strengen Mutter: Nähen, Kochen, Haushaltsführung und was dergleichen mehr gefordert war für eine zukünftige Hausfrau.
Eine musikalische Ausbildung um dann vielleicht später womöglich auf der Bühne zu singen, ans Theater gehen! – das war für die zutiefst bürgerliche Mutter eine echte Horrorvision!
Sie setzte dem Wunsch der Tochter jeden nur möglichen Widerstand entgegen – da aber noch immer der Vater (auch juristisch) zu entscheiden hatte, welchen Lebensweg seine Tochter einschlagen könnte, sollte – kam es anders. Karl Bischof, der Kaufmann und Fabrikant, hatte Verständnis für den Wunsch seiner Tochter; er gab seine Zustimmung zum Besuch des Konservatoriums, zu einer Gesangsausbildung.
Also ging Marie in den Jahren 1862- 1864 zum Unterricht auf das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde, damals noch in den Tuchlauben; andere öffentliche Unterrichtsstätten für musikalische Ausbildung gab es – noch – nicht in der k.k. Residenzstadt Wien. Sie besuchte die Klasse für Opernsänger: ihre Lehrerin war Therese Marschner (1827-1884), die Witwe des Komponisten Heinrich Marschner (1795-1861).
Doch kaum hatte Marie, die den Künstlernamen Marianne Brandt angenommen hatte, mit großem Erfolg als Erste ihrer Klasse ihre Ausbildung beendet, viel Lob und Lorbeer im Schlußkonzert im Wiener Musikverein erhalten, mußte sie erneut feststellen: die Mutter war gegen jede Art von künstlerischer Betätigung, eine Laufbahn als Sängerin auf dem Theater – „Ausgeschlossen! Du heiratest, kriegst Kinder, führst den Haushalt, … und damit basta! Singen kannst du für den Herrn Gemahl, das genügt!“
Aber der „Gott der Sänger“, hatte ein Einsehen – Leopold Alexander Zellner (1823-1894), Musikschriftsteller und u.a. Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde, galt außerdem –und nicht nur - im musikalischen Wien als große Kapazität: Er plädierte für die k.k.Monarchie z.B. für die Annahme des inzwischen europaweit üblichen Kammerton –a-(damals 435 Hz) das bedeutete eine gleichmäßige Stimmung für alle Orchester, Sänger etc. Bisher hatte jedes Orchester, jeder Sänger seine ganz persönliche Stimmung; in der Praxis bedeutete das eine unentwegtes Transponieren. Zellner nahm das begabte, theaterbesessene Mädchen unter seine „Fittiche“, wurde ihr Mentor, begleitete sie - auch als sie längst arriviert war - mit Rat und Hinweisen. Er war es auch, der den konservativen Widerstand der Mutter gegen eine Theaterlaufbahn der Tochter beseitigte; Marianne konnte endlich ins Engagement.
Der Start war nicht einfach, denn das Handicap mit dem sie immer wieder konfrontiert wurde– und das immer wieder zur Diskriminierung benutzt wurde – war ihre äußere Erscheinung. Für Augen von 2023 bleibt dies unverständlich – gleichgültig ob gezeichnetes Porträt oder Photographie – Marianne Brandt war keine „häßliche „ Frau; müßig über das Warum und Wieso zu rätseln, fest steht: immer wieder wurde mit der „Gesichtsbildung“ argumentiert, diese Tatsache mehr oder weniger freundlich angemerkt, auch in Kollegenkreisen.
Gelegentlich wurde dieses Argument einer angeblich „häßlichen Gesichtsbildung“ möglicherweise auch aus ganz anderen Gründen benutzt.
1876 fand die Berliner Erstaufführung von „Tristan und Isolde“ statt; die Premiere vom 20.3.1876 wurde für Richard Wagner, die Sänger ein Triumph. Die Besetzung u.a Albert Niemann als Tristan, die Brangäne sang Marianne Brandt. Rund ein Monat später, am 26. April 1876 erhält Lilli Lehmann, die nach Vilma Voggenhuber die Isolde übernommen hatte, einen Brief von Wagner aus Bayreuth, den sie in ihren Erinnerungen „Mein Weg“ veröffentlicht hat:
… Im Betreff des Frl. Brandt hätte ich von Euch allen etwas mehr Billigkeit gewünscht. Daß sie in ihrer künstlerischen Leistung über jedem andern stehen würde, ist mir denn doch im Vergleich mit den mir bekannt gewordenen andern aufgegangen. Das unempfehlende ihrer Gesichtsbildung kommt doch nur außer der Bühne und für die in nächster Nähe mit ihr Beschäftigten in Betracht: auf der Bühne und namentlich in meinem Theater verschwindet es gänzlich, und ihre schlanke Gestalt würde da einzig, und zwar vorteilhaft wirken. …
Kurz, über diese unbedingte Abwehr des Frl. Brandt bin ich nicht eben sehr erbaut und wird mir dies meine Not sehr erschweren …
Der Anlaß, der Wagner zu diesem kritischen Widerspruch veranlaßt hat, geht aus dem Schreiben nicht hervor; er läßt sich auch nicht wirklich erklären. Tatsache ist, Marianne Brandt war für keine Rolle der Eröffnungsvorstellungen der Bayreuther Festspiele 1876 engagiert worden. Sie hatte die ihr lange vorher angebotene Partie der Waltraute („Götterdämmerung“) abgelehnt wie Cosima Wagner etwas pikiert in ihrem Tagebuch am 18.Februar 1875 vermerkt.
Doch- wie der Zufall so spielt: Marianne Brandt sitzt im Publikum der Eröffnungsvorstellungen der Festspiele von 1876; da sagt – ziemlich kurzfristig die Sängerin der Waltraute, Louise Jaide krankheitshalber ab – Wagner bittet Marianne Brandt darum, ob sie die Partie nicht übernehmen könne, und das auch noch ohne Probe.
… 1874 hatte ich eine Einladung … bekommen, zur Übernahme der Waltraute, einer Norn,[„Götterdämmerung“, Anm.d.Verf.] in den Nibelungen. Da mir beide Rollen stimmlich nicht gut lagen, konnte ich mich nicht entschließen sie zu übernehmen. Doch begab ich mich 1876 als Zuhörerin nach Bayreuth , u. als beim 2.Zyklus Frau Jaide erkrankte, u. Wagner mich darum bat, lernte ich über Nacht die Waltraute auswendig u. sang sie ohne Orchesterprobe.
Es war keine Glanzleistung, aber die Figur war da, die Vorstellung konnte ohne Strich gegeben werden, das war in dem Falle die Hauptsache. Wagner war mir sehr dankbar dafür.
So erinnert sich Marianne Brandt viele Jahre später in einem Schreiben an oder für den Theaterschriftsteller Heinrich Stümcke (1871 -1923) an ihr Einspringen als Waltraute bei den Eröffnungsfestspielen 1876. (Das Schriftstück liegt heute im Theaterwissenschaftlichen Institut in Köln, Kurztitel).
Der Weg führte die junge Sängerin erst nach Olmütz an das dortige Stadttheater, dann folgt ein kurzes Engagement an das Klagenfurter Stadttheater. Und dann endlich ein längeres Engagement: eine ganze Saison an die Grazer Oper, 1867/68.
Hier konnte sie endlich ihr ganzes Können ausprobieren, sie sang das erlernte Repertoire, brillierte in den Partien, in denen sie vor allem den außergewöhnlichen Umfang ihrer Stimme voll aussingen konnte. Das waren Partien der Recha, der Azucena, der Fides, es kamen weitere neu einstudierte Partien dazu. Doch nun stellte sich das nächste Handicap ein, wenn man es denn als solches sehen wollte.
Am Konservatorium in Wien war sie als Mezzosopran ausgebildet worden, aber bereits damals wurde festgestellt, daß ihre Stimme über eine gute Altlage verfügte und sie ebenso gut Sopran-Koloratur wie auch dramatische Sopranpartien singen konnte. Die üblichen Normverträge der Bühnen teilten nach Stimmfach ein: Alt, Mezzosopran, Sopran (lyrischer, Koloratur,dramatischer Sopran); Stimmen, die aus diesem Schema fielen, wurden entweder dem Alt, dem Mezzo oder dem Sopran zugeteilt, mit wenig erfreulichen Kosequenzen für die betreffende Sängerin. Denn die Besetzungsusancen waren: Die Prima Donna, das war die weibliche Hauptrolle, war dem Sopran vorbehalten; die Seconda Donna, das waren die Mütter, die Freundinnen, die Vertrauten, die Intrigantinnen usw. – böse Theaterzungen sagen dazu auch „Stichwortgeber“.
Marianne Brandt war als Alt –in Graz, denn man suchte eine Altistin, - engagiert worden; sie erhielt aber dennoch viele Möglichkeiten über das genormte Rollenfach hinaus sich selbst, ihre Kunst –singen und darstellen – ausgiebig zu zeigen, auszuprobieren.
Noch während ihres Grazer Engagement bekam sie vom Hamburger Stadttheater ein Vertragsangebot; sie unterzeichnete den Vertrag u.a. für die Partien wie die Azucena, die Fides.
Wenn wir heute in die Oper gehen, dann hören und sehen wir in der Regel das Repertoire, das sich über zwei Jahrhunderte hinweg gebildet hat – von Gluck bis Alban Berg und einige wenige Komponisten des 20.Jh. Novitäten, also Ur- oder Erstaufführungen von Opern der Zeit haben eher Seltenheitswert.
Der Impresario des 19.Jh., der Direktor eines Opernhauses, mußte seinem Publikum außer den großen Sängerstars vor allem Novitäten bieten, um die Kassen zu füllen, damit das Haus nicht nur künstlerisch, sondern vor allem finanziell erfolgreich geführt werden konnte.
Als Marianne Brandt ihre Sängerinnenlaufbahn 1867 begann, waren Giuseppe Verdi und Richard Wagner bereits zu den dominierenden Komponisten der zeitgenössischen Opernproduktion avanciert. Meyerbeer war zwar immer noch der meistgespielte Komponist, vor allem in Berlin (seiner Geburtsstadt), aber er war 1864 gestorben.
Auf der Fahrt nach Hamburg mußte Marianne Brandt fahrplanmäßig ihre Fahrt in Berlin unterbrechen – Zugreisen waren zwar längst üblich geworden -, aber immer noch eine logistische Herausforderung. So mußte Marianne Brandt um den Zug nach Hamburg zu erreichen, vom Bahnhof Zoologischer Garten zum Hamburger Bahnhof wechseln. Für Berliner Verhältnisse keine lange Wegstrecke, aber mit Kostümkoffer und sonstigen Koffern setzte der Umsteigemodus sorgfältige Planung voraus.
Jedenfalls erfuhr Marianne Brandt, kaum in Berlin angekommen, daß die königliche Hofoper dringend eine Altistin benötigte. –Spontan entschied sie: Ich singe vor! Sie wagte das Vorsingen und wurde sofort engagiert. Sie erhielt einen dreijährigen Vertrag mit der Option auf Verlängerung und eine gute Gage: im ersten Jahr 1000 Taler( mit einer Erhöhung um 1000 Taler pro weiteres Jahr) dazu ein Spielgeld von 10.- Talern (das wurde pro Auftritt ausbezahlt).
… Wie das Mädchen aus der Fremde erschien sie. Man wusste nicht, woher sie kam, und Niemand hatte ihren Namen bisher gehört. Eine schlanke, hohe Gestalt mit bleichem Antlitz, nicht schönen, aber bedeutenden Zügen, klugen, spähenden Augen, hastig in Sprache und Bewegung – so sah man sie an einem Frühlingsmorgen des Jahres 1868 zum ersten Mal auf der Bühne des Berliner Opernhauses, wo sie Probe singen sollte. Der getragene Satz der Fides: „Ach, mein Sohn, Segen dir!“ stellte ihre Bedeutung als Sängerin sofort klar, aber der Kapellmeister verlangte noch die Bravour-Arie: „Wirf deines Lichtes glänzenden Strahl!“ u.s.w. Sie hatte kaum geschlossen, als ihr das Orchester wie aus einem Munde Beifall zurief. Eine Stunde später unterzeichnete sie schon einen dreijährigen Contract. …
erinnert sich E.G.Reif im „Musikalischen Wochenblatt“ am 28. Juli 1877 an das Debut von Marianne Brandt; sie hatte soeben, 1877, die Verlängerung für weitere fünf Jahre unterzeichnet worden zur königlichen Kammersängerin !
Als Marianne Brandt ihren Vertrag mit der Intendanz der Königlichen Schauspiele 1869 unterzeichnet hatte, war sie zunächst überglücklich. Doch der Opernalltag war voller Tücken, sehr bald merkte sie selbst, wo ihre künstlerischen und sängerischen Defizite lagen. Und fand sie einen freundlichen, hilfsbereiten Mentor: Es war der Kapellmeister Karl Eckert (1820-1879), der als Dirigent und Direktor am Kärntnertortheater zuletzt eher glücklos agiert hatte. Eckert nun als Dirigent an der Hofoper in Berlin engagiert, gab ihr den Rat nach Baden- Baden zu Pauline Viardot (1821-1910) zu gehen um bei ihr „den richtigen sängerischen Schliff“ zu bekommen. Karl Eckert kannte die Viardot, war mit ihr und ihrer Familie befreundet.
Pauline Viardot, geborene Garcia, war die Tochter des Sängers Manuel Garcia und seiner Frau Maria Sitchez, Sopran.Ihre Schwester Maria, als Maria Malibran längst zur Legende geworden, war früh verstorben, der Bruder Manuel hatte seine Sängerlaufbahn frühzeitig beendet um sich vor allem der Gesangsausbildung zu widmen.
Pauline, die eigentlich Pianistin werden wollte, - ihr Lehrer war Franz Liszt- setzte nach dem Tod der Schwester Maria die sängerische Tradition der Familie García fort.
Die Schriftstellerin George Sand (1804 - 1876, eigentlich Dudevant), die mit Pauline befreundet war, befand eines Tages Pauline müsse heiraten und so geschah es auch. Louis Viardot (1800 -1883), etliche Jahre älter als Pauline, war Musikjournalist und kurzzeitig Direktor des Théâtre Italien in Paris. Anfang der 1860er Jahre hatten sich die Viardots in Baden-Baden niedergelassen, nachdem Napoléon III. Louis Viardot aus Frankreich verbannt hatte (dem Kaiser Napoléon mißfielen die kritischen Berichte des Journalisten Viardot). Die Villa der Viardots in Baden-Baden wurde rasch zum musikalischen Zentrum der Kurstadt; ein internationaler Treffpunkt der Musik, der Literatur.
Pauline hatte ihre Karriere als Sängerin 1863 beendet um nur noch zu unterrichten und zu komponieren. Der Unterricht fand vorwiegend während der Sommermonate statt und Marianne Brandt nutzte die ihr vertraglich zustehenden drei Ferienmonate gleich nach Saisonende 1869 um zu Pauline Viardot zu fahren.
Am 21. Mai 1910 – Pauline Viardot war am 18.Mai im hohen Alter von knapp 90 Jahren gestorben – veröffentlicht das Morgenblatt der “Neuen Freien Presse“ – Erinnerungen ihrer Schülerin Marianne Brandt:
Nach zehnmonatlichem Aufenthalt in Graz sollte ich meine dortiges Engagement mit einem in Hamburg vertauschen, wurde aber auf dem Weg dahin April 1868 an die Berliner Hofoper engagiert, wo man eine Altistin suchte. Meine Stimme reichte für das Berliner Opernhaus und die Gastrollen waren auch mit gutem Erfolge absolviert worden, aber es fehlte noch vieles, um mich neben Größen wie Lucca, Niemann, Wachtel, Betz etc. behaupten zu können. Kapellmeister Eckert riet mir daher, zu Madame Viardot-Garcia nach Baden-Baden zu gehen, um meine großen Rollen mit ihr noch auszuarbeiten. Ich benützte also meinen Sommerurlaub 1869 für die Studienreise … .
Neben dem reichen Schatz ihrer dramatischen und Gesangskunst gab mir Madame Viardot noch etwas Unschätzbares mit auf den Weg: Selbstvertrauen, an dem es mir trotz raschem Vorwärtsgehens in der Carrière noch mangelte …
1870 wollte Marianne Brandt einen weiteren Sommer in Baden-Baden zubringen um noch mehr zu lernen; doch es kam anders. Ein Krieg zerstörte den Musenhof der Viardot … der Deutsch-Französische Krieg, 1870/71, sinnlos vom Zaun gebrochen.
In diesen Erinnerungen, publiziert am 21.Mai 1910 erinnert sich Mariann Brandt auch an ihre überstürzte Abreise im Sommer 1870
Vor dem Kriege
Nach Schluß der Mustervorstellungen in Weimar (1870) reiste ich wieder zu Madame Viardot nach Baden, denn ich fühlte, wie wohltätig mir die Unterweisung dieser wunderbaren Meisterin für meine künstlerische Entwicklung war. Wir gingen diesmal gleich mit Eifer an das Studium Gluckscher Opern, daraus „Klytemnästra“ und „Orpheus“. Letzterer war eine Glanzleistung der Viardot gewesen, sie hatte ihn in Paris seinerzeit hundertmal hintereinander gesungen. Es war ein Genuß die Rolle mit ihr bis ins kleinste Detail hinein musikalisch durchzuarbeiten.
Frau Schumann bewohnte auch diesen Sommer wieder ihre Villa in Lichtenthal, und ich freute mich auf das Wiedersehen mit der hochverehrten Frau und Künstlerin. Bei meinem Besuche erhielt ich den ehrenvollen Antrag, in einem Konzert, das sie in Kreuznach geben wollte, einige Gesangsnummern zu übernehmen. Nach Einigung mit Madame Viardot und Festsetzung des Programms fuhr ich am 13.Juli mit Frau Schumann zusammen nach Kreuznach, wo wir von einer ihr befreundeten Familie gastlich aufgenommen wurden und sie am 14. ein glänzendes Konzert gab. Ich war stolz auf das Zusammenwirken mit der großen Künstlerin und genoß dankbaren Herzens den engeren Verkehr mit der edlen Frau.
Auf der Rückfahrt, 15.Juli, blieb Frau Schumann in Frankfurt zurück und ich reiste allein nach Baden. In der eine halbe Stunde von dort entfernten Festung Rastatt war ein großes Gedränge auf dem Bahnhof, man sah da mehr Militär als sonst, und auf Befragen erfuhr man, daß Krieg mit Frankreich bevorstehe. Auch in Baden durchschwirrten schon Gerüchte davon die Luft, und die Vorsichtigsten schnürten bereits ihr Bündel. Als es am 16. hieß , vier Regimenter Preußen seien in Rastatt eingerückt, auch Artellerie, war große Panik. Am 17. hörte man, daß die Franzosen von Straßburg aus im Badischen einbrechen wollten, und nun ging eine allgemeine Flucht los. Auf dem Bahnhofe drängten sich Hunderte von Menschen, jeder wollte zuerst befördert sein, und es war schon ein kleiner Krieg, bei dem aber die in Baden stets so zahlreich anwesenden Franzosen a u s – und nicht e i n brechen wollten.
Bald war der glänzende Badeort ganz verödet.
Madame Viardot, sich selbst zum Aufbruch vorbereitend, hatte ihre Kinder nach Wildbad geschickt; Herr Viardot schloß sich voll Groll in sein Zimmer und sprach mit niemandem - es war als ob ein Wirbelwind alles auseinandergejagt hätte.
So schwer es mir wurde, ich mußte mich doch auch zur Abreise entschließen! Am 18.Juli, Madame Viardots Geburtstag, den wir das Jahr vorher so fröhlich gefeiert hatten, war außer mir keine Schülerin mehr da. Ich studierte trotz allem noch einmal mit der verehrten Meisterin, es war eine trübe Abschiedsstunde! Am 19. fuhr ich ab. Ich hatte schon gefürchtet einen Umweg durch die Schweiz machen zu müssen, allein die Bahn über München nach Österreich war frei. Es kamen uns jedoch viele Militärzüge entgegen; jubelnd sangen die Soldaten zu den Fenstern heraus – wie viele davon verstummten wohl bald für immer! Es war eine aufregende Reise, doch war für mich das einzig Schlimme davon eine starke Zugverspätung und ein arg beschädigter Koffer.
In München kam ich gerade zurecht um das „Rheingold“ hören zu können, das Ereignis der Saison. Da sah ich auch den jungen König Ludwig. Schön wie ein Apollo stand er in seiner Loge und lauschte mit Begeisterung den Klängen des damals noch so wenig verstandenen Werkes.
In Berlin aber machte ich dann alle Leiden und Freuden des langen Krieges mit durch! Das Zittern und Bangen der Frauen um ihre Felde stehenden Männer und Söhne, die Trauer der Angehörigen um die ruhmreich Gefallenen. Dann die Siegesfeste, zu denen wir jedesmal im Theater eine Feier hatten, mit Absingen patriotischer Lieder; die vielen Wohltätigkeitskonzerte zum Besten der Verwundeten – alles das erlebte ich als etwas Unvergeßliches, bis es endete mit dem glorreichen Einzuge Kaiser Wilhelms I.
Das Jahr 1870 war dennoch ein sehr erfolgreiches Jahr für die junge Sängerin. Sie hatte, bevor sie nach Baden-Baden zu Pauline Viardot gefahren als Ortrud im „Lohengrin“ in Weimar aufgetreten. Und sie begegnete Franz Liszt (1811-1886). Vor dem Weimarer Erfolg aber erlebte Marianne Brandt in der Partie der Magdalene die Berliner Erstaufführung der „Meistersinger von Nürnberg“.
Doch der Reihe nach:
Vom 26.5. bis zum 29.5.1870 trafen sich die Mitglieder des A(llgemeiner)D(eutscher)M(usik)V(erein) zu einer großangelegten Beethoven-Feier aus Anlaß des 100.Geburtstag, in Weimar. Der Verein hatte eingeladen, der eigentliche Initiator war aber Franz Liszt.
… Kaum hatten sich die Hochfluthen der Beethovenfeier ein wenig geebnet und verlaufen, als unser kunstsinniger, neu creierter General-Intendant, Freiherr Aug(ust) von Loen , bereits ein neues musikalisches Ereignis , nach dem Vorgange Dr.Franz Liszt, sogenannte Mustervorstellungen der Wagner’schen Musikdramen ermöglichte. Zu dem Zwecke war der Theaterchor verstärkt worden und die hervorragendsten Vertreter der Hauptcharaktere der Wagner’schen Operngebilde gewonnen worden … auch mußte diesmal , wegen Verhinderung der entsprechenden Darsteller, die interessante Oper „Tristan und Isolde“ wegbleiben. [Die Aufführung sollte im Oktober nachgeholt werden, der deutsch-französische Krieg machte dieses Ereignis unmöglich. Anm.d.Verf.] …
… am 19. Juni mit dem „Fliegenden Holländer“ [wurde begonnen] … der Besuch [entsprach], wenigstens diesmal – wahrscheinlich wegen der dreifach erhöhten Preise, nicht den gehegten Erwartungen. …
Am 22.Juni hörten wir den „Lohengrin“ mit Herrn Niemann in der Titelrolle. … Eine Ortrud , wie Fräulein Brandt aus Berlin , haben wir noch nicht gehört und gesehen; diese Künstlerin wußte durch Spiel und Gesang die äußerst schwierige Rolle in jeder Beziehung glänzend zu bewältigen. …
berichtet die „Neue Berliner Musikzeitung“ vom 27.Juli 1870.
Und Marianne Brandt ? Sie erinnert sich auf Anfrage des „Illustrierten Wiener Extrablatt“, im Feuilleton vom 12.September 1902 an das erste Zusammentreffen mit dem legendären Pianisten, Komponisten, der sich 1869 wieder in Weimar niedergelassen hatte:
… Der kunstsinnige Intendant von Weimar, Baron Loen, hatte Musteraufführungen von Opern Wagner’s arrangiert. … Loen wollte blos „Tannhäuser“, „Lohengrin“, „Die Meistersinger von Nürnberg“ [diese Aufführung fand nicht statt, Anm.d.Verf.] vorführen, allerdings in erstklassigen Besetzungen. Mit Anna Reiß und Herrn von Milde, die ständig in Weimar wirkten, sollten die Mallinger, Albert Niemann und Franz Nachbauer um die Siegespalme ringen. Eine Sängerin für die Ortrud fehlte. Es gab wohl einige Sängerinnen, welche Radbot’s rabiates Kind hätten auf die Bühne stellen können – doch der Intendant erhob fortwährend neue Bedenken. Endlich lenkte man seine Aufmerksamkeit auf meine Wenigkeit. Ich war eine Anfängerin, ich hatte noch nicht ein Spitzchen von einer Begabung hervorgestreckt. Man fragte mich, ob ich nach Weimar kommen wolle für diese eine Rolle hinfahren wolle? Den Mutigen gehört die Welt! So sprach auch ich und dampfte von Graz, wo ich zu dieser Zeit gastierte, nach Weimar.
Dort herrschte reges Leben. Künstler, Journalisten, Kunstfreunde aus aller Herren Länder waren anwesend und sammelten sich zur Mittagszeit im „Erbprinzen“, wo eine Tafelrunde gebildet wurde, der Franz Liszt präsidierte. Für mich Neuling bot das ganze ein ungemein fesselndes und interessantes Bild, doch sank mein bißchen Muth immer mehr, denn ich fürchtete vor diesem Parquet von Kennern schlecht zu bestehen! Mit Zittern ging ich auf die Probe. Doch wie erstaunte ich, als nach der „Anrufung der Götter“ im zweiten Acte aus einer dunklen Loge plötzlich ein kräftiger Applaus ertönte, während sonst nie in den Proben applaudirt wurde.
Das Rätsel fand bald seine Lösung. Nach dem Actschluß kam Baron von Loen auf die Bühne, mit ihm Liszt, der sich mir vorstellen ließ. Der Meister hatte den Wunsch geäußert, er möchte doch „die prächtige Person“ kennen lernen, welche die Ortrud so famos gesungen, wie er noch keine gehört. Ich traute meinen Ohren kaum bei diesem Lobe aus solchem Munde. Der Erfolg blieb mir auch abends treu und Herbeck, der damals nach Weimar gekommen war, um mich zu hören, zollte mir gleichfalls volle Anerkennung. Er sagte mir, Dingelstedt wolle mich für die Wiener Hofoper engagieren – es hat nicht sollen sein.
An Liszt hatte ich aber seit jener Zeit einen treuen Freund gewonnen, der mich, so oft ich nach Weimar kam, in jeder Weise auszeichnete. …
Marianne Brandt erwähnt nur nebenbei, man hätte die Ortrud sehr schwer besetzen können. In dieser beiläufigen Erwähnung verbirgt sich mehr als das Problem einer Rollenbesetzung – es zeigt mit welchen gesangstechnischen, vokalen Problemen – Sänger wie Sängerinnen – bei Wagnerpartien – bereits in den frühen Opern des Komponisten konfrontiert waren.
Liszt und Marianne Brandt verbindet eine von gegenseitiger großer Wertschätzung und Verbundenheit geprägte Verbindung. Marianne Brandt wird – nicht nur zu Lebzeiten des Komponisten Liszt – in ihren Soloabenden immer wieder seine Lieder singen, die Solopartien übernehmen in den Oratorien. Wie sie sich auch immer wieder für die zeitgenössische Musik einsetzt.
1886, wenige Wochen vor seinem Sterben und Tod in Bayreuth treffen beide in Sondershausen zusammen: Musikfest des ADMV, zu dem Liszt anreist, Marianne Brandt gibt einen Solobabend. Auf ihre besorgte Frage nach seinem Wohlergehen wird Liszt trocken antworten: Blindheit und Wassersucht – so die ärztliche Prognose.
1911 wird der 100. Geburtstag von Franz Liszt feierlich erinnert; anläßlich dieser Lisztfeiern stellt Marianne Brandt der „Neuen Freien Presse“ ihre Erinnerungen an Weimar zur Verfügung. (Diese handschriftlichen Aufzeichnungen liegen in ihrem Nachlaß in der Wienbibibliothek, IN 77902/41. Aus dem Fundus dieser Notate entstanden die beiden publizierten Texte, 1902 und 1911).
Es sind keine „verklärten“ Erinnerungen; sie umfassen die Zeitspanne von 1870 bis 1886. Sie erzählen von freundschaftlichen Begegnungen, zeigen Liszt von einer sehr geselligen menschlichen Seite, man ist versucht zu sagen als „Kumpel“, und so gar nicht als der „Frauenheld“ zu den ihn die Legende stilisiert hat. 6)
… Aber nicht nur an meiner Ortrud hatte Liszt Gefallen gefunden, sondern auch, als ich am Tage nach „Lohengrin“ in einer Soiree bei Baron Loen, das Trinklied aus „Lukrezia Borgia“ vortrug, an meinen Kadenzen und langen Trillern. „Marianne une cadence“ von da ab alle Augenblicke, wo wir uns auch trafen, und ich trällerte sofort etwas aus dem Stegreif, was ihm stets großen Spaß machte. Viel sang ich damals ein Lied von Lassen, das wir „Der Falke“ tauften, weil es beginnt: „O wär ich du, mein Falke du.“ Das Lied ist schwungvoll, aber kurz, und Liszt, der es mir meist begleitete, wünschte, daß ich es immer gleich zweimal nacheinander sänge und an einer Stelle , wo eine „Couronne“ [damit meint MB eine Fermate, Anm.d. Verf.] ist , beim zweitenmal eine Kadenz einlege, was ich auch tat.
Lassen ließ sich diesen kleinen Scherz mit seinem geistigen Eigentum – der Liszt jedes Mal ein Lächeln und Bravo entlockte - zuerst ruhig gefallen. Als aber Liszt eines Tages verlangte, ich solle den „Falken“ in einem Hofkonzert „mit Cadence“ singen, wehrte sich Lassen ziemlich energisch dagegen und wurde „fast“ böse. Der Protest nützte aber nicht, Liszt setzte seinen Willen durch, das Lied wurde mit Kadenz gesungen und von den Herrschaften sogar zweimal „da capo“ verlangt, Lassen war besiegt!
Als dann später einmal Liszt nicht in Weimar war, da ich in einem Hofkonzert mitwirkte und Lassen selbst mir seinen „Falken“ begleitete, antwortete er mir auf meine diesbezügliche Frage resigniert: „Machen wir ihn mit Cadence!“
In den folgenden Jahren ward ich öfter nach Weimar gerufen. Teils zum Gastspiele in der Oper, teils für Konzerte. Da traf ich fast immer mit Liszt zusammen und hatte Gelegenheit mit ihm Musik zu machen. Bei jeder geselligen Veranstaltung trafen wir uns und ging es bald ans Klavier, wo mich Liszt stets bereitwilligst akkompagnierte. Was das für ein Genuß war, läßt sich nicht beschreiben.
Das Klavier war unter seinen Händen kein kaltes Instrument mehr, es lebte, säuselte und donnerte, riß mit fort und schmiegte sich dennoch immer an die Singstimme an. Neue ungeahnte Nuancen brachte er dabei dem Vortrage des Sängers durch seine geniale Auffassung, man wurde gehoben und getragen durch ihn! Ob es seine eigenen Kompositionen, die von Lassen, Schubert oder anderen waren, für alle hatte er die gleiche Hingabe. (Der Scherz mit dem „Falken“ blieb vereinzelt.) Einmal nach einem Diner beim Gesandten Baron Pirch, erinnerte er sich, daß er ein paar Bände neuer Lieder von Robert Franz zu Hause liegen habe. Er ließ sie holen, und – unbekümmert darum, was die Tischgesellschaft dazu sagen würde -, setzte er sich ans Klavier und vertiefte sich in die Durchsicht der Lieder, welche ich „a vista“ mitsang. Er war ein Freund und großer Verehrer von Robert Franz, dem er mehr Verbreitung wünschte.
Im November 1873 wurde sein fünfzigjähriges Künstlerjubiläum in Pest gefeiert. Da ich um die Zeit frei war, reiste ich dazu hin. Es war eine großartige Sympahtiekundgebung, zu der unzählige Verehrer Liszt’s sich in der ungarischen Hauptstadt einfanden. …
So groß auch die Begeisterung war … so viel ihm gehuldigt wurde, fiel doch auch ein TropfenWermut in den Freudenbecher. Das waren die Kritiken … über den „Christus“, … Bekümmert fragten die Tischgenossen einander, welchen Eindruck die Urteile wohl auf den Meister gemacht haben würden, was er dazu sagen werde, ob er bei Tisch erscheinen werde u.s.f. Er erschien – etwas später, war etwas bleicher und stiller als sonst – aber kein Wort davon kam über seine Lippen. …
… Als die Damen sein Lied „Es muß ein Wunderbares sein“ von mir hören wollten, sagte Liszt: „Marianne, wenn Sie dieses Lied singen, begleite ich Sie nicht.“ Und da die Damen wissen wollten, warum, sagte er nach langem Drängen und Zögern: „Weil dieses das einzige Lied von mir ist, das Speidel gelobt hat.“ Es war also da ein wunder Punkt berührt worden, die empfindliche Stelle zeigte sich jetzt.
Schließlich bat und bestürmte man Liszt er möge doch spielen. … Kein Bravourstück kam, … sondern eine so weiche, sanfte, melancholische Phantasie, mit Samtfingern gespielt … man fühlte, er habe seine innere Verstimmung in diesen Sphärenklängen Luft gemacht, sich aus ihr losgerungen!
Im August 1876 traf ich Liszt wieder in Bayreuth. … Da hatte ich auch Gelegenheit viel mit seiner Begleitung zu singen. Man traf ja überall zusammen, in musikalischen Matineen und Soireen, welche während der Festspiele von den Damen der Gesellschaft veranstaltet wurden an den Tagen, wo keine Aufführungen im Festspielhause stattfanden …
Für mich … jeder … Tag ein Festtag! Unvergeßlich, herrliche Eindrücke in den drei Wochen, die ich in Bayreuth verbrachte …
Im Mai 1878 gastierte ich in Kassel, und da ich wußte, daß Liszt in Weimar sich aufhielt, richtete ich meine Rückfahrt so ein, daß ich mich einen Tag dort aufhalten konnte. …
Er freute sich sehr … und lud mich gleich zum Mittagessen ein. …
Als wir gegen 4 Uhr beim Dessert angelangt waren, ließ sich Baron Loen melden … und als der Baron sich empfahl , verkündeten mir die Herren, daß die großherzoglichen Herrschaften von meiner Anwesenheit erfahren hatten und wünschten, daß ich abends im Schlosse sänge. …
Bei diesem Diner sagte ich unter anderem zu Liszt: „Meister, warum schreiben Sie keine Oper? Mit Ihrem lebhaften Empfinden, Ihrer Gestaltungskraft, das müßte etwas Herrliches ergeben.“
„Ich hatte eine geschrieben,“ war die Antwort, „aber da kam ein ganz Großer, und ich warf die Partitur ins Feuer!“ …
Juli 1886 … Sondershausen … Tonkünstlerversammlung … . Wie sehr würde ich später bereut haben, fern geblieben zu sein, denn es war da zum letztenmal, daß ich den großen edlen Menschen und Künstler – Franz Liszt – sah, seinen geistig so anregenden Umgang genoß!
Er war direkt von einer ärztlichen Konsultation in Halle nach Sondershausen gekommen, und ich vergesse nie die schmerzliche Resignation, mit der er auf meine Frage nach seinem Befinden antwortete: „Der Arzt hat mir zwei sehr angenehme Dinge in Aussicht gestellt: Wassersucht und Erblindung!“ Ich suchte ihn scherzend über seine trübe Stimmung hinwegzugbringen; innerlich aber war ich erschreckt über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. … Dennoch besuchte er alle Proben, … brachte keine Klage wegen Ermüdung über seine Lippen und wollte auch die projektierte Reise nach Paris nicht aufgeben, wohin ihm Munkaczy geladen hatte.
Aber ich sagte ihm diesmal doch mit trüben Ahnungen Lebewohl …
Im Juli absolvierte ich die beiden Musikfeste in Rochester und Milwaukee … fuhr Anfang August nach Europa zurück. Als wir in Southampton die ersten deutschen Zeitungen erhielten, fand ich die Nachricht von Liszts Ableben, meine Ahnung hatte mich also nicht getäuscht . Groß war meine Trauer um den teuren Meister, dem ich in dankbarer Verehrung ergeben war.
Keine Bühne ohne Wagner ! … doch Berlin mußte sehr lange auf Wagner und seine Opern warten.
Botho von Hülsen (1815-1886) Intendant der Königlichen Schauspiele, Berlin stand Richard Wagner sehr distanziert um nicht zu sagen ablehnend gegenüber. Die Ursache: Hülsen, konservativ und königstreu, war an der Niederschlagung der Dresdner Revolution von 1848 aktiv beteiligt gewesen; der Komponist Wagner hatte bei dieser Dresdner 48er Revolte eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Wagner, lange Zeit steckbrieflich gesucht und erst späte amnestiert, umgab immer noch das Odium des Revolutionärs. Aber Hülsen, der auch kommerziell denken und handeln mußte, versprach sich – bei aller persönlichen Abneigung gegen den Komponisten, von den Aufführungen der bisher bekannten und erfolgreichen Wagner Opern, die andernorts volle Kasse machten, Erfolg für sein Haus und sein Budget; er sollte Recht behalten.
Mit der Aufführung des „Tannhäuser“ am 7.1.1856 hielt Wagner Einzug auf der Berliner Hofopernbühne. Drei Jahre später folgte der „Lohengrin“ am 23.1.1859.
1870: Die Berliner Erstaufführung der „Meistersinger von Nürnberg“.
Das Ensemble der Erstaufführung, unter ihnen Marianne Brandt als Magdalene, geriet mitten „ins Auge des Taifuns“ der Auseinandersetzungen rund um die umstrittene Erstaufführung der „Meistersinger von Nürnberg“ .
Hülsen konnte bei aller Aversion gegen Wagner als Person wie als Komponist, als Intendant eines renommierten Opernhauses die neuesten Werke des Komponisten nicht ignorieren, Publikum, Presse und die musikalische Öffentlichkeit und nicht zuletzt der Geldgeber, der königliche Hof hätten das entfacht, was auf neudeutsch ein „shitstorm“ ist.
Die „Meistersinger“ wurden also angesetzt, die Proben waren mühsam, aber hören wir dazu Marianne Brandt:
Die Berliner Premiere der „Meistersinger“. Eine Erinnerung von Mariann Brandt
… Die jetzige Generation hat keine Ahnung welche Aufregung dieses grandiose Werk in jener Zeit hervorrief, als Wagner noch von allen seitenangefochten ward, …
Von der ersten Aufführung der „MEISTERSINGER“ in Berlin will ich hier erzählen, wo ich mitten im Kampfe stand, aufseiten der „Schwachen“, das heißt der „Wagnerianer“.
Für den 8.Februar 1870 war die erste Klavierprobe angesetzt und an Königs Geburtstag, (damit ist Wilhelm I. gemeint, Kaiser ist er erst ab 1871, Anm.d.Verf.) 22.März, sollte die Premiere sein. Da das Werk für die damalige Zeit schier unüberwindliche Schwierigkeiten bot, unsere Kapellmeister, ohnedies stark überlastet, nicht Zeit hatten zum Einstudieren, so wurde zur Vorbereitung für Sänger und Orchester der Kapellmeister Eberle aus München verschrieben, der dort unter Wagner wirkte und dessen Werke genau kannte.
Eberle war ein großartiger Musiker, wußte seine „Meistersinger“ in – und auswendig, war aber entsetzlich nervös, ja halb verrückt, und machte alle, mit denen er studierte, ebenso. Er wollte alles auf einmal geben, erklärte bei jedem Takte, was Wagner sich dabei g e d a c h t hatte, geriet in förmliche Extase, tat enthusiastische Ausrufe, vergaß aber darüber, daß man doch erst Noten und Text inne haben mußte, um ganz in die Intentionen des Komponisten eingehen zu können. (Zur weiteren Charakteristik von Eberles Eifer für seineSache möchte ich hier einschalten, daß er, da ich ihn gebeten hatte, auch einmal die Ortrud mit mir durch zu nehmen, an meinem Klavier nicht weniger als fünf Hämmer abschlug, so trommelte er durch 3 ½ Stunden voll Begeisterung darauf ein.)
Da Mallinger – Eva, Betz –Sachs bereits in München unter Wagner ihre Rollen studiert und gesungen hatten, Niemann – Stolzing zur Zeit auf Urlaub war, so blieben von größeren Rollen nur David, Beckmesser und Pogner zum Studieren mit Eberle, deren Vertreter mit Eifer bei der Sache waren.
Große Schwierigkeiten bereiteten aber die übrigen “Meister“, die fast alle mit Unlust studierten, weil sie „Anti“ Wagnerianer waren, die d i e s e Musik für Unsinn erklärten. Einer davon ging sogar so weit, ganz im Ernst zu sagen: Paßt mal auf, der Wagner hat diesen Blödsinn (die Prügelszene) mit Absicht so geschrieben, daß man sich recht plagt damit und nachher wird er erklären: „ Seht, ich habe Euch alle zum Narren gehalten, und ihr seid darauf hineingefallen.“
Mit solchen Elementen war wohl nicht leicht zu arbeiten, aber Ruhe und Besonnenheit hätte sie doch zur Räson gebracht; Eberle war jedoch nicht der Mann, die Wirrniß zu klären. Er verhetzte alles mit seiner Nervosität , selbst ich (die Lene), die keine Mühe beim Studieren scheute, warf einmal die Noten hin und erklärte: „Auf diese Art kann ich das nie erlernen!“ Auch mit dem Orchester gab es immer Reibereien, täglich waren mehrstündige Proben und doch ging es nicht vorwärts, denn die Kammermusiker wurden ebenso nervös dabei wie die Sänger.
Am 24.Februar kam es endlich zur ersten Sitzprobe mit Orchester, aber es war noch ein –Chaos. Viele, drei – und vierstündige Proben folgten, bis wir am 14.März die erste Szenenprobe mit Orchester hatten unter Kapellmeister Eckerts Leitung, und Eberle sich empfahl, um nach München zurückzukehren. …Von da ab ging es ruhiger her, und deshalb verhältnismäßig schneller und besser, doch war es schon sicher, daß die Premiere am 22.März nicht stattfinden könne . …
Erst am 30,März war die Generalprobe und am 1.April die Premiere. Das war aber ein toller Abend!
Anfangs ging alles ganz gut –Niemann - Walther sang sein Lied da capo – natürlich wurde dabei stark g e z i s c h t , aber die Zischer waren bald n i e d e r g e k l a t s c h t , und am Schluß des Aktes wurden Sänger und Dirigent oft gerufen. Die Wagnerianer triumphierten!
Im zweiten Akte blieb anfangs alles mäuschenstille, aber sowie der Beckmesser zu singen begann, ging’s an mit Zischen und Pfeifen, und der Lärm dauerte fort, bis der Vorhang fiel, sodaß man kaum ein Stichwort hörte und die Keilerei im Publikum ärger zu sein schien als die auf der Bühne.- Unser Beckmesser ließ sich glücklicherweise nicht dadurch aus der Fassung bringen, und so ging die berühmte Prügelszene ohne „Umwerfen“ zu Ende, Aber nach dem Aktschluß dachte man wirklich das Theater müsse einstürzen, solch ein Gejohle, Gezische, lautes Schreien, Lachen, Mit-den-Füßen-trampeln und Beckmesser-Rufen ging los. Unser, sonst meist in kleineren Rollen beschäftigter und durch Applaus nicht verwöhnter Beckmesser mußte unzählige Male hinaustreten, unter Lachsalven und Gezische neben wütendem Applaudieren.
Im dritten Akte war das Zischen mäßig. Die Stelle „ Nur mit der Melodei seid ihr ein wenig frei“ wurde sogar ohne Widerspruch riesig applaudiert ebenso das herrliche Quintett. Am Schlusse wurden mit verhältnismäßig wenig Opposition alle Beteiligten oft gerufen. Die Vorstellung hatte von 6 bis ¾ 11 Uhr gedauert.
Aus den vielen Spalten füllenden Kritiken wurde niemand klug über den eigentlichen Wert 'und Erfolg des Werkes. Darin waren aber fast alle einig, daß große Striche gemacht werden mußten, wenn sich die Oper für Berlin halten sollte . …
Nach Hugo Fetting war die Premiere am 22.3.; Marianne Brandt schreibt aber: Generalprobe am 30.3. und Premiere am 1.4.1870.
Die Theaterzeitschrift „Bühne und Welt“ hat diese Erinnerungen von Marianne Brandt 1912/1913 veröffentlicht; der Anlaß dürfte ein mehrfacher gewesen sein: Marianne Brandt war 1912 70 Jahre alt geworden, 1913 wurde der „Parsifal“ urheberrechtsfrei, es jährte sich der Geburtstag von Wagner zum 100.Mal und der Tod des Komponisten lag 30 Jahre zurück. Den Zeitgenossen galt Marianne Brandt – ähnlich wie Lilli Lehmann als bedeutende Wagnersängerin, als Zeitzeugin.
Bereits 1869 zeichnet sich ab, daß Marianne Brandt eigentlich eine „reisende“ Sängerin ist – sie nutzt die ihr zur Verfügung stehende freie Zeit um zu gastieren. Als sie 1871 ihren Vertrag mit der Berliner Hofoper für weitere fünf Jahre unterschrieb, ahnte sie nicht, daß ihre Beschäftigung an dieser Bühne vor allem Repertoire –Partien bedeutete, und immer nur die „Seconda Donna“. Sie fühlte sich unterbeschäftigt, war es wohl auch und nutzte die freie Zeit für zahlreiche Gastspiele, erweiterte ihr Repertoire, trat mit diesen neuen Partien auf anderen Bühnen sehr erfolgreich auf.
1872: mit der Leonore in „Fidelio“ feierte Marianne Brandt an der Londoner Oper, CoventGarden einen großen, sehr persönlichen Erfolg – und wieder nach Berlin zurückgekehrt, lag es nahe, daß sie nicht nur immer die „seconda donna“ singen wollte, sondern auch die großen Partien, die sie längst andernorts –als Gast- gesungen hatte.
Diese legitime Forderung wurde abgelehnt; einem ondit zufolge hätte es auch Unstimmigkeiten mit einem Regisseur gegeben – wie auch immer – Marianne Brandt bestand 1873 auf der vorzeitigen Vertragsauflösung.
Als Botho von Hülsen sich dazu entschloß, die neueste erfolgreiche Oper, „Aida“ von Giuseppe Verdi,( UA 1871 in Kairo) in Berlin aufzuführen, hatte er keinen Mezzosopran oder dramatischen Sopran italienischer Gesangsschulung in seinem Ensemble; er konnte die Partie der Amneris nicht besetzen. Man bot daraufhin Marianne Brandt die Partie an, und nach längeren Verhandlungen stimmte sie zu, die Vertragsauflösung wurde annuliert.
In den folgenden Jahren, bis zu ihrem endgültigen Ausscheiden aus dem Verband der königlichen Schauspiele, mit Saisonende im Mai 1882, wurde die königlich preußische Kammersängerin Marianne Brandt, der Titel war ihr 1877 verliehen worden, viel gefeiert; sie sang Repertoire, sie sang auch zahlreiche Partien in Erstaufführungen.
Eine Uraufführung wurde zu ihrem ganz persönlichen Erfolg, mehr noch, als sie die Berliner Hofoper verließ, war an eine Aufführung vor vollem Haus „Die Makkabäer“ nicht mehr zu denken. Mit dem Abgang von Marianne Brandt verschwand die Oper aus dem Spielplan.
Anton Rubinstein (1829 -1894) – war nicht nur ein gefeierter Pianist, sondern auch Komponist, mit einer unerfüllten Liebe zum Musiktheater. Er hatte seine Oper „Die Maccabäer“ an der Lindenoper eingereicht. Eine Uraufführung war zunächst abgelehnt worden – doch nun - 1875 endlich! - sollte die Uraufführung stattfinden.
Die Partie der Mutter Leah wurde Marianne Brandt anvertraut, die sie allerdings zunächst zurückgab. Sie war der Meinung, die Partie entpräche nicht ihrer Stimmlage. Doch der Komponist Rubinstein ist ganz anderer Ansicht – die Leah, eine Mutterrolle, ist eine ältere Frau, die nur von einer tieferen, dunklen Stimme gesungen und interpretiert werden könne – und zudem auch viel darstellerisches Gestalten erforderte. Unmöglich diese Partie von einem Sopran singen zu lassen! Letzten Endes kapituliert Marianne Brandt vor der Beredsamkeit und der Persönlichkeit des Komponisten und nimmt die Rolle an.
Mit der ihr eigenen Gründlichkeit macht sie sich an das Studium der Partie. Sie liest den Text von Otto Ludwig; Otto Ludwig hatte das Libretto nach dem Drama von Salomon Hermann Mosenthal (1821 -1877) eingerichtet.Sie wollte auf dem Umweg über den Dichter der Person, dem Charakter dieser „Heldenmutter“ näher zu kommen.
Die Rolle enthält viel jüdische Riten, religiöse, rituelle Gebärden, die zentrale Szene ist eine Szene mit einem (mütterlichen) Segen.
Bei einem Gastspiel in Königsberg hilft ihr der Zufall; Marianne Brandt trifft den Cantor der dortigen Jüdischen Gemeinde, sie erzählt ihm von ihren „Rollennöten“; er lädt sie ein zur Teilnahme an einem Gottesdienst in der Synagoge.
Doch wie die Kostümfrage lösen? Was trug eine Frau, eine Mutter, aus der Hasmonäerzeit?
Marianne Brandt wandte sich an Gustav Richter (1823-1884), Historienmaler, verheiratet mit Cornelie Meyerbeer(1842-1922), eine Tochter des Komponisten. Sie führte – wie einstmals ihre Großmutte Amalie Beer(1767-1854) einen großen, musikalischen, literarischen Salon. Gustav Richter galt allgemein als DER Orientspezialist in Berlin. Er entwarf ihr das passende Kostüm.
Die Uraufführung wurde ein großer Erfolg.
… Über die erste Vorstellung der Oper „Die Maccabäer“ ist bereits wederholt geschrieben worden. Man wird es hoffentlich nicht als Phrase deuten, wenn ich sage, daß ich während meiner ganzen Bühnenlaifbahn noch nie so aufgeregt war, wie an diesem Abend. Ich hatte mein ganzes Sein in diese Rolle gelegt, und als der Vorhang zum letzten Mal niederging, hatte sich meiner eine frühe nie gekannte physische und moralische Abspannung bemächtigt.
Rubinstein war zufrieden.
So lange der Meister in Berlin weilte, getraute sich Eckert nicht, Striche anzubringen. Nach der sechsten Aufführung nahm man sich einige „Freiheiten“. Der Componist mochte davon erfahren haben, denn eines schönen Abends tauchte er in der Oper wieder auf.
„Sie haben also doch gestrichen,“ donnerte er und blitzte mich an.
„Es mußte sein, verzeihen Sie mir, aber ich war schon ganz hin.“ Mit diesem Einwurfe wollte ich die Wolken seines Unmuts zerstreuen.
„Besser die Sängerin ist hin als die Oper,“ grollte er weiter … um schließlich seine Einwilligung in liebenswürdiger Form zu ertheilen.
Eine Woche später erhielt ich aus Peterhof folgenden Brief:
„Liebe Brandt! Sie sind soch ein ganz famoser Kerl. Ich weiß aus eigener Anschauung, wie vortrefflich Sie als Lea sind und höre fortwährend von Musikkennern Ihr Lob singen. Wie schade, daß Sie nicht überall die Lea singen können. Meine Oper würde davon sehr profitieren. Übrigens bin ich damit zufrieden, daß die Berliner den richtigen Eindruck empfangen haben.
Nochmals besten Dank von Ihrem
Anton Rubinstein“
So war er, der gottbegnadete Mensch, wie der Diamant voll Ecken, die aber in hellstem Feuer sprühten. …
So Marianne Brandt in ihren „Erinnerungen“, die das Wiener Illustrierte Exrablatt am 12.Septmber 1902 veröffentlichte; sie feierte in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag.
Mit dem Saisonende im Mai 1882 verläßt Marianne Brandt die Berliner Hofoper mit zwei traurig umjubelten Abschiedsvorstellungen: mit der Leah in „ Die Makkabäer“ und – nun schließt sich der Kreis – mit der Fides aus „Der Prophet“; ihrer Antrittsrolle vom 1. April 1869.
Was nun folgt sind erfolgreiche Gastspiel –Reisejahre quer durch Europa und nach Amerika. Marianne Brandt hat – angefragt von Johann Herbeck (1831- 1877, Dirigent und Direktor der Hofoper Wien 1870-1875), von Franz Jauner( 1831-1900, Direktor der Wiener Hofoper 1875-1880, von Wilhelm Jahn( Dirigent, Direktor der Wiener Hofoper 1881-1897), viel an der Wiener Hofoper – im Haus am Ring –erfolgreich gastiert, oft auch für mehrere Wochen.
Das - vermutlich von ihr heimlich gewünschte und erhoffte Engagement – ein Engagement an die k.u.k. Hofoper blieb ein Wunschtraum. 1870 hatte sie von Herbeck nach der erfolgreichen Musteraufführung des „Lohengrin“, - sie sang die Ortrud-, das Angebot erhalten nach Wien zu wechseln. Doch dieses Angebot kam zu einem denkbar ungüsntigen Augenblick. Marianne Brandt mußtge ablehnen, sie hatte gerade erst einen dreijährigen Vertrag mit Berlin unterzeichnet; sie hätte vertragsbrüchig werden müssen um nach Wien zu wechseln – und das stand nicht zur Diskussion.
Seit das musikalische New York, aber auch andere kleinere und größere Städte in Amerika, das musikalisch-gesellschaftliche Phänomen „Oper“ wieder entdeckt hatten, gab es – auch wenn das Reisen noch so schwierig und anstrengend war – regelmäßige, zahlreiche Gastspiele reisefreudiger Operntruppen.
1825/26 gastierte um nur ein Beispiel zu nennen, die „Truppe“ García in New York, mit „Il Barbiere di Siviglia“, „Don Giovanni“ .
Die Bedeutung von Garcías Gastspiel in New York für die dortige Opernszene, deren Anfänge bis ins 18.Jh. zurückreichen, steht außer Frage. … Wenn Größen der europäischen Opernszene eine ganz Saison lang, also im Winter 1825/26 für das amerikanische Publikum aufgetreten sind, so haben sie damit doe Oper auch als gesellschaftliches Ereignis eingerichtet. New York war Teil der internationalen Opernszene geworden. … die italienische Oper in New York etabliert, und der Erfolg hat New York auch für andere Operntruppen und Opernunternehmer interessant gemacht. …
Beschreibt Otto Biba das Engagement von Lorenzo Da Ponte in New York, wo sich der nun alt gewordenene Librettist von Mozart eine neue, häufig vom Scheitern bedrohte Existenz aufgebaut hatte. (Nachzulesen in: Lorenzo Da Ponte. Aufbruch in die Neue Welt, Hg. Werner Hanak, Wien 2006 )
Und dann trat Leopold Damrosch(1832-1885, Musikmanager) auf den Plan; die Repertoiregestaltung der New Yorker Oper zu reformieren, neu auszurichten ging auf seine Initiative zurück, die allerdings in erster Linie darauf abzielte mehr europäische Sänger nach Amerika zu engagieren, verbunden mit der Idee, das Niveau der amerikanischen Gesangskultur zu heben, ihr neue Impulse zu geben. (Korrekterweise müßte es heißen: in den Vereinigten Staaten von Amerika.) Leopold Damrosch reiste von Opernhaus zu Opernhaus, hörte Opern, Sänger, sprach mit Dirigenten, verhandelte – und bot sehr hohe Gagen an. Letzteres bestimmte viele Musiker – gleichgültig ob Instrumentalist oder Sänger oder Dirigent das Angebot eines Gastspiels, einer Tournee anzunehmen. Das Reisen war nun wesentlich komfortabler geworden; die Segelschiffe waren von Dampfschiffen, die viel Komfort boten, längst Geschichte.
1880 nach der Gründung der Metropolitan Company findet die erste Spielzeit statt, organisiert von der genannten Company.
Leopold Damrosch und später sein Sohn Walter, der Dirigent, machen aus dem New Yorker Opernhaus erneut eine Spielstätte von internationalem Niveau und Renommé; eine Tradition, die in der ersten Hälfte des 19.Jh. zu einer ersten Blüte des New Yorker Opernlebens geführt hatte.
Der Reiseboom beginnt Pauline Lucca (1841-1908, Sopran). Die Sängerin in Berlin und wien engagiert, verlangte von der Intendanz Hülsen eine Gagenerhöhung, die ir aber verweigert wurde. Kurz entschlossen machte sie ihre Drohung wahr, nach Amerika zu gehen; sie unterschrieb sie Vertrag mit der Metropolitan Opera – und reiste ab.
Marianne Brandt, seit 1882 nicht mehr vertraglich an die Berliner Hofoper gebunden, ist nun jährlich in Amerika; neben den Verträgen mit der Metropolitan Opera schließt sie auch für andere Auftritte ab.
Doch vor dem Abenteuer Amerika und den damit verbundenen Vertragsabschlüssen hatte sie ein großes – sängerisch-künstlerisches –„Abenteuer“ zu bestehen: sie sollte die Kundry in der Uraufführungsserie des „Parsifal“ singen.
1881 erhielt sie die Einladung und reiste Ende Juni 1881 an. Es folgt ein erster sehr intensiver Arbeitsprozess, den Cosima mit ihren Tagebucheintragungen akribisch festhält; am 2. September 1881 notiert Cosima im Tagebuch sehr zufrieden,
… Sicherheit, daß Marianne Brandt die Kundry wird gut singen können. … Das Äußere, meinen wir, wird zu überwinden sein, da wie R. uns sagt: „alles bei Kundry ist Kostüm, die Häßlichkeit, die Schönheit, alles ist Maske.“ …
Mit der Partie der Kundry hat Wagner eine – magisch dualistische Frauenrolle erfunden; er löst seine Phantasiegestalt völlig von den überlieferten literarischen Vorbildern (u.a. Wolfram von Eschenbach „Parzival“). Die Verkörperung, das Bild des Abbilds , die „Idee“ der„Verführung“; er nennt sie „Urteufelin“ . Ist diese Kundry Lilith ? oder – und Magdalena ?
… Eine der schwierigsten Aufgaben der Opernbühne ist die der Kundry. Dies rätselhafte Wesen ist einmal ein Ausbund von Häßlichkeit, ein andermal ein bildschönes Weib, in beiden Fällen aber ein Dämon durch und durch. Die Wahl Richard Wagner‘s war für die erste Vorstellung auf Frau Friedrich –Materna aus Wien gefallen. Gegen die ausgezeichnete Künstlerschaft der Frau Materna haben wir gar nichts einzuwenden, dennoch finden wir die Wahl Wagner’s unbegreiflich, da ihm eine Kundry zu Gebote stand, für welche die Partie eigens geschrieben zu sein scheint, das ist Fräulein Marianne Brandt, das ehemalige Mitglied der königlichen Oper in Berlin. Wer die Kundry sieht und hört, der erkennt sofort, daß sie nur von einer Künstlerin mit dunklem Stimmtimbre und vollem Ton gesungen werden kann,
wenn sonst alle Eigenschaften des rätselhaften Wesens vollkommen gedeckt erscheinen sollen. Frau Marterna repräsentiert das gerade Gegenteil davon, ihr Stimmtimbre ist ganz heller Sopran, kaum einmal Mezzosopran, und ist ihr Ton zwar mächtig, aber scharf und schneidend . Daß sie , diese nicht passenden Eigenschaften abgerechnet, ihre schwierige Aufgabe sehr gut löste, wollen wir gerne constatiren, aber daß Marianne Brandt ins Hintertreffen geschoben und für die zweite Vorstellung bestimmt worden ist, … das gehört zu jenen Unbegreiflichkeiten, deren sich Richard Wagner nicht gerade selten zu schulden kommen läßt. …
Der Berichterstatter vom Grazer Volksblatt, nach dem Besuch der Vorstellung, am 12. August 1882, ist nicht der einzige Rezensent, der die Entscheidung von Richard Wagner die Materna die erste Serie singen zu lassen, bemängelt.
Die Bühnenrealität, die reale Sängerin der Kundry kann der Maximalvorstellung ihres Schöpfers Richard Wagner wohl nie wirklich entsprechen; sie kann und wird Annäherungen singen, spielen. Marianne Brandt muß dieser Wunschvorstellung Richard Wagners – stimmlich und auch optisch spielerisch ziemlich nahegekommen sein. Doch warum aber gab er dann der Materna das „ius primae noctis“ der Uraufführung?
Eine kurze, wie beiläufig in die Feder „gerutschte“ Bemerkung von Lilli Lehmann (in ihren Erinnerungen, „Mein Weg“ könnte des Rätsels Lösung sein. Sie erzählt ausführlich von den Proben zur Uraufführung der einzelnen Abende für den „Ring“ 1876 und daß es dabei oft zu divergierenden Ansichten zwischen Cosima und Richard Wagner gekommen sei; und „der Meister“ dann sehr oft nachgegeben habe. Ähnliches hat wahrscheinlich auch während der Probenzeit zu „Parsifal“ stattgefunden (die Tagebücher schweigen dazu).
Marianne Brandt hat in dieser Bayreuther Tagen viele Briefe an ihre Schwester Pauline nach Wien geschrieben, die einen sehr lebendigen Einblick in das Auf- und Ab der Probenarbeit geben – von den Schwierigkeiten als Sängerin, als Darstellerin mit den oft divergierenden Anweisungen von Richard Wagner zurecht zu kommen; es lief etwa so ab: was er am Vortag gut gefunden hatte, vorgezeigt hatte – war am nächsten Tag vergessen und/oder er forderte das Gegenteil, geriet in eine kaum faßbare Aufregung, wenn man ihm erklärte, „Aber Meister, gestern … “.
In dem Brief (Teilnachlaß, Wienbibliothek) an die Schwester Pauline vom 14.Juli 1882 finde ich eine Bemerkung, die aufhorchen läßt:
… Cosima sagte, es sei alles vortrefflich gewesen, und ich hätte schön ausgesehen, verklärt! Das ist aber einzig und allein der Unterschied zwischen mir und der Materna: sie ist und bleibt überall Frau Materna mit der schönen Stimme, und ich werde die betreffende Person, die ich darstelle.
Wagner berät sich auch mit Hermann Levi über die Besetzungsprobleme für die drei verschiedenen Aufführungsserien – wer soll wann singen?
… Die Verteilung der verschiedenen Aufführungsabende an die Sänger macht mir Sorge; Jeder will natürlich zuerst auftreten? Welchen Modus der Aufeinanderfolge schlage ich Ihnen nun vor? Die liebste Besetzung ist mir – offen gesagt: Brandt, Winkelmann (die bereits bei mir studiert haben) und Scaria. Was werden die andern dazu sagen, wenn sie erst am zweiten Abend singen sollen ?
Zitiert Kurt Pahlen den Komponisten in seiner Publikation „Parsifal“ auf S. 223, allerdings ohne weitere Angeben zu dem Zitat hinzuzufügen.
Dennoch: Amalie Materna bekam das ius primae noctis der UA.
Dazu RW an Hermann Levi:
… Hingegen glaubte sich Frau Materna durch meine zuerst an sie ergangene Einladung im eigentlichen Besitz der Partie und besteht jetzt als Bedingung ihrer Mitwirkung auf dem Recht der ersten Vorstellung, während Fräulein Brandt, welche die Kundry bereits vor sieben Monaten zu meiner höchsten Befriedigung mit mir studiert hat, von einem Vorrecht der ersten Darstellung, wie ich sicher annehme, bescheiden absteht. …
So zu lesen als Zitat Wagners im Nachruf auf Marianne Brandt in der „Neuen Freien Presse“ vom 21.Juli 1921
Eine entspannte, kreativ produktive Probenatmosphäre wurde immer wieder gestört, dafür sorgte Wagner mit seinen oft widersprüchlichen Anweisungen. Und die Entscheidung wer singt nun tatsächlich die eigentliche Uraufführung brachte zusätzlich „Sand ins Getriebe“, zumal Wagner Marianne Brandt durch seine Anweisung sie möge doch mit dem Ballettmeister Fricke probieren wenig professionell auf die Nöte seiner Sängerin einging.
MB war eine professionelle Probiererin, dachte immer auch in darstellerischen Kategorien, aber mangelte es an positiver Zuwendung, dann konnte es geschehen, daß sie schon mal überreagierte.
Am 21.Juli 1882 richtet Marianne Brandt ein ausführliches Schreiben an Richard Wagner, in dem sie die Partie der Kundry zurücklegt.
Sie begründet ihre Entscheidung, indem sie die Mängel auflistet, die sie selbst empfindet, schonungslos, bemerkt kritisch, doch diplomatisch elegant formuliert, die erheblichen Defizite der Probenarbeit, die es ihr (aber nicht nur ihr) unmöglich machen, an der Rolle so zu arbeiten, daß vorzeigbare Resultate entstehen. Sie spricht auch die Zurücksetzung an, die ihr Wagner zugemutet hat: als er mit ihr unzufrieden war, verwies er sie an den Ballettmeister Fricke. Ein Ballettmeister kann zwar Bewegungsabläufe erfinden, kontrollieren, aber nicht mit den stimmtechnischen Abläufen koordinieren – dies der Subtext; Marianne Brandt verfügte über eine untrügliche szenische Phantasie, wußte sehr genau über die Möglichkeiten der Darstellung, sängerisch wie spielerisch.
Die überbordende Dekoration des 2. Aktes, in der Szene zwischen Kundry und Parsifal verlangt nach Intimität und an der mangelte es. Auf dem Umweg über Cosima versuchte Marianne Brandt entsprechende Änderungen anzuregen; diese wurden dann auch tatsächlich übernommen.
Marianne Brandt „plagten“ – nicht ungewöhnlich - immer Selbstzweifel– und diese nicht nur bei der Erarbeitung der Partie der Kundry; sie sind Teil des künstlerischen Gestaltungsprozesses .
Dieses Schreiben, nur in ihrem Nachlaß in der Wienbibliothek ( IN 77915) überliefert, hat sie wie die Recherchen im Wagner-Museum, Bayreuth ergaben, vermutlich Wagner nie ausgehändigt. Vielleicht hat sie diesen Brief Cosima übergeben und diese hat ihn nach Lektüre zurückgegeben.
Fazit: sie singt die Kundry – und zwar sehr zur Zufriedenheit des Komponisten.
Zurück zum Reiseboom, zum Auszug der Sänger nach Amerika, von der Presse kritisch begleitet.
So sprechen „Die Signale für die musikalische Welt“ 1887 von einem
„Künstlerauszug nach Amerika… die Herren Fischer, Robinson mit Fräulein Brandt am 13.Oktober … Lilli Lehmann aus Berlin angereist, schließt sich der Gruppe an, die Fahrt beginnt in Bremen …
Die Erfolge der Sängertruppe aus Berlin wird von den Zeitungen und Fachzeitschriften von Beginn an minutiös verfolgt und das Publikum erfährt ausführlich von den Auftritten und Erfolgen seiner – verreisten – „Lieblinge“, über Auftritte an der Metropolitan Opera in New York, über den Verlauf einer Tournee oder über Konzerte.
1888 entscheidet Marianne Brandt: ich höre auf, ich trete von der Bühne ab – nach rund zwanzig –jähriger Bühnenpräsenz. Ich werde nur noch kleine und sehr ausgewählte Konzerte singen, Partien, die ich meiner Stimme noch abverlangen kann. Die ausgefeilteste Technik kann nicht darüber hinweg täuschen, daß meine Stimme starke Verschleißerscheinungen zeigt und ich möchte meinem Publikum doch immer nur die beste Leistung bieten können.
Ende 1890 löst sie ihre Berliner Wohnung am Tempelhofer Ufer 3 auf: sie mietet eine große Wohnung in der Esterhazygasse 39 , in Wien Gumpendorf. Schwester Pauline zieht mit ein und übernimmt neben der Haushaltsführung auch viele kleinere Aufgaben vergleichbar einer guten Sekretärin oder Assistentin, damit die Schwester Marianne sich voll und ganz um ihre Schülerinnen kümmern kann.
So beginnt Marianne Brandt ein zweites Leben – als Gesangsmeisterin, wie sie sich selbst nennt. Und sie ist erfolgreich.
Es gab kaum ein Konzert für angehende Sängerinnen, für Debütantinnen, bei den nicht eine Schülerin von Marianne Brandt auftrat; man sprach in der Presse von der „Brandt-Schule“. Von den zahlreichen Schülerinnen von Marianne Brandt haben es nur wenige in die Annalen der Musikgeschichte geschafft.
Helene Nahowski, besser bekannt als Helene Berg (1885-1976). Sie gab das Singen auf als sie den Komponisten Alban Berg kennen lernte und trat nur noch im privaten Kreis auf. Zwischen Helene Berg und Marianne Brandt bestand aber über das Verhältnis Lehrerin-Schülerin hinaus eine engere Beziehung; das kann man den Briefen entnehmen, die im Nachlaß Alban Berg überliefert sind.
Edyth Walker (1867-1950), Sopran, eine amerikanische Sängerin, die an der Wiener Hofoper engagiert war, als sich Marianne Brandt in Wien niederließ. Edyth Walker war eine erfolgreiche Sängerin, beim Publikum beliebt – doch nach dem Amtsantritt von Gustav Mahler 1897 begannen die Probleme zwischen Direktor, Dirigent und der Sängerin , die dann 1903 zu ihrem Ausscheiden aus dem Verband der Hofoper führten. Edyth Walker hatte bei Marianne Brandt Unterricht genommen um ihre Technik weiter auszufeilen, ihre sängerischen Gestaltungsmöglichkeiten zu verbreitern.
Camilla Frydan, eigentlich Camilla Herzl, pseud. Camilla Herzer, ( 1887 – 1949) wurde keine Opernsängerin. Sie wählte das Fach der Soubrette, trat im Kabarett „Fledermaus“ auf, komponierte – doch der Erfolg wurde 1938 jäh gestoppt; aus Österreich wurde die Ostmark; Camilla Frydan emigrierte nach New York.
Der Erste Weltkrieg 1914 -1918 eine Zäsur, die alles außer Kraft setzt.
Marianne Brandt lebt nun allein ihrer Wohnung in der Köstlergasse 6, Pauline war 1917 gestorben, sie erträgt die veränderten Verhältnisse, Hunger, allgemeine Not, Geldsorgen etwas genervt um es neudeutsch auszudrücken, aber mit einer gewissen Gelassenheit; sie flüchtet vor der unbarmherzigen Alltagsrealität in die Vergangenheit. Doch irgendwann einmal, es dürfte so gegen Ende 1920 gewesen sein, kann sie auch das Haus nicht mehr verlassen, die Beine wollen nicht mehr (das konnte ich einem Brief an Helene Berg entnehmen) .
1921 zieht Marianne Brandt um in das Privatsanatorium Löw . Das Sanatorium Löw, nach seiner Gründung in der Leopoldstadt 1859, übersiedelt der Gründer Löw dann in den Alsergrund. Es war Wiens größtes Privatsanatorium und medizinisch wie pflegerisch hervorragend ausgestattet und geführt. Viele Künstler suchten das Haus auf, für manche wurde es der Ort zum Sterben, wie für Gustav Mahler 1911.
(Mit der Entstehung der „Ostmark“ wurde die Einrichtung liquidiert wie alle anderen jüdischen Krankenhäuser.)
Am 9.Juli1921 stirbt Marianne Brandt; bis zuletzt – so wird berichtet – hat sie mit Gesangsunterricht, mit Singen dafür gesorgt, daß selbst in einer von Krankheit und Tod geprägte Umgebung Lebendigkeit und Freude am beschwerlichen Alltag sich entfalten konnte.
Sie wurde im Familiengrab in Hadersdorf Weidlingau beigesetzt auf ihren ausdrücklichen Wunsch in aller Stille.
„ Rauh und dornenvoll war oft der Weg, den ich ging, aber es war doch eine große, schöne Zeit, in der ich meine ‚Reise durch das Reich der Bühne‘ machte!“
so zu lesen in ihren Aufzeichnungen, "Aus meiner Kodak", die sie während der Sommermonate zum Zeitvertreib notiert hat.
Über die Stimme von MARIANNE BRANDT als Darstellerin
Marianne Brandt verfügte über einen Stimmumfang, der vom Alt bis in die Sopranlage reichte – selten, aber nihct ungewöhnlich.
In den ersten Berliner Kritiken kann man nachlesen, daß die Rezensenten die Stimme dieser Debütantin nicht nur als Altstimme hörten, kritische Bemerkungen zu Brustregister, Tiefe, Farbe sind zu finden, ebenso zur Sopranlage.
Die Sopranlage klang nicht hell und leuchtend wie es die reinen Sopranstimmen, makellos, vielleicht verbunden mit einer „sanften Süße“ (verbal schwer zu fassen), sondern, und das machte das Besondere an ihrer Stimme aus – sie klang immer ein wenig dunkel, wie die D-Saite eines Cello in den oberen Lagen.
Einigkeit herrscht über den ungewöhnlichen Stimmumfang, die Klangfülle, ihre außerordentliche Technik und musikalische Bildung sowie die hohe Kunst der Darstellung, der schauspielerischen und sprechtechnische Gestaltung einer Partie, für die Zeit ein noch unübliches Phänomen auf der Opernbühne; eine eminente Bühnenpräsenz, großes darstellerisches Talent und die Fähigkeit, eine Partie nach eigenen Vorstellungen sehr präzise musikalisch wie darstellerisch zu gestalten.
Wie also klang nun diese Stimme ? Es blieb der Rückgriff auf die Rezensionen, und diese sind so vielfältig in der Einschätzung wie ihre Verfasser unterschiedliche Ohren haben.
… die große und sonore Stimme “ … die hohe Kunstfertigkeit“ – dieses Urteil zieht sich wie ein basso continuo als Tema con variazione durch nahezu sämtliche Schilderungen; aus der Vielfalt der Beschreibungen ergibt sich doch ein einigermaßen verläßlicher Eindruck dieser außergewöhnlichen Stimme und ihrer Trägerin.
Ich habe einige wenige ausgewählt, - vielleicht stellt sich bei dem Leser – so wie es mir erging – auch das akustische Erlebnis ein.
Ein Rigaer Rezensent am 7.August 1874, er schreibt für das Leipziger "Musikalische Wochenblatt" – sie gastiert 1874 an der Oper in Riga; zu den verschiedenen Partien, in denen sie sich dem Rigaer Opernpublikum präsentierte, gehörte auch die Leonore in „Fidelio“ - „rätselt“ über den Stimmcharakter der Sängerin:
… läßt sich schwer einer sonst gewöhnlichen Stimmgattung absolut zuzählen. Ist das ein Sopran, ist es ein Mezzosopran, oder doch ein Alt? Gegen Letzteres spricht die wenn auch gesunde Tiefe, doch verhältnismäßig beschränkte Tiefe und der große Umfang nach der Höhe zu (bis e, wenn nicht weiter), gegen Ersteres, die ausgesprochen dunkle Klangfarbe eines wirklich echten Alt. Es ist eine ganz seltene Universalstimme … welche das allerdings starke Vibrieren gern mit in Kauf nehmen läßt …
… Marianne Brandt besitzt einen Alt von seltenem Umfang und Klangfülle; rechnet man dazu noch ihre ausgezeichnete musikalische Bildung, ihre mustergültige Auffassung , ihre classische Vortragsweise, dann begreift man sehr wohl die jubelnde Begeisterung, welche der Künstlerin überall, wo sie auftritt, entgegengebracht wird. Und ebenso groß wie im Gesange ist sie auch in der Darstellung und dadurch hebt sie sich gewaltig ab von der gewöhnlichen Primadonnen Chablone, die sehr zum Nachtheile der Gesammtwirkung die Darstellung über dem Gesange vernachlässigt. Jede ihrer Rollen ist wahr und tief empfunden, fein und maßvoll durchgeführt und so auch vom rein schauspielerischen Standpunkte eine Musterleistung … 20)
befindet der Rezensent der Wiener "Deutschen Musikzeitung" am 23.Januar 1880, anläßich eines Gastspiels an der Wiener Hofoper.
Die Sängerin als Darstellerin, als Schauspielerin, nicht nur für die Soloszene (Arie), sondern auch im Zusammenspiel, ein aufeinander ab gestimmtes Zusammenspiel mit dem jeweiligen Gesangspartner/in. Üblich waren stereotype Gesten, das „Rampen singen“ und ähnliche wenig phantasievolle und nicht rollendeckende Bewegungsabläufe.
Den/Die Partner zum Zusammenspiel zu aktivieren, anzuregen setzt ein hohes Maß an Suggestionskraft, um den Begriff Magie zu vermeiden voraus; Marianne Brandt mußte darüber verfügt haben, es auch sehr bewußt eingesetzt haben, wie in der Kritik im Leipziger Musikalischen Wochenblatt vom 7. Januar 1876 über eine „Fidelio“-Aufführung vom Januar 1876 schreibt:
Albert Niemann singt den Florestan
… [er] glänzte und mit einer Empfindung, deren Innigkeit ersichtlich durch seine diesmalige Partnerin gegen früher noch gesteigert erschien. …
… [sie] führte sie in einer wunderbar ergreifenden Weise durch. Ältere Opernfreunde, die noch diese Rolle von der Schröder-Devrient in ihrer besten Zeit gesehen haben, versichern, daß die Leistung der Brandt mit der berühmten Darstellung des „Fidelio“ seitens jener Künstlerin auf gleicher Höhe stehe. Von einer dramatischen Sängerin einen guten Dialog zu verlagen hat man eigentlich kein Recht; sie braucht nur ausdrucksvoll und mit deutlicher Textaussprache singen zu können. … die Brandt zeigte sich als eine Meisterin allerersten Ranges auch in der Behandlung des Dialogs. …
Einige Kritiker vergleichen Marianne Brandt, vor allem ihre szenische Phantasie mit der Schröder-Devrient, vor allem als sie in Berlin endlich (1874) die Leonore im „Fidelio“ singt. Legendbildung mag hier mit im Spiel gewesen sein. Chronologisch gesehen: die Schröder-Devrient (1804 – 1860), auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, in den 1830-40er Jahren, war um 1870 zum Topos für eine sehr intensive Rollengestaltung erstarrt. Auch Richard Wagner, der die Sängerin gehört hatte. persönlich gekannt hat und sie(ihre Gestaltungskraft) sehr bewunderte , bezog sich in seinen Vorstellungen für die Verschmelzung von Wort und Ton immer wieder auch auf die Schröder – Devrient. Es bleibt ein etwas problematischer Vergleich, denn an der Schröder-Devrient wurde immer wieder kritisiert, wie z.B. von Hector Berlioz, sie hätte mit Intonationsproblemen gekämpft, hätte oft statt zu singen eine Art Sprechen-Sprechgesang eingesetzt.
Richard Wüerst, der Komponist schreibt für die "Neue Berliner Musikzeitung" am 23. Dezember 1875 sehr ausführlich über eine Aufführung des "Fidelio" mit Marianne Brandt in der Titelpartie, vom 17. Dezember 1875 in der Berliner Hofoper.
Richard Wüerst formuliert, wertet; als ich diese Rezension las, ´stellte sich ungewollt die Assoziation an den „Merker“ ein, wie David im ersten Akt der „Meistersingern von Nürnberg“ Walter von Stolzing die Regeln der Dichtkunst erklärt:
… kam ich … dazu , mich davon zu überzeugen, inwiefern sie die Aufgabe zu bewältigen vermag. Freilich habe ich schon früher die schwere und vielfach unbequem liegende Parthie von einer tiefen stimme ausführen hören … [folgt eine Beschreibung wie Johanna Jachmann – Wagner als junge Sängerin diese Partie in Hamburg gesungen hat. Anm.d.Verf.]
Frl. Brandt hat es vermöge der Eigenthümlichkeit ihrer Stimme viel leichter, Sopranpartien leisten zu können. Wie die Sängerin selbst berichtet, hat man sich von jeher gestritten, ob ihre Stimme ein Alt oder ein Sopran sei; ich selbst bin darüber nie im Zweifel gewesen, ich habe diese Stimme nie für einen Sopran gehalten. Die Qualifikation einer Stimme ist über- haupt niemals nach dem Umfang zu beurteilen. … Bei Stimmen entscheidet der K l a n g –
C h a r a k t e r und die B e g r e n z u n g d e r R e g i s t e r . Die Stimme des Fräulein Brandt ist eine t i e f e ; sie geht mit dem Brust-Register bis zum f, dann tritt die Kopfstimme ein, welche allerdings in seltenem Grade entwickelt und gebildet ist. Dennoch ist deutlich zu erkennen, daß die Kopftöne – nicht wie die vollen Brusttöne an die oberen Vorderzähne – bei der Stirn, oberhalb der Nase, anschlagen; sie klingen nur selten voll, öfter aber ähnlich stumpf wie die gestopften Töne des Horns. Diese Kopftöne sind auch k e i n e r F ä r b u n g fähig, sie bleiben sich im Ausdruck stets gleich; deshalb wird eine ganze Stelle, nur mit starken Kopftönen gesungen, das Monotone nie vermeiden können. Da Fräulein Brandt ihr so eigen geartetes Organ mit großem Geschick gebraucht, wird auch das Gezwungene wenig bemerkbar; nur fehlt uns in hoher Lage öfter das Seelische, das nur die natürlich hervorquellende, nicht aber die präparierte Stimme zu geben im stande ist. 22)
Folgt eine detaillierte Beschreibung, wie Marianne Brandt z.B. die große Arie der Leonore „Abscheulicher, wo eilst du hin “ musikalisch-sängerisch gestaltet hat.
Der Rezensent bemängelt Portamenti, die seiner Meinung nach ungehörig wären, fehlende Appogiaturen: besonders irritiert ihn das Atem holen in Takt 20 nach dem „ ais “ vor dem hohen h (h‘‘) , er findet dies überaus kühn , aber überflüssig, bewundert aber wie die Sängerin ihr Organ handhabt.
Ferdinand Gumbert am 20. September 1877 in der "Neuen Berliner Musikzeitung":
… Besonderen Lobes … Frl. Brandt, der es durch gewiss großen Fleiss gelungen ist, ihren hohen Tönen das Stumpfe, Timbrelose zu nehmen, so daß sie sich im Klange immer mehr den Brusttönen anschließen.
Ihre Arie „ Mich verläßt der Undankbare …“ [Don Giovanni, Arie der Elvira, 2.Akt, 2.Szene, Anm.d.Verf.] - war eine Meisterleistung …
E.G.Reif vom "Musiklaischen Wochenblatt" am 4.Januar 1878 ist etwas anderer Meinung:
… Um den Charakter ihrer Stimme haben die Kritiker von jeher gestritten; die einen nenne sie einen Alt, die Anderen einen Sopran. Sie reicht vom dreigestrichenen d bis zum kleinen g abwärts; keine Sopranpartie liegt ihr also zu hoch. Obgleich nun aber die Höhe besonders klangvoll und kräftig ist, so hat der Ton doch nicht die helle Farbe des echten Sopran, sondern er ist dunkler und besitzt ein gedecktes Timbre. Singt Marianne Brandt neben Mathilde Mallinger, so entsteht in uns oft das Bild von weichem, aber schweren Sammet neben glatter, schmiegsamer Seide.
Wer unsere Sängerin als Hexe Margarethe in „Genovefa“! oder als Furie in „Armida“ gesehen hat, der erkennt sie in dem zierlichen und übermütigen Cavalier Orsino(sic!)[ Hosenrolle, „Lucrezia Borgia“ von Gaetano Donizetti, Anm.d.Verf.] nicht wieder. Von ganz neuer Seite zeigt sie sich dann im „Fidelio“, wo sie auch durch das gesprochene Wort hin reisst. Ihre Antwort auf Florestans Ausruf „Was hast du für mich gethan?“ - es sind die wenigen Worte: “Nichts, nichts, o mein Florestan!“ . berührt wie die Welle eines flutenden Meeres von Empfindung. Und wer sie nur in den schweren Accenten des musikalischen Dramas hörte, der wird verwundert sein, wenn er sie in einer italienischen Oper als vollendete Coloratursängerin kennen lernt. … 24)
… Diese Stimme, hell wie Glockenton in den Höhen, voll und ernst schwingend in der Tiefe ...
schreibt am 24. Juni 1870 der Rezensent der "Wiener Theaterchronik".
Weiter berichtet der Rezensent über die Anfänge in Graz, die Schwierigkeiten mit den Marianne Brandt damals zu kämpfen hatte und bewundert nun den langen Weg zur erreichten Reife dieser Stimme.
Stefan Mösch „Parsifal“ 1882-1933 [Kurztit., s. Lit.verz. Anm.d.Verf.]widmet der „Einzelgängerin Marianne Brandt ein ganzes Kapitel; er berichtet:
… die Sängerinnen der Blumenmädchen [hatten ursprünglich Zweifel an der Interpretation von Marianne Brandt sowie an ihrer Darstellung der Kundry Anm.d.Verf.] verflogen …
Ein langgezogener Ton, wie von einem silbernen Glöckchen, ein Ton rein und klar, der allmählich bis zum zartesten Pianissimo verklang. Und dann schwebte wie ein Hauch der Ruf ‚Parsifal - Weile‘ über den Blütenhaag. Diese wunderbare, bezaubernd schöne Stimme zog Zuhörer wie Mitwirkende sofort in ihren Bann … 26)
„Verschleißerscheinungen“ nach einer so langen und intensiven Karriere sind unausweichlich, - und unüberhörbar, wie ein Kritiker 1886 kritisch vermerkt; zwar routiniert und geschickt übersungen, auch dank einer intensiven Ausgestaltung des Textes. Sie war in Sondershausen beim Musikfest des ADMV aufgetreten und hatte Liszt-Lieder gesungen.
1912 feiert sie ihren 70. Geburtstag und dazu schreibt Adolf Kohut im "Neuen Wiener Journal", 11. September 1912, über ihre Stimme, die Sing-Darstellerin Marianne Brandt:
… MARIANNE BRANDT war eine Darstellerin großen Stils, genial und schöpferisch in ihrer Auffassung und von hinreißendem Temperament. Im Besitz einer Altstimme von großem Umfang – im musikalischen Gesangsjargon nennt man ein solches Organ gewöhnlich eine „unklassifizierbare Stimme“, - war sie nicht alleingroß in der Durchführung von Alt- sondern auch von Sopranpartien. …
Kohut schließt mit der Beschreibung ihrer großen darstellerischen Kunst – und zieht den Vergleich – theaterhistorisch – mit der Schröder-Devrient und deren Gestaltung des „Fidelio“.
Marianne Brandt war eine ewige Selbstzweiflerin, sich selbst – d.h. ihrer Stimme gegenüber sehr kritisch eingestellt, aber sie kannte auch ihren Stellenwert.
Ein Dokument in ihrem Nachlaß, als Fragment und undatiert überliefert, erlaubt tiefe Einblicke in ihr künstlerisches Selbstverständnis . Sie hat dem Schriftstück den Titel “Erklärung“ vorangestellt. Der Inhalt ist zwiespältig; einerseits läßt er eine Art Rechtfertigung vermuten – gegen ungerechtfertigte Kritiken ihrer Stimme, andrerseits liest sich das Dokument wie eine Stellungnahme für die Direktion gegen ihre Unterbeschäftigung, gegen die Mißachtung ihres sängerisch-künstlerischen Potentials .
Sie unterstreicht ihre Gewissenhaftigkeit und vor allem, daß sie dem Berliner Publikum verpflichtet ist ihr Bestes zu geben.
Die Kritiker bemängeln , daß sie Rollen übernehme, die
„ … über den Bereich meiner Mittel gehen …
… das Hinaufschrauben der Stimme. …
Marianne Brandt notiert:
… im Wiener Conservatorium zur Ausbildung … . Meine Stimme als Mezzosporan behandelt ward, u. als solcher auch von anderen hervorragenden Persönlichkeiten, die mir nach meiner ersten Unterrichtszeit nachleitend zur Seite standen, anerkannt ward. So fand Frau Viardot, die selbst eine ähnliche Stimme hatte wie die meine, nicht den mindesten Anstoß daran, daß ich sollte Fides u. Valentine singen können, hatte sie doch selbst diese beiden Rollen u. dabei den Orpheus u. das Zerlinchen gesungen! Ebenso noch andere Celebritäten, die ganz u.gar damit einverstanden waren, daß es einen Mezzosopran geben könne, der mit dunkler Klangfarbe doch den Umfang eines Soprans verbinden könne.!
Meine Stimme ist nun aber eine Abnormität u. bringt die Natur nicht tausend Abnormitäten hervor ? … Man wird sagen, das Abnorme kann nur in seltenen Fällen – zur Geltung gebracht werden, gewiss ist, daß der liebe Schlendrian in seiner goldenen Mittelstraße leichter Wege findet.
Was nun wieder das mir von Gott verliehene Gut betrifft, so ward es von vornherein als dramatischer Mezzosopran für die Rollen der Recha, Selica, Fidelio, Fides, Azucena gleichzeitig ausgebildet u. meine ersten Bühnenversuche in diesen Rollen mit den günstigsten Erfolgen gemacht; ein Zufall fügte es, daß in Graz der Platz einer Altistin frei wurde, für welches Fach eine Provinzbühne selten ein Talent bekommt. Der Umfang meiner Stimme ließ nun die weniger tiefen Rollen mich ermöglichen u .ich füllte durch zehn Monate meinen Platz zur Zufriedenheit der Direktion wie des Publikums aus .
… nach Hamburg, wo ich hingehen sollte, einen Contract für Alt, Mezzo S. Parthien mit begriffen … eingeschlossen Recha, Selika, etc. …
Die „Wagner-Partien“ bildeten in der Zeit, in der Marianne Brandt aktive Sängerin war – eigentlich für jeden damals aktiven Sänger - eine besondere Herausforderung. die Herausforderung war eine vom Komponisten und seinem Werk völlig neue geformte sowie geforderte Art der gesanglich-musikalischen Gestaltung, forderte die Verschmelzung von Wort und Ton im Sinne der Rolle. Bayreuth, oder vielmehr das Ergebnis „Vorstellung des Abends von …“ ist nimmt man es im Sinne des Komponisten – damals wie heute „Versuchsanordnung“, hat seinen experimentellen Charakter bewahrt.
Die Eintragung von Cosima vom 2.September 1881 gibt darüber Auskunft:
… der Tag bringt die sehr angenehme Sicherheit, daß Marianne Brandt die Kundry wird gut singen können. R. läßt mich herunterrufen weil er so mit ihr zufrieden ist, und sie rührt uns auf das tiefste in den ersten Worten an Parsifal. …
Diese Notiz erzählt uns, daß es der Sängerin offenbar gelungen ist, die von Wagner vorgestellte Symbiose von Wort und Ton zu erreichen, italienische Stimmkultur mit den Anforderungen des deutschsprachigen Gesangs (vokal – konsonantisch) zu verschmelzen.
Es endet – als tema con variazione –
… ihre herrliche Stimme und ihr viel bewundertes Spiel siegten in New York ebenso wie in Europa … Sie war eine Darstellerin des großen edlen Stils, genial und schöpferisch in der Auffassung, eine Sängerin von hinreißendem Temperament mit phänomenalen Stimmmitteln …
So im Nachruf im Neuen Wiener Journal, vom 10.Juli 1921
Es gibt einige wenige Tonaufzeichnungen der Stimme von Marianne Brandt, 1905 von Pathé aufgezeichnet; sie wurden später digital „gereinigt“, d.h. diese für die frühe Technik der Aufzeichnung üblichen Nebengeräusche wurden entfernt. Diese Aufzeichnungen sind – bei allen dennoch weiter hörbaren Mängeln immer noch faszinierend (mir ging es jedenfalls so), aber als ich sie hörte, war ich mir dessen bewußt: ich höre nur die „Idee“ einer Stimme, denn es fehlt das „Obertönige“, das die Klangfarbe einer Stimme auszeichnet, ihr „Charakter“ verleiht.
Es bleibt hörbar: Stimmführung, Gestaltung des musikalischen Textes, gleichgültig ob Arie oder ein Lied.
Und immer wieder berichten die Rezensionen von ihrer darstellerischen Intensität, von ihrer Bühnenpräsenz, die von den gewohnten Bewegungsmustern „Herz-Schmerz“ (überspitzt formuliert) nicht nur abweicht, sondern konkrete Rollengestaltung ist.
Nachwort
Im Winter 2003 saß ich im Lesesaal der Wienbibliothek um die Briefe der Sängerin Edyth Walker für die Richard-Strauss-Blätter für die Veröffentlichung vorzubereiten, überliefert im Teilnachlaß der Sängerin Marianne Brandt, königlich preußische Kammersängerin. Und so ganz nebenbei entstand die Idee einer Werkbiographie über diese Sängerin; sie war – in ihrer Zeit eine wichtige Interpretin unterschiedlichster Partien – von Meyerbeer, sie sang viel zeitgenössische Komponisten, und darunter vor allem viele Wagner-Partien.
Die Epoche der Sängerin Marianne Brandt war eine Zeit der Auseinandersetzungen um das Kunstwerk „Oper“: nach Meinung vieler Komponisten mußte diese Kunstform unabdingbar reformiert werden. Zwei gegensätzliche porte-paroles trugen zu einer Ausweitung der Tendenzen bei: Giuseppe Verdi und Richard Wagner. Marianne Brandt hat dies erlebt, wurde zu ihrer Zeit und auch als sie nicht mehr aktiv als Sängerin tätig war, zur Zeitzeugin dieser Entwicklung.
Es wurde eine Zeitreise von 1842- 1921. 1905 hatte die Firma Pathé ihre Stimme aufgezeichnet. Fasziniert – trotz der zeitbedingten technischen Defizite – habe ich zugehört. Marianne Brandt, zum Zeitpunkt der Aufnahme 63 Jahre alt, präsentiert das Trinklied des Maffio Orsini aus „Lucrezia Borgia“ von Gaetano Donizetti als stünde sie in Kostüm und Maske auf der Bühne – nahezu ungebrochen auch die sängerischen Mittel.
Immer wieder habe ich es sehr bedauert, daß sie nicht – wie z.B. Lilli Lehmann, ihre Kollegin an der Berliner Oper, aus ihren zahlreichen Aufzeichungen, Notizen und Briefen, ihre Erinnerungen in eine biographische Erzählung verwandelt hat. Sie hätte viel erzählen können von den Menschen und Künstlern, denen sie begegnet ist, die ihren Start als Sängerin ermöglicht haben sowie von den Kollegen und Komponisten, den Solisten, mit denen sie immer wieder aufgetreten ist – und auch über die Zusammenarbeit, wenn ein neues Werk auf der Bühne dem Publikum vorgestellt wurde – ob Oper, Lied oder Konzertstück bleibt dabei offen. Persönliche, also private Einblicke, geben diese Texte nicht. Marianne Brandt hat ihr privates Leben abgeschirmt, was wir darüber wissen, läßt sich aus einigen späten Briefen rekonstruieren, gelegentlich auch aus Pressemeldungen, Akten. Sie hat während der Sommerfrische als Zeitvertreib Notizen gemacht über ihre Erlebnisse, mehr oder weniger ausformuliert; vielleicht hat sie mit dem Gedanken an eine Autobiographie gespielt – nach dem Ende der aktiven Bühnenlaufbahn . Die von ihr zusammengestellten (überlieferten handschriftlichen) Texte , in einzelne Kapitel unterteilt, teilweise unvollendet und undatiert, tragen den Titel:
„Aus meiner Kodak“
Einleitung
„ Der moderne Reisende nimmt mit seinem Kodak auf der Fahrt wie an Ort und Stelle Bilder auf, die, ob mehr oder weniger scharf, ihm später doch wieder lebhafter die Erinnerung an Eindrücke wachrufen, welche Gegenden und Menschen im Vorüberschreiten auf ihn gemacht haben.
Einteilung
- Bild: Mit Kleinem fängt man an! Ländlicher Kunstsinn
Im Juni 1867 trat ich mein erstes Engagement an. In Graz.
Eine Episode, eine Wanderung durch den Wald, bei der die junge Sängerin für ihre Begleitung singt.
- Bild: Heureux les sots (publ., s. Viardot-Baden, S.56)
- Bild: Ein Hund bellt (publ.s.Viardot Baden, S.56f.)
- Bild: Eine stürmische Premiere
- Bild: Unverhofft!
- Bild: Vor dem Kriege (damit ist 1870 gemeint)
- Bild Maienzeit
Der Titel der Notate läßt vermuten: sie hat – vielleicht - gerne photographiert; hat sie sich – vielleicht - während ihrer Amerika-Aufenthalte eine Eastmann-Kamera gekauft? – damals sehr in Mode und das neueste technische Medium für den Privatgebrauch.
Was sie erzählt und wie sie schreibt, wenn man dann die Blätter wieder ordentlich zurück in den Archivkasten, nimmt man als Lesebild mit – ich bin mit einer Wandeldekoration durch Zeit und Raum gegangen.
Marianne Brandt war auch eine gefragte Zeitzeugin; viele ihrer Erinnerungen wurden – meist anlaßbezogen u.a. in der Wiener Presse publiziert. Diese publizierten Texte – so meine These – könnten auch als handschriftlichen Unterlagen entstanden sein, die Marianne Brandt, dem jeweiligen Interviewer zur Verfügung gestellt hatte.
Aus diesen zahlreichen größeren und kleineren Mosaikteilchen entstand das Bild der Künstlerin, die ich durch ihr Leben, bei ihrer Karriere begleitet habe. Mehr noch: der Vorhang hebt sich, öffnet den Blick auf die Theater- und Musikwelt ihrer Epoche.
Berlin 1882, die Vorstellung „Die Makkabäer“ geht zu Ende, der Vorhang fällt, und unter großem Applaus eines begeisterten Publikum verneigen sich die Sänger, der Dirigent – und endlich kommt sie auf die alle applaudierend warten: Marianne Brandt – in Kostüm und Maske der Leah … erneut brandet der Applaus hoch, gepaart mit dem Bewußtsein des Abschieds … ob Hülsen seiner großen Künstlerin einen Blumenstrauß überreicht hat, ob wie es noch heute üblich ist, Blumensträuße von Verehrern in Richtung Proszenium fliegen um auf der Bühne zu landen … die nüchterne Berichterstattung der Abschiedsvorstellung läßt der Phantasie eines geübten Opernfans freien Lauf.
Danksagung
Es bleibt mir nur noch zu danken, denn ohne Unterstützung und beratende Hilfe der Archive und Bibliotheken, in denen sich die Lebensspuren von Marianne Brandt befinden, hätte ich diese Biographie nicht schreiben können.
Mein ganz besonderer Dank geht an:
Marianne Gordienko, Musikabteilung der Staatsbibliothek, SPK Berlin
Claudia Mayerhofer, Theatermuseum Wien
Herbert Brandauer, Wien
Mark Strümper, Musiksammlung der ÖNB
Maximilian Zauner, Wienbibliothek
Bayreuth, Richard Wagner Museum
Berlin:
Akademie der Künste, Archiv
Freie Universität, Institut für Theaterwissenschaft, Theaterhistorische Sammlungen
Geheimes Staatsarchiv SPK
Landesarchiv
Staatsbibliothek, Musikabteilung und Mendelsshon-Archiv, SPK
Stiftung Stadtmuseum, Berlin, Theatersammlung
Frankfurt/M.:
DRA, Deutsches Rundfunkarchiv
Goethe-Universität, Johann Christian Senckenberg Zentralbibliothek, Spezialsammlungen
Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität, Universitätsbilbiothek, Historische Sammlungen
Graz, Stadtarchiv
Hamburg, Staats-und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Historische Bestände
Kiel, Universitätsbibliothek, Historische Sammlungen
Köln, Universität zu Köln,Bibliothek, Theaterwissenschaftliche Sammlungen, Schloß Wahn
Leipzig:
Deutsche Nationalbibliothek, Musikarchiv
Universitätsbibliothek, Sondersammlungen
München, Bayrische Staatsbibliothek, Abteilung Handschriften und Alte Drucke
Weimar, Klassik Stiftung, Goethe-und Schiller-Archiv
Wien:
Gesellschaft der Musikfreunde, Archiv, Bibliothek, Sammlungen
Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung und Porträtsammlung
Stadt-und Landesarchiv
Theatermuseum